Als bei der Oscarverleihung 2017 Casey Affleck die Statue für den Besten Hauptdarsteller erhielt, überreichte ihm Vorjahresgewinnerin Brie Larson den Goldjungen, wie es Usus ist. Nach der Verkündung des Namens setzte Larson einen ernsten Gesichtsausdruck auf; sie überreichte zwar professionell den Preis, während das Publikum dem Schauspieler aber applaudierte, stimmte sie nicht ein. Als sie anschließend von der Vanity Fair zu diesem Verhalten gegenüber Affleck bei Preisverleihungen befragt wurde (schon bei den Golden Globes gab sie sich distanziert), führte sie vielsagend aus: „Ich glaube, was ich getan habe, spricht für sich selbst.“
Larson spielte damals auf die schon länger kursierenden Vorwürfe sexueller Belästigung gegen Casey Affleck an. Seit dem Weinstein-Skandal ist „sexuelle Belästigung“ DAS Thema in Hollywood und wird bei den Oscars 2018 eine riesige Rolle spielen. Daher war schon mit Spannung erwartet worden, wie die gewinnende Schauspielerin darauf reagieren würde, den Oscar aus der Hand des „Manchester By The Sea“-Stars zu erhalten. Dazu wird es aber nicht kommen. Casey Affleck habe von sich aus darauf verzichtet, den Goldjungen zu überreichen. Wer die Rolle stattdessen übernehmen wird, ist nicht bekannt.
ProSieben gibt Programm für Übertragung der Oscars bekannt – mit Leonardo DiCaprio in "The Revenant"Die Kollegen von Deadline berichteten zuerst, dass Affleck diese Entscheidung getroffen habe, da er nicht wolle, dass die Kontroverse rund um seine Person die Aufmerksamkeit von den Leistungen der nominierten Schauspielerinnen nehme. Die für die Oscars zuständige Academy bestätigte kurz darauf, dass Affleck sie über seine Entscheidung informiert habe. Man „begrüße die Entscheidung, den Fokus auf der Show und den großartigen Arbeiten aus diesem Jahr zu halten“. Ein Sprecher von Affleck bestätigte zudem, dass der Star der kompletten Verleihung fernbleiben wird.
Damit hat die seit dem Weinstein-Skandal stattfindende Debatte um die jahrelang verschwiegene Kultur sexueller Belästigungen in Hollywood erste konkrete Auswirkungen auf die Oscars. Bislang wurde nur gemutmaßt, dass sie auch bei den Nominierungen eine Rolle gespielt haben könnte. Ins Feld geführt wurde hier immer wieder die Nichtnominierung von James Franco für „The Disaster Artist“, nachdem via Twitter diverse Vorwürfe gegen den Star erhoben wurden.
Hier ist es aber mehr als fraglich, ob es wirklich konkrete Auswirkungen gab, da die Vorwürfe erst kurz vor Abstimmungsschluss ans Licht kamen und zu diesem Zeitpunkt wohl das Gros der Stimmzettel schon abgegeben war. Am Rande der SAG-Awards wurde Franco auch von mehreren Kollegen und Kolleginnen verteidigt, bei ihm gab es auch keine konkreten Auswirkungen auf Film- oder Serienprojekte (die Vanity Fair entfernte ihn allerdings kurzfristig digital vom großen Faltcover ihrer Hollywood-Sonderausgabe).
Die Vorwürfe gegen Casey Affleck
Der nun keinen Goldjungen überreichende Casey Affleck steht schon seit 2010 in der Kritik. Damals wurde er von einer Produzentin und einer Kamerafrau nach den Arbeiten an der Fake-Doku „I’m Still Here“ verklagt. Beide warfen ihm sexuelle Belästigung vor allem durch Worte, aber auch durch einige Taten vor. So behauptete damals unter anderem eine der Klägerinnen, er habe sich alkoholisiert und leichtbekleidet zu ihr ins Bett gelegt, als sie geschlafen habe und ihr dabei über den Rücken gestreichelt. Beide Verfahren wurden außergerichtlich beigelegt, sodass Affleck nie verurteilt wurde, die Vorwürfe nie geklärt wurden. Die Details dieser Einigung sind unter Verschluss.
Schon 2017 spielte das Thema „sexuelle Belästigung und Gewalt“ bei der Oscarverleihung eine große Rolle. Damals wurde womöglich – das ist aufgrund der geheimen Abstimmung natürlich nicht beweisbar – das lange Zeit hochgehandelte Drama „The Birth Of A Nation“ nicht nominiert, weil Regisseur Nate Parker und sein Co-Autor Jean McGianni Celestin 1999 der Vergewaltigung einer Studentin bezichtigt und unter teilweise zweifelhaften Umständen freigesprochen wurden. Mittlerweile ist das Thema „sexuelle Belästigung und Gewalt“ viel, viel größer in Hollywood und wird auch trotz des Verzichts von Casey Affleck voraussichtlich die Oscarverleihung dominieren.
Die Verleihung findet in der Nacht vom 4. auf den 5. März 2018 statt.
Oscars 2018: Die Nominierungen im Überblick