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    "Godless": Unsere Kritik zur Western-Miniserie auf Netflix

    Am 22. November 2017 veröffentlicht Netflix die Westernserie „Godless“. Wir haben alle sieben Folgen der Miniserie bereits gesehen und verraten euch, ob sich das Streamen lohnt.

    Netflix

    Achtung: Im Rahmen der Besprechung wird auf Details der Handlung von „Godless“ eingegangen.

    Mit der siebenteiligen Miniserie „Godless“ begibt sich der Streaming-Anbieter Netflix auf das für ihn (bisher) noch verhältnismäßig wenig vertraute Terrain des Westerns. Aber statt wie Quentin Tarantino mit „Django Unchained“ einen überdrehten Neo-Italowestern vorzulegen oder den Western wie in der HBO-Serie „Westworld“ mit einem zweiten Genre wie der Science-Fiction zu kombinieren, setzen Showrunner Scott Frank („Ruhet in Frieden“) und Produzent Steven Soderbergh („Traffic – Die Macht des Kartells“) lieber auf geradlinige, atmosphärisch dichte Westernunterhaltung im klassischen Sinne: Outlaw Frank Griffin (Jeff Daniels, unter einem dichten Vollbart kaum zu erkennen) terrorisiert mit seiner Posse einen ganzen Landstrich. Griffins Ziehsohn Roy Goode (Jack O'Connell), wie der Bandenchef ein echter Revolverheld, möchte allerdings kein mordender Krimineller mehr sein und hat die Gang deshalb verlassen, was Anführer Griffin ganz schlecht verkraftet. Aber diese für einen Western sehr gewohnte Story ist zum Glück lange nicht alles, was „Godless“ zu bieten hat…

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    Darum geht es in „Godless“

    Denn ebenso zentral wie die Feindschaft zwischen den beiden Outlaws ist für Autor und Regisseur Scott Frank in „Godless“ die Minenstadt La Belle, in der nach einem schrecklichen Grubenunglück hauptsächlich Frauen leben. Die Einwohnerinnen des kleinen Ortes müssen sich deshalb um alles selbst kümmern, was durchaus nicht leicht ist in der rauen Welt des Wilden Westens. Figuren wie die toughe, intelligente Mary Agnes (Merritt Wever, bekannt aus „The Walking Dead“) stehen dabei den archetypischen männlichen Westernhelden in kaum etwas nach.

    Der geläuterte Kriminelle Roy Goode hingegen kann sich schwer verwundet gerade noch auf die Farm von Alice Fletcher (Michelle Dockery) schleppen, die etwas außerhalb von La Belle lebt. In der Gesellschaft von Fletcher und ihrem Sohn Truckee (Samuel Marty) entdeckt Goode ein Stück Normalität wieder, kann seiner dunklen Vergangenheit jedoch auch nicht komplett entkommen…

    Starke (Frauen-)Figuren

    Die Tragödie in La Belle zwingt die Bewohnerinnen regelrecht zu einer beschleunigten Emanzipation, die für die damalige Zeit ungewöhnlich ist. Die Frauen in dem kleinen Ort fangen nicht nur an, die Stadtverwaltung selbst zu organisieren. Sie übernehmen auch klassisch männliche Arbeiten wie den Hausbau. Einige, wie die neue Bürgermeisterin Mary Agnes, tragen sogar Männerkleidung und ziehen genauso schnell wie die männlichen Revolverhelden. Mit den alten, in der Vergangenheit (zu) oft gesehenen Western-Klischees der passiv-leidenden, schutzbedürftigen Frau haben die weiblichen Figuren in „Godless“ jedenfalls kaum noch etwas gemein.

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    Grandios gefilmt, genial erzählt

    Die Western-Settings und besonders die Landschaftsaufnahmen in „Godless“ begeistern auf ganzer Linie. Auch in Sachen Ausstattung, Kostümen und Kulissen passt alles, jeder einzelne altmodische Schnurrbart erscheint hier stimmig. Dabei nehmen sich die Serienmacher um Regisseur Frank auch immer wieder angenehm viel Zeit für kleine, alltägliche Dinge wie das Zähmen von Pferden oder die in der damaligen Zeit extrem schlechte Versorgung von Kranken. So wird ein ungewohnt hoher Grad an Realismus erreicht und als Zuschauer fühlt man sich tatsächlich in die damalige Zeit zurückversetzt.

    Diese teilweise äußerst ruhigen Episoden unterbricht Frank dann immer wieder durch ausgedehnte Actionsequenzen, die konsequent die harte, unbarmherzige Western-Welt unterstreichen. Hierzu zählen selbstverständlich auch etliche Schießereien, die ebenso spannend wie abwechslungsreich geraten sind. Und wenn dann zu den Stand-Offs auch noch der Soundtrack von Western-Legende T Bone Burnett (unter anderem „Walk The Line“, „Inside Llewyn Davis“) ertönt, gelingt es den Serienmachern endgültig, die Zuschauer nach einem betont gemächlichen, sich zunächst langsam entfaltenden Einstieg restlos in ihren Bann zu ziehen.

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    Fazit

    Mit „Godless“ präsentiert der Streaming-Dienst Netflix eine klassische, epische Western-Geschichte. Die einzelnen (Sub-)Storys innerhalb der geschlossenen Welt fühlen sich zugleich vertraut und trotzdem überraschend frisch an, eben weil hier weibliche Figuren viel stärker in den Fokus rücken als es in den allermeisten klassischen Genrevertretern der Fall war. Getragen von fulminanten Darstellern und reichlich stimmigen Zeitkolorit, läuft schließlich alles auf einen großen Showdown im Serienfinale hinaus, der tatsächlich (immerhin handelt es sich bei „Godless“ ja um eine abgeschlossene Miniserie und nicht nur um eine erste Staffel) alles einlöst und nichts auf später verschiebt, wie dies in anderen Serien so oft der Fall ist. Western-Fans und alle, die sich auf eine episch-breit angelegte historische Erzählung einlassen wollen, sollten „Godless“ also definitiv eine Chance geben.

     

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