Der eine stürzt ab, weil er Alkohol und/oder härteren Drogen verfällt, der andere bekommt einfach keine großen Rollen mehr, weil sein Typ nicht mehr gefragt oder das Talent limitiert ist. Das Hollywood-Verschwinden von Oscarpreisträger Joe Pesci (Jahrgang 1943), der sich 1990 auf dem Höhepunkt seiner Karriere mit seiner grandiosen Darstellung des cholerischen Mafia-Psychopathen Tommy DeVito in Martin Scorseses Über-Meisterwerk „GoodFellas“ unsterblich gemacht hat, passt allerdings in keines der gängigen Muster.
Offiziell hat der begnadete Schauspieler aus Newark, New Jersey 1999 seine Schauspielkarriere an den Nagel gehängt. Nur für seinen Freund Robert De Niro, mit dem er vorher schon insgesamt fünf Filme („Casino“, „In den Straßen der Bronx“, „GoodFellas“, „Es war einmal in Amerika“, „Wie ein wilder Stier“) gedreht hatte, kehrte der nur 1,63 Meter große Schauspieler 2006 für dessen zweite Regiearbeit „Der gute Hirte“ noch einmal aus dem Ruhestand für eine Nebenrolle zurück. Das ist verständlich, aber warum Pesci vier Jahre später noch einmal für Taylor Hackfords Direct-to-DVD-Gurke „Love Ranch“ (neben Oscarpreisträgerin Helen Mirren) wiederkehrte, verstehen wir nicht so wirklich! Dabei war Joe Pescis Karriere reich an echten Highlights: „Wie ein wilder Stier“, „Es war einmal in Amerika“, „Kevin – Allein zu Haus“, „GoodFellas“, die „Lethal Weapon“-Filme, „JFK“, „Mein Vetter Vinnie“ und „Casino“ – nur wenige haben so viele großartige Werke in ihrer Vita.
Seine Absicht, sich nach dem Rückzug mehr seiner zweiten Leidenschaft, der Musik, zu widmen, trug zumindest keine großen finanziellen Früchte. 1965 („Little Joe Can Sing“) und 1998 („Vincent LaGuardia Gambini Sings Just For You“) hatte Pesci bereits wenig erfolgreich Alben veröffentlicht. 2000 folgte dann „Joey DeFrancesco Featuring Joe Doggs, Falling in Love Again“ – was ebenfalls kein kommerzieller Erfolg wurde. Pesci probiert sich in verschiedenen Genres aus, sein Repertoire reicht von Rap bis Big Band Jazz.
Man könnte meinen, Pesci sei ganz von der Bildfläche verschwunden, das stimmt so aber nicht. 2011 legte er noch einmal einen kleinen Schauspielauftritt hin - und zwar in einer Snickers-Schokoriegel-Werbung an der Seite von Stand-Up-Komiker-Veteran Don Rickles. 2016 war außerdem in der Musik-Dokumentation „Jimmy Scott: I Go Back Home“ über die titelgebende Jazz-Legende zu sehen, wie Pesci den Jimmy-Scott-Song „The Folks Who Live On The Hill“ einsingt.
Und auch zuletzt sorgte Pesci wieder für ein paar kleinere Schlagzeilen. Regisseur Martin Scorsese und Robert De Niro beknien ihren Kumpel seit längerem, doch in dem kommenden, prestigeträchtigen Mafia-Epos „The Irishman“ mitzuspielen. Das großbudgetierte Reunion-Projekt von Scorese und De Niro, bei dem mit Al Pacino noch eine weitere Schauspiellegende an Bord ist, war jahrzehntelang in der Diskussion und ist jetzt tatsächlich finanziert. Aber Pesci weigert sich standhaft, wieder vor die Kamera zu treten - nicht einmal für ein potenziell überragendes Projekt wie dieses an der Seite zweier alter Weggefährten.
Mit De Niro lieferte er sich jüngst bei einer Ehrung für „Casino“, der in die „Guy Movie Hall Of Fame“ aufgenommen wurde, ein launiges Scharmützel. De Niro meinte während seiner Dankesrede in Anspielung auf Pescis gewünschtes Mitwirken in „The Irishman“ und seine Schimpftiraden in „Casino“ und „GoodFellas“: „Das geht aber nur, wenn Joe noch ein paar ‚Fucks‘ in sich hat. Leider ist aber alles, was er bislang sagt: ‚fuck you!‘“ Darauf reagierte Pesci verschmitzt: „Danke, Bob, denke ich zumindest. Du hast mich gerade ein kleines bisschen beleidigt, nur ein kleines bisschen. Aber das ist okay. Ich bin es gewohnt.“ An einer Rückkehr für „The Irishman“ scheint Pesci tatsächlich nicht interessiert zu sein. Jammerschade!