„Es gibt Geschichten über das, was passiert ist.” - „Es ist wahr, einfach alles. Die dunkle Seite. Die Jedi. All das gibt es!” Dieser Dialog unter Beteiligung von Han Solo (Harrison Ford) nimmt eine zentrale Rolle im neuen Trailer zu „Star Wars: Das Erwachen der Macht” ein und hat viele Besucher unserer Seite ein wenig verwundert. Wie kann es sein, dass gerade mal rund 30 Jahre nach der Schlacht von Endor die Macht ein Mythos ist? Die kurze Antwort: Weil sie es vor 30 Jahren auch schon war…
Disney setzte das „Star Wars”-Universum nach dem Erwerb der Rechte ein Stück weit auf Null zurück. Das bis dato bekannte erweiterte Universum wurde für nichtig erklärt. Zum Kanon gehören nun nur noch alle Kinofilme, die TV-Serien sowie im erweiterten Teil erst die Romane etc., die unter der Disney-Führung erschienen sind bzw. gerade und in Zukunft erscheinen. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei Chuck Wendigs Roman-Trilogie „Aftermath” ein (deutscher Titel: „Nachspiel”). Die drei Bücher bilden die Brücke zwischen „Star Wars: Episode VI - Die Rückkehr der Jedi-Ritter” und „Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht”.
Der erste Roman ist bereits erschienen. Wir haben ihn für euch gelesen und können euch so ein paar Details zu Fragen geben, die im Trailer aufgeworfen werden.
Auch wenn Wendig in seiner Vorlage mit sehr vielen Figuren hantiert, die für die Filmhandlung keine Rolle spielen, zeichnet er nebenbei ein Bild der Post-Imperator/Darth-Vader-Welt. Dabei zeigt er vor allem, dass die gesamte Galaxie kein homogener, vernetzter Ort ist. Sie ist völlig zersplittert. Je weiter ein Planet am Rand liegt, umso länger kann es dauern, bis eine Nachricht dort eintrifft, und umso schwieriger ist es auch für die handelnden Personen vor Ort, die Glaubwürdigkeit dieser einzustufen.
Mit dem Tod Darth Vaders und des Imperators zerfiel deswegen das Imperium nicht. Das Imperium war längst größer geworden als die Führer an der Spitze. So schildert Wendig in seinem Roman auch, wie unterschiedlich die Nachricht vom Rebellensieg auf einzelnen Planeten aufgenommen wird. Während sich an einem Ort die Rebellen ebenfalls erheben, klammern sich an anderer Stelle die imperialen Truppen umso stärker an ihre Herrschaft. Vor allem zeigt der Autor, dass das Imperium längst nicht mehr nur der Imperator und Darth Vader waren. Es kommen hochrangige Führungmitglieder im Roman vor, die schon lange unzufrieden waren, denen eine andere Struktur, ein anderer Aufbau vorschwebten. Sie können nun in das Machtvakuum stoßen, die Grundlage für die neuen Organisationen legen, die wir in „Das Erwachen der Macht” sehen.
Ähnlich sieht es übrigens auf der Seite der Rebellen aus. Wendig macht am Rande seiner eigentlichen Erzählung immer wieder deutlich, dass mit der einen gewonnenen Schlacht noch lange kein Sieg einhergegangen ist. Und dazu stellt sich die Frage: Wie soll die Zeit danach aussehen? Hier werden sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Neuen Republik angedeutet und es steht die Frage im Raum, wie man mit den Feinden von einst umgehen soll. Schließlich werden aus den Unterdrückten von gestern schnell die Unterdrücker von morgen. „Star Wars” imitiert hier durchaus die Realität und so bieten sich zum Beispiel Vergleiche zur Lage im Irak an, wo das Abschlagen des Kopfes (Saddam Husseins) weder Frieden noch Ordnung gebracht hat - im Gegenteil.
Vor diesem Hintergrund wird dann auch klar, warum die Jedi in Vergessenheit geraten sind. Schließlich etablierte George Lucas diesen Umstand schon in seinen beiden Trilogien. Ist in der Prequel-Trilogie die Macht sehr präsent, ist sie schließlich in der Originaltrilogie schon ein Mythos, an den kaum mehr jemand glaubt. Wir Zuschauer wissen, dass es sie gibt, weil wir sie in Form von Obi-Wan Kenobi, Yoda, Luke und Darth Vader dauernd sehen, aber 99,99% der Bewohner der Galaxie haben die Macht noch nie gesehen. Für sie ist ihre Existenz eine Legende und die Geschehnisse in den drei originalen „Star Wars”-Filmen haben - zumindest in der Post-Disney-Lesart (das frühere erweiterte Universum ging hier einen komplett gegensätzlichen Weg) - eher weiter dazu beigetragen, die Leute nicht an die Macht glauben zu lassen. Denn auch wenn noch nicht bestätigt ist, was nach „Episode VI” mit Luke Skywalker (Mark Hamill) passiert ist (er kommt im Gegensatz zu Han Solo nicht in „Aftermath” vor), darf man davon ausgehen, dass er komplett von der Bildfläche verschwunden ist. Er hat sich - wohl auch traumatisiert von den Ereignissen und wohl auch fürchtend, dass die dunkle Seite der Macht auch ihn erreichen könnte - für ein Einsiedler-Dasein entschieden. Und damit ist auch quasi der einzige Beweis der Existenz der Macht verschwunden.
Schon in der direkt im Anschluss an „Episode VI” spielenden Handlung von „Aftermath” gibt es daher nur einige wenige, die an die Existenz der Macht glauben, einige fanatische sogar, die Reliquien sammeln - wohl auch ein Fingerzeig auf den neuen Bösewicht Kylo Ren (Adam Driver). Man kann sich nun vorstellen, dass 30 Jahre später, also in der Welt von „Das Erwachen der Macht”, die Zahl der „Gläubigen” noch weiter abgenommen hat. Viele - so wohl auch Schrottsammlerin Rey (Daisy Ridley) - haben zwar einige der Geschichten gehört, doch ihr Verhältnis zu diesen ist wie das eines Atheisten zur Bibelstelle, in der Jesus über das Wasser gehen kann. Daher braucht es einen Han Solo, der diesen Macht-Nichtgläubigen deutlich macht, dass die Geschichten wahr sind. Denn er hat sie selbst erlebt....
Am 17. Dezember 2015 kommt „Star Wars: Das Erwachen der Macht” in die Kinos und wir werden einen besseren Einblick in die neue Rangordnung der Galaxie bekommen und vor allem sehen, wie wieder Bewohner anfangen, an die Macht zu glauben...