Sie spricht schnell, gestikuliert wild und steht auch schon mal mitten im Gespräch voller Enthusiasmus vom Stuhl auf – eine absolute Power-Frau!
FILMSTARTS: Wonder Woman wurde ja bereits in „Batman V Superman: Dawn Of Justice“ in das DC-Kino-Universum eingeführt. Warst du selbst zu der Zeit auch schon involviert?
Patty Jenkins: Ja, die Projekte haben sich überschnitten. Als ich dazukam, hatten sie den Film noch nicht gemacht, sie steckten gerade mitten in den Dreharbeiten, aber wir haben noch kein Material gesehen. Das Foto, das als Link zwischen den Filmen dient, war bis dahin nur ein Entwurf. Das Konzept stand also, aber erst während der späteren Arbeit an „Wonder Woman“ haben wir entschieden, was genau auf dem Foto eigentlich zu sehen sein soll. Das war ziemlich cool. Zack Snyder und ich entwickelten die Idee gemeinsam – und zwar eine Woche vor Beginn der Dreharbeiten zu „Wonder Woman“, als „Batman V Superman“ noch nicht ganz beendet war. Das passte wunderbar zusammen, denn „Wonder Woman“ ist ansonsten ein komplett eigenständiger Film, eine wahre Origin-Story, wie ich sie seit Langem machen wollte und auch nur das war mein Auftrag: Mach einfach den besten Film, an den du glaubst. Natürlich musste ich Kleinigkeiten beachten, aber „Wonder Woman“ spielt nicht in der heutigen Zeit und muss nicht in einen komplizierten vorgefertigten Kosmos gepresst werden. Die Geschichte ist 1918 angesiedelt - was „Wonder Woman“ strenggenommen zum ersten Superhelden der Geschichte macht.
FILMSTARTS: Die Produzenten wollten von Anfang an eine Frau für den Regie-Job von „Wonder Woman“. Würdest du sagen, dass du als Frau eine andere Herangehensweise an solch ein Projekt hast?
Patty Jenkins: Ich denke nicht, dass nur Frauen Frauengeschichten machen können und Männer nur Männergeschichten, aber ich freue mich, dass sie jemanden gefunden haben, der eine große Leidenschaft für Wonder Woman mitbringt – denn das tue ich. Meine größte Stärke ist wohl, dass ich eben nicht über Wonder Woman als Frau nachdenke. Für mich ist sie eine universelle Figur. Deswegen bin ich befreiter, was für das andere Geschlecht vielleicht schwieriger wäre. Es wird so viel Gewicht darauf gelegt, dass es ihre erste Solo-Geschichte ist, die ganze Diskussion um ihr Aussehen und das zu knappe Kostüm. Davon bin ich komplett befreit. Ich mache den Film nicht für Männer, ich mache ihn für mich. Ich führe Regie bei einem universellen Film mit einer universellen Heldin. Weiter denke ich nicht darüber nach, aber natürlich habe ich als Frau auch andere Einstellungen zu verschiedenen Dingen, von daher war es am Ende wohl doch hilfreich.
FILMSTARTS: Welche Verbindung siehst du zwischen deinem Durchbruchs-Film „Monster“ und jetzt „Wonder Woman“?
Patty Jenkins: Ich persönlich sehe da sehr viele Gemeinsamkeiten. Meine Leidenschaft ist es, sehr starke Geschichten mit ausgeprägten Drama-Elementen zu erzählen. Ich will große dramatische Filme über universelle Emotionen machen. Für mich bedeutete das, den Weg einer Person zu schildern, die durch besondere Umstände schwierige Situationen bewältigen muss. Im Fall von „Monster“ also der Werdegang zur schlimmsten Version deiner selbst. Bei „Wonder Woman“ ist es nun das Gegenteil: eine Frau, die realisiert, welche Kräfte sie hat, mit denen sie Gutes tun kann und wie sie diese Entwicklung durchlebt. Diese Frage kriege ich sonst tatsächlich nie gestellt, weil normalerweise niemandem die Verbindung auffällt. Alle fragen, wie schwer es ist, nun so einen Stoff zu entwickeln und ich sage: Es ist nicht anders als die Projekte, die ich bisher gemacht habe. Es geht auch um die Perspektive einer einzigartigen Figur, ihre Reise, ihre Entwicklung, ihr Drama.
FILMSTARTS: Was trägt Gal Gadot zu der Rolle bei?
Patty Jenkins: So viel. Ich glaube tatsächlich an Type-Casting, denn es gibt für mich persönlich tatsächlich nur einen Handvoll Schauspieler, die die komplette Palette an unterschiedlichen Emotionen auf eine durchweg ehrliche Art bedienen können. In allen anderen Fällen ist es wichtig, dass die Facetten der Figur schon irgendwo in den Schauspielern stecken. Und Gal ist absolut uneitel, tiefgründig, vollkommen gütig, sehr aufmerksam, optimistisch, wirklich stark und hat eine gute Auffassungsgabe. Sie kommt aus Israel und hat echte Konflikte in ihrem Leben gesehen und trotzdem hat sie diese reine, unbeschwerte Art. Das macht auch Wonder Woman für mich aus. Es wäre eine echte Herausforderung, das mit einer oberflächlichen, selbstverliebten Person zu drehen. Mit jemandem, der all die gewünschten Charaktereigenschaften mitbringt, ergibt sich das hingegen auf ganz natürliche Weise. Trotzdem ist Gal Gadot auch eine tolle Schauspielerin, die einen wunderbaren Job gemacht hat, aber sie verströmt eben auch ganz natürlich Liebe, Güte und Mut.
FILMSTARTS: Du und Drehbuch-Autor Geoff Jones sind große Fans von Richard Donners „Superman“ von 1978. Wird „Wonder Woman“ einen ähnlichen Ton anschlagen?
Patty Jenkins: Ja, aber nicht ausschließlich. Es ist eher wie der erste „Superman“-Film gepaart mit „Casablanca“ und einer Prise „Indiana Jones“. Ab und zu gibt es außerdem noch etwas historischen Kontext. Aber was Superhelden-Filme betrifft, ist der alte „Superman“ auf jeden Fall DIE Referenz für mich, denn er hat mich als Kind selbst umgehauen. Und so einen Film wollte ich selbst unbedingt machen – für jeden, aber gerade auch für junge Mädchen.
FILMSTARTS: Wo wir dich heute hier in London treffen. Welche Herausforderungen gab es beim Dreh – denn „Wonder Woman“ spielt ja nicht in dem London von heute, sondern vor 100 Jahren zur Zeit des Ersten Weltkriegs?
Patty Jenkins: Für mich ist die Tonalität das Schwierigste dabei. Wir haben so eine tolle Crew hier, wenn es um Authentizität geht, aber ich musste sie immer zurückhalten, damit es kein komplett historisch akkurater Film wird. Denn ich will ja nicht, dass alles wie ein Theater-Meisterwerk aussieht und dann quasi jemand mit Superhelden-Kostüm durchs Bild von „Downton Abbey“ läuft. Ton- und Farbfacetten wurden also sehr wichtig für mich. Stilistisch wollte ich eine Mischung aus John Singer Sargent und einer Graphic Novel mit vielen Schwarz-, Weiß-, und Rot-Tönen. Damit schafft man eine dritte Realität, die nah an der Realität ist, aber eben doch keine abbildet. Und die Arbeit hier in London war großartig, die Crews, die Ausstattung. Man fragt nach Erster-Weltkriegs-Sachen und sie werden einem förmlich nachgeworfen. Wir haben auch viel an Originalschauplätzen gedreht. Ich persönlich bin auch kein großer Fan von Green Screens.
FILMSTARTS: Für eine Weile warst du bei „Thor 2 – The Dark Kingdom“ auch an einem Marvel-Projekt beteiligt. Wie würdest du sagen, unterscheiden sich die Herangehensweisen von Marvel und DC?
Patty Jenkins: Meine Vision für Marvel hat nicht zu dem gepasst, was sie damals vorhatten. Ich wollte etwas machen, das tatsächlich mehr Ähnlichkeit mit diesem Projekt hier hatte. Sie dachten, das könnten sie machen und waren begeistert. Doch als ich dann mit der Arbeit begann, wurde klar, dass das Universum drumherum etwas anderes vorgab und ich fühlte, dass ich dann nicht die richtige Person war für eine Geschichte, die schließlich ganz anders wurde als zunächst geplant. Aber das sind großartige Leute bei Marvel und ich mag sie wirklich. Ich bewundere, was sie tun, und bin auch heute noch dankbar für die Unterstützung. Ihnen war egal, ob ich eine Frau oder ein Mann bin – sie mochten meine Vision und wollten sie umsetzen. Aber ich war nicht die richtige Person für das, was sie letztendlich aus dem Projekt gemacht haben. Und hier bei „Wonder Woman“ stimmt es nun. Für mich war es also wie Tag und Nacht, denn bei „Thor 2“ war die Zusammenarbeit sehr viel komplizierter. Aber das hatte nichts mit ihnen oder mit mir zu tun. „Wonder Woman“ wollte ich schon lange machen und wenn DC eine Origin-Story möchte, ist das genau nach meinem Geschmack. Da hatten wir einfach dieselben Vorstellungen.
Hier findet ihr unseren ausführlichen Bericht zum Besuch am Set von „Wonder Woman“!
Ob Gal Gadot tatsächlich als Superheldinnen-Ikone in die Kinogeschichte eingeht, erfahren wir ab dem 15. Juni 2017, wenn „Wonder Woman“ in den deutschen Kinos startet.