Achtung: Im Rahmen der Besprechung wird auch auf einzelne Elemente des Inhalts aus den ersten vier Episoden von „Marvel’s The Defenders“ eingegangen.
Nach zwei Staffeln von „Daredevil“ sowie jeweils einer von „Jessica Jones“, „Luke Cage“ und „Iron Fist“ führen Marvel und Netflix ihr Heldenquartett nun zusammen. Weil die vier Einzelserien stilistisch schon sehr unterschiedlich waren, ist das ein schwieriges Unterfangen und es zeigt sich schnell, dass die Macher Douglas Petrie und Marco Ramirez (waren beide bereits an „Daredevil“ beteiligt) dafür nicht immer die richtige Antwort finden. Dass aber gerade das Zusammenspiel der vier (Anti-)Helden ein Trumpf ist, macht große Hoffnung für die zweite Hälfte der Mini-Serie „Marvel’s The Defenders“.
Darum geht es in „The Defenders“
Eingeführt werden wir in die Serie über „Iron Fist“ Danny Rand (Finn Jones). Seit die mythische Stadt K’un Lun verschwunden ist, reist er verzweifelt mit Mitstreiterin Colleen Wing (Jessica Henwick) durch die Welt, um alleine die Organisation „The Hand“ zu bekämpfen. Doch dann erfährt er von einem sterbenden Kämpfer, dass er nach New York zurück muss. Dort ist auch Luke Cage (Mike Colter) wieder angekommen und endlich mit Claire (Rosario Dawson) vereint. Doch Misty Knight (Simone Missick) macht den frisch aus dem Knast entlassenen Luke darauf aufmerksam, dass viele junge Männer aus Harlem zuletzt ermordet wurden – meist kurz nachdem sie eine mysteriöse Arbeitsstelle angetreten sind.
Während Luke das Ermitteln beginnt, macht dies auch unabhängig von ihm Jessica Jones (Krysten Ritter) in anderer Sache. Sie hat eigentlich den Detektiv-Job aufgegeben und schenkt daher einer verzweifelten Frau, die ihren verschwundenen Gatten sucht, keine Beachtung – bis ein anonymer Anrufer sie auffordert, von dem Fall die Finger zu lassen und so erst ihr Interesse weckt. Matthew Murdock (Charlie Cox) hat derweil seine Doppelidentität als Daredevil aufgegeben und ist nur noch Anwalt. Doch als ihn sein alter Freund Foggy (Elden Henson) im Auftrag seiner Chefin Jeri Hogarth (Carrie-Anne Moss) bittet, sich um die Probleme einer vorlauten Schnüfflerin zu kümmern, wecken deren Ermittlungen schnell seine Neugier…
Eine langwierige Zusammenführung
Es ist logisch, dass wir die vier Helden aus „The Defenders“ erst einmal auf ihren eigenen Pfaden erleben müssen – bis sie ihre unabhängigen und auch komplett unterschiedlich motivierten Ermittlungen plötzlich zusammenführen. Doch leider finden die Macher gerade in den ersten beiden Episoden nicht das richtige Konzept für ihre zersplitterte Erzählstruktur. Schnell geschnittene Aufnahmen von Zügen auf den berühmten Hochbahntrassen New Yorks dienen immer wieder als Stilmittel, um von einem Erzählstrang auf den anderen zu wechseln. Überdeutlich wird dem Zuschauer so klar gemacht, dass man sich nun in einen anderen Bezirk der Stadt, zu einer anderen Figur bewegt.
Genauso ein überdeutliches Signal ist die Kolorierung am Ende jeder Zwischensequenz, die uns auch sogleich mitteilt, welchen Helden wir nun wieder zu Gesicht bekommen. Von Rot für Daredevil bis Grün für Iron Fist hat jede Figur ihre eigene Farbe, die schon bei den Einzelserien für jeweils einzigartige Looks sorgte und nun auch in „The Defenders“ immer im Bild aufgegriffen wird. Gemeinsam mit den separaten Soundtracks verstärkt dies – vor allem in den ersten zwei Folgen – die Zersplitterung. Bisweilen wirkt „The Defenders“ nicht wie eine Serie, sondern man wähnt sich beim stetigen Hin- und Herzappen zwischen vier verschiedenen.
Helden, die harmonieren
Wenn die Figuren dann endlich mal aufeinander treffen, zeigt sich aber, dass gerade dies die Stärke von „The Defenders“ ist. Die vier völlig gegensätzlichen Charaktere harmonieren prächtig – gerade weil sie sich anfangs so abstoßen. Gekonnt werden hier flotte Sprüche platziert und sich auch mal selbst nicht zu ernst genommen. Der mythische Plot um Wiedergeburt und ewiges Leben sorgt so natürlich gerade beim geerdeten Luke Cage, der eigentlich nur sein Viertel in Ordnung bringen will, oder der sowieso ganz und gar nicht am Heldendasein interessierten Jessica Jones nur für Stirnrunzeln.
Die vier Defenders im Team sind die größte Stärke der Serie und sicher auch das, was die Fans sehen wollen. Da ist es schon ein wenig verwunderlich, dass die Macher es bewusst hinauszögern, sogar große Freude daran haben, die Zuschauer ein bisschen zu ärgern. Just in dem Moment, wo es nämlich zumindest erste Zweier-Begegnungen gibt, wird daran nämlich nicht angeknüpft, sondern es gibt erst einmal eine fast 15 Minuten lange Rückblende, in der die Hintergrundgeschichte einer zentralen Nebenfigur unnötig breit ausgewälzt wird. Wenn dann aber plötzlich alle bei ihren Fällen – teilweise sehr unvermittelt – auf denselben (uns bereits aus „Daredevil“ bekannten) Firmenamen stoßen, hätte man sich etwas mehr erzählerische Breite gewünscht.
Die Action: der typische Flurkampf
Es ist ein Markenzeichen aller Marvel-Netflix-Serien, dass eine der größten Actionszenen in einem Flur stattfindet, in dem sich der Held durch eine Gegnerschar prügeln muss. Bereits die Trailer verrieten uns, dass es diesen auch in „The Defenders“ geben wird. Es ist der Moment, in dem die vier Helden zusammenkommen, aber nur eine von vielen Actionszenen in den ersten vier Folgen. Vor allem bleibt sie trotz einiger starker Momente nicht so in Erinnerung wie die bislang besten Hallway-Fights – aber wir gehen hier ganz fest davon aus, dass man so früh auch noch nicht das Highlight platzieren wollte, sondern die richtig große Klopperei noch kommen wird.
Ohnehin waren die Actionszenen bei den Marvel-Netflix-Serien bisher ein zweischneidiges Schwert. Wurde die Stunt-Arbeit bei „Daredevil“ zurecht gefeiert, hagelte es vor allem für „Iron Fist“ viel Kritik. Da der Held hier nicht unter einer Maske steckt, konnte man nicht so oft auf einen Stuntman zurückgreifen. Finn Jones macht zwar gleich zu Beginn deutlich, dass er weiter trainiert hat, aber von Kampfsportgrößen ist er immer noch ein ganzes Stück entfernt. In einer Serie, in der herausragende Martial-Arts-Fähigkeiten im Zentrum stehen (dazu gibt es auch einen sehr lustigen Spruch von Jessica Jones), ist es durchaus ein Problem, wenn nicht alle Personen diese beherrschen. Bei einem schauspielerisch herausragenden Cast-Neuzugang fällt es da besonders auf, wenn eine kurze Kampfszene am Set scheinbar langsam aufgenommen und nun beschleunigt abgespielt wird.
Sigourney Weaver als Bösewicht
Damit wären wir bei dem neben der Figurendynamik größten Prunkstück der ersten vier Episoden von „Marvel’s The Defenders“: Sigourney Weaver als Bösewicht Alexandra. Es ist ein riskanter, aber im Ergebnis schlichtweg genialer Einfall, die große Antagonistin im Moment ihrer größten Schwäche einzuführen. Sie wirkt so im ersten Moment nicht wie eine die ganze Stadt bedrohende Gefahr. Das ändert sich aber schnell und man hat so schon früh ihre Antriebskraft für ein teuflisches Unternehmen unterstrichen. Alexandra, die mit Weiß auch einen Farbcode hat, wird nämlich in vielen kleinen Szenen als die große Strippenzieherin etabliert, vor der selbst Madame Gao (Wai Ching Ho) kuscht. Und auch ihre immense Macht und ihre bereits durchgeführten Verbrechen werden sehr zügig deutlich.
Dies liegt vor allem auch an der Bösewichtorganisation „The Hand“. Nachdem diese vor allem im Hintergrund der Netflix-Serien herumgeisterte und in der zweiten Staffel von „Daredevil“ und in der ersten von „Iron Fist“ nur einzelne Elemente etwas stärker in den Vordergrund rückten, steht sie nun im Fokus. Vieles war bislang nebulös, umso überraschender ist es nun, dass man – teilweise fast beiläufig, teilweise in längeren Erklärpassagen – quasi alles über sie erfährt, was wichtig zu sein scheint. So geben die Macher der Bedrohung mit Alexandra und ihren Mitstreitern nicht nur Gesichter, sondern verdeutlichen auch die immense Gefahr – ohne zu viel Erzählzeit von den Helden abzuziehen. Und dass Alexandra noch über eine besondere Waffe verfügt, die besonders Matt Murdock bekannt ist, hilft natürlich auch...
Fazit
Es ist ungewöhnlich, dass Netflix bei einer neuen Serie gleich vier Episoden vorab der Presse zur Verfügung stellt, doch hier hat es seinen Grund. Nach einem sehr zähen Beginn gewinnt „The Defenders“ nämlich mit der dritten und der größtenteils auf einen Schauplatz beschränkten vierten Folge Fahrt. Es sind die Episoden, die Lust auf mehr machen und gerade der Cliffhanger nach der vierten Folge weckt die Vorfreude. Erst die darauf folgende zweite Hälfte wird aber zeigen, ob „The Defenders“ eine gute Serie ist. Einen Einblick in diese liefert der neue deutsche Trailer, den Netflix pünktlich zum Start veröffentlicht hat: