Alfred Hitchcock prägte den Begriff des „MacGuffin“: Dabei handelt es sich um ein Objekt (oder auch eine Person), welches die Handlung in Gang bringt und vorantreibt. Was in „Pulp Fiction“ der legendäre Koffer, über dessen Inhalt bis heute diskutiert wird, ist in Wayne Kramers Action-Thriller „Running Scared – Renn oder stirb“ eine Waffe, durch deren Auslösung eine nervenaufreibende Hetzjagd durch die Unterwelt losgelöst wird.
Sehenswert ist „Running Scared“ nicht nur für seine düstere und dichte atmosphärische Inszenierung, die im Stil vage Reminiszenzen an Gothic Novels enthält, sondern vor allem auch wegen Paul Walker. Als Joey Gazelle liefert der aus „The Fast and the Furious“ bekannte und 2013 tragisch verunglückte Action-Star eine seiner besten Performances ab. Den temporeichen und stellenweise auch ziemlich brutalen „Running Scared“ bekommt ihr heute Abend um 22.55 Uhr auf Tele 5 zu sehen.
Wer den Film übrigens lieber im Original sehen möchte, kann ihn aktuell auf Amazon Prime Video kaufen bzw. leihen – und das lohnt sich aus einem zweifelhaften Grund: Denn der „Fuck“-Count in der englischen Originalversion ist ziemlich beachtlich. Mit sage und schreibe über 300 Nennungen gehört der Film zu den Produktionen mit der höchsten Anzahl an Schimpfwörtern in einem Spielfilm.
Einer Waffe hinterher
Ein missglückter Drogendeal endet mit einem Schusswechsel – und die Toten am Boden stellen sich als korrupte Cops heraus. Als Joey Gazelle (Paul Walker) die Tatwaffe verschwinden lassen will, wird er von seinem Sohn Nicky (Alex Neuberger) und dem Nachbarsjungen Oleg (Cameron Bright) beobachtet. Kurz darauf fliegen die Patronen erneut und Oleg ist mit der Waffe auf und davon. Joey bleibt nichts anderes, als die Waffe zurückzuholen, während sowohl Polizei als auch rivalisierende Gangster ihm auf den Fersen sind, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Oleg gerät dabei in immer gefährlichere, aber auch groteske Situationen, aus denen er befreit werden muss.
Aufgrund der überraschenden Wendungen, der exzessiven Gewalt und der Geschwindigkeit, die „Running Scared“ vorlegt, wurde er nicht selten mit „Pulp Fiction“ verglichen – was natürlich etwas hoch gegriffen ist. Denn Wayne Kramer, der sich vorher bereits mit „The Cooler“ in mafiösen Unterwelten bewegte, kann weder die Pointiertheit, noch die Vielschichtigkeit eines Tarantino erreichen.
Gewalt trifft auf Absurdität
Trotzdem ist „Running Scared“ ein Augenschmaus: Dies gilt vor allem für Freund*innen der gepflegten Gewaltdarstellung, denen das Herz aufgehen dürfte, wenn Paul Walker z. B. mit voller Wucht einen Eishockey-Puck ins Gesicht geschmettert bekommt. Hinzu kommt James Whitakers Kamera, die sich so dreht und wendet und das ohnehin schon rasante Tempo nochmal dynamisiert – wobei die dadurch entstehende, zuweilen hektische Videoclip-Ästhetik dem einen oder der anderen womöglich zu viel sein mag.
„Running Scared“ ist trotz allem Temporeichtum nicht frei von einigen Längen – und die Story schlägt ein, zwei Haken zu viel. Dennoch lebt er von seiner originellen Inszenierung. Die abstrusen Situationen, in die Oleg und damit auch die Waffe stolpern, kommen zudem überraschend und nicht ohne Schmunzeln daher.
Zu guter Letzt bietet der Film auch Reflexionsmöglichkeiten für das ein oder andere moralische Dilemma: Da ist das Gangstertum mit all seiner Derbheit vs. das Familienglück und vor allem die Unschuld der Kinder, die beschützt werden will. Da ist die Frage nach Recht und Unrecht und Gut und Böse und den Grenzen dazwischen, die in den Protagonist*innen selbst verwischen.
In der Summe macht dies „Running Scared“ zu einem Geheimtipp im Genre. Einen weiteren haben wir im folgenden Artikel für euch - und der hat noch mehr mit Tarantino zu tun...
Das erste verfilmte Drehbuch von Quentin Tarantino habt ihr garantiert noch nicht gesehen – dabei ist der Thriller-Geheimtipp richtig gut!*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.