Ein Geflecht aus Handlungen, die 160 Jahre umspannen. 160 Jahre Krieg, sozialpolitische Zerwürfnisse, romantische Tragödien, Familienzwist und Identitätssuche – aber auch persönliche Erfüllung, Träume, Fortschritt und Momente der Beschaulichkeit: Die international umjubelte Filmserie „Heimat“ des Filmemachers Edgar Reitz ist ein bahnbrechendes, monumentales Unterfangen.
Gelobt werden aber nicht bloß die gewaltigen Ausmaße dieses Projektes, sondern auch seine filigranen Alltagsbeobachtungen und ausgewogenen Reflexionen des Heimatbegriffs. Nun ist „Heimat“ erstmals als Komplett-Edition auf Blu-ray erschienen. Endlich!
Im Detail bedeutet das: In diesem 16 Blu-rays und drei DVDs umfassenden Mammut-Set ist Reitz' Ursprungstrilogie enthalten, bestehend aus „Heimat – Eine deutsche Chronik“ (selbstredend im Director's Cut), „Die zweite Heimat – Chronik einer Jugend“ und „Heimat 3 – Chronik einer Zeitenwende“.
Außerdem umfasst das Set den 2013 veröffentlichten Kinofilm „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“, der quasi einen Ableger darstellt, sowie den Epilog „Heimat-Fragmente: Die Frauen“. Des Weiteren befindet sich in der Box der Dokumentarfilm „Geschichten aus den Hunsrückdörfern“ von 1981, der Reitz als Vorbereitung diente, und den daher viele „Heimat“-Begeisterte als Prolog empfehlen.
Damit ist der Inhalt der „Heimat“-Komplettbox aber noch immer nicht ausgeschöpft: Als Extras sind eine Dokumentation über die Entstehung der Reihe, Interviews und Fragerunden, sechs Konzertmitschnitte sowie die Dokumentationen „Ein Denkmal für den Hunsrück“, „Bis zum Augenblick der Wahrheit“ und „Einer für Schabbach“ enthalten.
"Heimat": Dorfnuancen einer großen, deutschen Historie
Der „Heimat“-Zyklus fokussiert sich auf das (fiktionale, aber authentisch skizzierte) Dorf Schabbach im Hunsrück. Von dort aus werden kulturelle, politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen, Umbrüche, Quantensprünge und Konstanten auf dem deutschen Land, in Rheinland-Pfalz und Deutschland beleuchtet – stets anhand der Schabbacher Familien, insbesondere Familie Simon.
Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Maria Simon: 1900 geboren, heiratet sie einen Veteranen des Ersten Weltkriegs, wird in den Dienst der Reichspost gestellt und erlebt ihre Heimat unter amerikanischer Besatzung sowie die deutschen Wirtschaftswunderjahre.
Andere Dreh- und Angelpunkte sind etwa Hermann Simon, den es während der turbulenten 1960er nach München zieht, um dort Musik zu studieren, die musikalisch begabte Clarissa Lichtblau, und der sich von seiner Familie und dem restlichen Dorf distanzierende Kunstsammler Ernst Simon.
Geliebt von Stanley Kubrick
Die Entstehung der „Heimat“-Reihe ist auf zwei andere Mammutprojekte zurückzuführen: Auf der einen Hand auf Marvin J. Chomskys Geschichtsepos „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“, dessen international hervorragende Rezeption Reitz ein Rätsel war. Das spornte ihn an, eine ausschweifende Erzählung mit weniger Kalkül und Melodramatik auf die Beine zu stellen.
Auf der anderen Hand war es Rainer Werner Fassbinders ausufernde Romanadaption „Berlin Alexanderplatz“, die Reitz und seine Geldgeber darin bestätigte, dass solch ein Unterfangen möglich ist und ein Publikum finden wird. Wie enorm die Resonanz auf „Heimat“ sein sollte, war aber keinesfalls vorherzusehen:
Die mit Schauspielprofis, Laien und mehreren Tausend Statist*innen verwirklichte Filmserie sorgte für hervorragende Einschaltquoten und gewann Auszeichnungen bei den Filmfestspielen von Venedig sowie in Cannes. Regielegende Stanley Kubrick zählte „Heimat – Eine deutsche Chronik“ zu seinen Lieblingsfilmen und er wurde von der Süddeutschen Zeitung zum „Kinoereignis, das alle Grenzen sprengt“ deklariert. Weitere Beispiele für starkes deutsches Kino findet ihr zudem im folgenden Heimkino-Tipp:
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