Allociné: Ihre Hauptdarstellerin Irina Potapenka (Tamara) hat Nächte in einem Bordell verbracht um sich auf ihre Rolle vorzubereiten. Wie hat sie diese Erfahrung erlebt ?
: Die Mädchen vom Bordell haben die sehr lieb gewonnen. Es war natürlich auch traurig für Irina weil sie viele schmerzhafte Geschichten gehört hat, die nicht immer aber oft dahinter stehen wenn sich eine Frau aus dem Osten prostituiert.
Wie sehen Sie die Problematik des Rotlichtmilieus mit Frauen aus dem Osten in Wien ? Tamara sagt an einer Stelle im Film dass "alles ganz normal" sei für sie...
Das ist es auch für sie. Für die meisten Frauen, die diese Arbeit tun, ist es normal. In ihrem eigenen Erleben ist es also nichts Besonderes, sondern etwas Alltägliches. Das war für die Schauspielerinnen auch am schwierigsten zu spielen: das Alltägliche, eine Prostituierte zu sein. Darum sind Recherchen notwendig, weil damit die Schauspielerin herausfinden kann, wie sich das als etwas Alltägliches anfühlt.
Denken Sie dass die Ausbeutung von Frauen aus dem Osten verhindert werden könnte?
Um die Situation zu ändern müssten wir die Gesellschaft ändern. So merkwürdig es auch klingt: es ist ein Geschäft. Wir leben in einer Gesellschaft wo fast nichts wichtiger ist als das Geschäft, welcher Art auch immer es ist. Solange dies unsere Gesellschaft so prägt, wird es auch Prostitution geben. Alles andere wäre auch eine Heuchelei.
Sie sind in Wien aufgewachsen. Die Landszenen in Ihrem Film "Revanche" sind sehr authentisch. Kennen Sie das Leben am Land ?
Ja, mein Vater kommt aus Tirol und darum war ich in meiner Kindheit sehr oft dort. Ich bin gerne am Land und habe dort immer wieder länger Urlaub gemacht. Das Drehbuch habe ich auch am Land, im Haus eines Freundes, geschrieben. Das war ganz in der Nähe vom Drehort.
Im Film erlebt man einen starken Kontrast zwischen der Stadt Wien mit ihrem Rotlichtmilieu und der, wenn auch nur oberflächlich erscheinenden, heilen Welt am Land...
Ja, es war aber nicht als Kontrast sondern eher als eine Bewegung gewollt. Der Film sollte aus dieser Stadt- und Geschäftswelt immer mehr eine Bewegung zur Natur und Stille hin nehmen. Also so aus einem Getriebe, aus dem sich der Film bewegt, zur Stille hin.
Vor allem die Szenen am Land sind sehr ruhig. Nur das Holzhacken unterbricht die Stille...
Ich glaube, dass in der Stille eine größere Kraft, Intensität und Möglichkeit zum Erleben steckt als im Lärm. Der Lärm ist immer ungenau, je stiller desto genauer. In der Genauigkeit steckt eine große Kraft und Intensität. Ich glaube, dass Stille intensiver ist.
Sie sind nach dem Abitur für einige Monate nach Paris gegangen, wie haben Sie diese Monate in Erinnerung ?
Ja, ich bin herumgegangen und habe es in toller Erinnerung. Ich war ganz allein und konnte die Sprache nicht gut. Ich habe die vier Monate mit Alleinsein verbracht. Ich bin durch die ganze Stadt gewandert von Früh bis Spät. Paris ist für mich die spannendste und schönste Stadt der Welt, außer Wien, wo ich lebe.
Das Interview wurde im Februar 2008 von Barbara Fuchs in Berlin geführt.