Ursprünglich auf dem YouTube-Kanal von Machinima veröffentlicht, erscheint die auf der megaerfolgreichen Capcom-Konsolenspielreihe basierende Realfilm-Webserie „Street Fighter: Assassin's Fist“ am 29. August 2014 bei uns auf DVD und Blu-ray. Wir haben den Regisseur, Autor, Kampf-Choreograph und Schauspieler Joey Ansah zum Interview getroffen, um ihn zu fragen, was er anders gemacht hat als jene Filmemacher, die vor ihm bereits an einer Adaption der „Street Fighter“-Reihe gescheitert sind.
FILMSTARTS: Was war deine Herangehensweise an diese „Street Fighter“-Adaption?
Joey Ansah: Mein Anspruch bei „Street Fighter: Assassin's Fist“ war immer, dass der Film dem Videospiel wirklich treu bleiben muss. Und zwar zu 100 Prozent! Ich möchte, dass Fans sagen: „Das Spiel ist buchstäblich lebendig geworden – es ist nicht bloß Joeys subjektive oder abstrakte Idee von dem, was ‚Street Fighter‘ ausmacht, es ist ‚Street Fighter‘, wie wir es lieben.“ Nur wenn es gelingt, die Videospielfiguren so zum Leben zu erwecken, wie sie im Spiel klingen, aussehen und sich bewegen, nur eben als Menschen mit dreidimensionaler Persönlichkeit zum Mitfiebern, dann kann man auch eine wirklich fesselnde Geschichte erzählen.
FILMSTARTS: Wie lässt sich das mit den Erwartungen der Zuschauer vereinbaren, die sich von Martial-Arts-Filmen vornehmlich coole Action erhoffen?
Joey Ansah: Die meisten Leute gehen wohl so an die Sache ran, dass sie eigentlich nur ein paar Ha-Do-Ken-Energiegeschosse und krasse Kämpfe sehen wollen. Aber ich garantiere, dass sie nach ein paar Episoden unserer Serie nicht nur Kämpfe sehen wollen, sondern auch sagen: „Natürlich will ich coole Action, aber verdammt, ich muss auch wissen, was mit diesen Figuren passiert – die Story hat mich jetzt am Hacken und ich will wissen, wie es weitergeht!“ Dass die Geschichte und die Figuren funktionieren, ist für mich inzwischen wichtiger als die Kämpfe selbst. Wenn mir nur das gelingt, wäre das für mich bereits ein Erfolg.
FILMSTARTS: Das scheint eher ungewöhnlich bei Videospieladaptionen, deren Figuren ja oft eher eindimensional wirken. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Joey Ansah: Es frustriert mich immer, wenn Produzenten oder Regisseure aus Hollywood sagen: „Man kann niemals aus einem Comic oder einem Videospiel eine hundertprozentig originalgetreue Realfilm-Adaption machen. Weil es einfach nicht geht: Man muss Aspekte des Originals so verändern, dass sie der echten Welt entsprechen.“ Das ist meiner Meinung nach nur eine faule Ausrede. Eigentlich bedeutet sie nur, dass sie bloß keinen Weg gefunden haben, es richtig zu machen.
FILMSTARTS: Und bei „Assassin's Fist“ war deiner Meinung nach der richtige Weg, dir die Geschichte der Lehrjahre von Ryu und Ken vorzuknöpfen - warum?
Joey Ansah: Ich finde ihre Dynamik, ihre Bromance einfach super. Das ist etwas, das heute verloren gegangen scheint. Ich bin ein Kind der 1980er Jahre und ich bin so aufgewachsen, dass es ganz normal war, einen besten Freund zu haben, mit dem man alles zusammen gemacht hat und der wie ein Bruder war. Ich weiß nicht, an welchem Punkt der Geschichte auf einmal die dämliche Homophobie ins Spiel kam, bei der es plötzlich hieß: „Igitt, ist das schwul. Da sind zwei Typen mit freiem Oberkörper, die unter einem Wasserfall stehen und trainieren.“ In den 80ern gab es das nicht. Da waren es einfach zwei Freunde, die zusammen rumgehangen haben. Dahin müssen wir zurück finden. Sonst gehen uns ein paar sehr wertvolle Ideale verloren.
FILMSTARTS: Ist das auch der Grund, warum „Assassin's Fist“ in den 80er Jahren spielt, in denen auch das erste „Street Fighter“-Spiel entwickelt wurde?
Joey Ansah: Die Bromance zurück zu bringen, war einer von zwei Gründen dafür. Der andere Grund war einfach der Look: Diese verrückten Frisuren der Figuren sind eine Modeerscheinung der 80er. Im Jahr 2014 wäre Kens gewaltiger Pferdeschwanz viel seltsamer und schwerer zu akzeptieren. Aber damals war er völlig normal.
FILMSTARTS: Findest du, dass es den früheren „Street Fighter“-Adaptionen, etwa der mit Jean-Claude Van Damme, gerade an so einem Fokus auf die Figuren und ihre Entwicklung mangelt?
Joey Ansah: Das Problem von „Street Fighter – Die entscheidende Schlacht“ ist, dass sie schlichtweg zu viele Figuren in einen 90-minütigen Film gequetscht haben. Darum konnte sich keiner von ihnen vernünftig entfalten und entwickeln. Ryu und Ken hatten immerhin so etwas Ähnliches wie eine Bromance – aber sie wurden im Film zu Trickbetrügern und Gaunern gemacht. Bei „Street Fighter: The Legend of Chun-Li“ bekam man so gut wie nichts von ihnen mit. Keiner der Filme brachte die Figuren und ihre Beziehungen untereinander angemessen zur Geltung. Wir müssen die Geschichte also praktisch von Grund auf neu erzählen, weshalb sich „Assassin's Fist“ auch nicht wirklich mit den alten Filmen vergleichen lässt. Für mich qualifizieren sie sich einfach nicht als echte „Street Fighter“-Realfilmadaptionen. Sie sind eher wie der wirre Traum eines seltsamen Typen, der die Spiele ein oder zwei Mal gespielt hat.
FILMSTARTS: Durch die unterschiedlichen Kampfkunstphilosophien von Bösewicht Akuma und Gouken, dem Meister von Ken und Ryu, kommt eine gewisse mystische Note mit ins Spiel, die an Filme wie „Star Wars“ erinnert. Welche anderen Inspirationsquellen gab es neben den „Street Fighter“-Videospielen noch für „Assassin's Fist“?
Joey Ansah: Das Clevere an „Star Wars“ ist, dass er Luke zwischen der hellen und der dunklen Seite wählen lässt, mit dem guten Obi-Wan auf der einen und dem bösen Darth Vader auf der anderen Seite. Und in gewisser Weise ist Gouken wie Obi-Wan und Akuma wie Vader, zumindest insofern sie für verschiedene Seiten desselben Prinzips und derselben Technik stehen. Und Ryu steht quasi in der Mitte und könnte in beide Richtungen gezogen werden. Doch die Grundlagen dafür wurden bereits in den Spielen gelegt – wir haben das nicht aus der Luft gegriffen, sondern einfach ausgebaut und die Gegensätzlichkeit im Kampfstil präsenter gemacht. Außerdem wird der Film so viel epischer.
FILMSTARTS: Was meinst du damit?
Joey Ansah: „Star Wars“ und Filme wie „Die sieben Samurai“ haben eine so unwiderstehliche Anziehungskraft, weil sie perfektes, elementares Geschichtenerzählen demonstrieren: Vater gegen Sohn, Bruder gegen Bruder, Licht gegen Dunkelheit, Gut gegen Böse. Das sind grundlegende Elemente der menschlichen Geschichte, die bis zu Homers „Odyssee“ und dem Alten Testament zurückreichen. Ich bin kein religiöser Mensch – aber das Alte Testament ist eine verdammt mitreißende Erzählung. Wen man das Ding einfach richtig verfilmen und es „Wrath of God“ nennen würde, hätte man einen epischen Film sondergleichen geschaffen. Das Alte Testament ist voller packender Geschichten wie der von Samson, der sich denkt: „Wenn ich hier untergehen muss, dann nehme ich jeden von euch Arschlöchern mit!“ Und das war mir wichtig, dass es diese klassischen, grundlegenden Erzählelemente in die Geschichte schaffen.
FILMSTARTS: Du bist Produzent, Autor und Regisseur von „Assassin's Fist“ - außerdem spielst du die Rolle von Akuma. Wie ist das denn passiert?
Joey Ansah: Weil ich ein Megalomane bin mit einem gewaltigen Ego! (lacht) Aber Scherz beiseite, ich versuche die Frage zu beantworten, ohne dabei allzu arrogant zu klingen, was gar nicht so einfach ist. Wie sagt man noch gleich: Wenn du willst, dass etwas richtig gemacht wird, mach es selbst. Manche Regisseure haben leider keine Ahnung, welchen Film sie eigentlich machen. Sie haben ein Drehbuch, das sie nicht geschrieben haben, versuchen noch immer die Story wirklich zu begreifen und sind dabei darum bemüht, Handlungselemente zu reparieren, die in ihren Augen nicht funktionieren. Beim Dreh wissen sie dann nicht wirklich, was sie wollen, und nehmen so viel Material auf wie möglich, damit sie es später im Schneideraum irgendwie vernünftig zusammenpuzzeln können. Bei einem visionären Regisseur hingegen ist der Film schon vor dem Dreh bereits abgefilmt – er existiert schon in seinem Kopf. Er hat sich vielleicht schon seit Jahren obsessiv damit beschäftigt und die Szenen vor seinem geistigen Auge ausgespielt. Er muss nur noch ans Set kommen und es umsetzen.
FILMSTARTS: Welche Regisseure wären das beispielsweise?
Joey Ansah: Christopher Nolan und Steven Spielberg sind solche Regisseure, die bereits beim Dreh den Schnitt gewissermaßen vorwegnehmen, weil sie genau wissen, was sie wollen. Und bei „Assassin's Fist“ hatte ich eine sehr klare Vision von dem, was ich machen wollte. Ich bin Schauspieler seit zehn Jahren, ich mache Martial Arts seit 25 Jahren und kenne das Showbusiness. Ich wusste, dass ich soweit war, ich hatte eine Vision und ich musste es einfach selbst in die Hand nehmen. Natürlich hatte ich ein starkes Team an meiner Seite, aber ich musste einfach die volle Kontrolle über dieses Projekt haben. Und diese Art des Filmemachens mit einer Vision vor Augen ist die einzige Art, die mich wirklich gänzlich begeistert und die ich auch in Zukunft verfolgen will. Ich möchte nicht nur ein angeheuerter Regisseur sein, der das Material von jemand anderem umsetzt und sich Stil und Ton des Films vorgeben lässt. Das ist formelhaftes Filmemachen. Ich will hingegen an einzigartigen, besonderen Projekten arbeiten. Und ich denke, „Street Fighter: Assassin's Fist“ ist so ein besonderes Projekt.
Joey Ansah ist Mitproduzent, Autor und Regisseur von „Street Fighter: Assassin's Fist“. Zudem verkörpert er die Rolle von Akuma. Vor „Assassin's Fist“ arbeitete Ansah bereits als Martial-Arts-Experte, Stuntman und Schauspieler an Filmen wie „Batman Begins“, „Das Bourne Ultimatum“, „Snow White & the Huntsman“ und „Attack The Block“.