Die acht Episoden der brasilianischen Thriller-Serie „Der Mechanismus“, die seit vergangener Woche weltweit auf Netflix abrufbar sind, beginnen jeweils mit dem Hinweis, dass die Geschichte zwar vage auf wahren Begebenheiten beruhe, alle handelnden Figuren aber absolut fiktiv seien. Trotzdem haben der Serienschöpfer José Padilha (der auch schon die ersten beiden Staffeln des Netflix-Hits „Narcos“ mitverantwortet hat) und seine Autoren mit ihrer Korruptionsstory offenbar einen besonders wunden Punkt getroffen.
Schon in der ersten Staffel stößt der in einem Korruptionsfall ermittelnde Protagonist nicht nur auf ausgemachte Gangster und zwielichtige Geschäftsleute, sondern auch auf eine ganze Riege an durch und durch korrupten Politikern – kein Wunder, denn die Parallelen zu dem das politische Brasilien seit zwei Jahren lähmenden Korruptionsfall „Operation Autowäsche“ sind kaum zu übersehen. Aber obwohl die Macher wie gesagt kennzeichnen, dass ihre Serie von diesen Ereignissen lediglich inspiriert ist, werfen ihr Politiker und Politaktivisten nun vor, dass sie die Vorgänge verzerrt darstellen würde. Die abgesetzte Ex-Präsidentin Dilma Rousseff hat dabei sogar den Kampfbegriff „Fake News“ ausgepackt.
Wer löscht jetzt alles seinen Netflix-Account?
Die Folge: Unter dem Hashtag #DeleteNetflix wird in dem südamerikanischen Land inzwischen zum Boykott des Streaming-Portals aufgerufen. Wir können dazu nur sagen: Ob die Politiker wie in der Serie alle korrupt sind, wissen wir nicht, aber einen an der Waffel haben sie auf jeden Fall: Einer als fiktiv gekennzeichneten Serie den Vorwurf „Fake News“ zu machen, ist schon rein logisch blanker Unsinn (natürlich können Filmemacher auch eine politische Agenda verfolgen, aber das macht sie noch lange nicht zu Journalisten und ihre Werke nicht zu Nachrichten). Zudem hat die ganze Aufregung in der Breite natürlich genau den gegenteiligen Erfolg von dem, was die Politiker mit ihrer Harakiri-Aktion eigentlich bezweckt haben.
Denn wo „Der Mechanismus“ trotz realer Anleihen am Ende eigentlich nur eine fiktive Räuberpistole ist, die ohne die ganze nachträgliche Aufregung wohl kaum jemand hundertprozentig ernstgenommen hätte, fragt man sich nach den überzogenen Reaktionen der Politiker nun natürlich schon, ob in der Serie nicht womöglich doch die eine oder andere unangenehme Wahrheit steckt? Denn dass diejenigen, die am lautesten Fake News brüllen, es häufig selbst mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, sondern den Begriff eher als Vernebelungstaktik einsetzen, dürfte nach zwei Jahren Trump-Populismus inzwischen ja (fast) jeder durchschaut haben.
Regisseur José Padilha (ab dem 3. Mai 2018 auch mit „7 Tage in Entebbe“ in den Kinos) selbst hat inzwischen auf die Boykottaufrufe übrigens ebenso trocken wie pragmatisch reagiert: „Wer sein Netflix-Abo kündigt, der verpasst die vierte ‚Narcos‘-Staffel!“