Allerspätestens seit „Poor Things” ist Yorgos Lanthimos in aller Munde – die verstörende Frankenstein-Geschichte mit feministischem Turn war zu Recht komplett gehyped und brachte Emma Stone den zweiten Oscar ein. Yorgos Lanthimos Welten sind oft makaber-skurril und in der Regel auch ziemlich verstörend.
Das zeigte sich schon in seinem Langfilmdebüt „Dogtooth”, mit dem er die Prämisse für seine Werke klar setzte: Kaum jemand schafft es auf so konsequente und zugleich aufwühlende Weise, Absurdes mit Realem zu verbinden. So auch in „The Lobster”, der für mich als eine der schrägsten Sci-Fi-Liebesgeschichten der Filmgeschichte bezeichnet werden kann. Ich kann euch den Film nur wärmstens ans Herz legen, obgleich er dieses auch nur bedingt zu wärmen vermag.
Von der Presse gleichwohl gefeiert wie auch kritisch betrachtet, wurde „The Lobster” in Cannes mit Preis der Jury ausgezeichnet. Es ist Lanthimos erstes internationales Werk, das er prominent mit Colin Farrell („The Penguin”) und Rachel Weisz („Black Widow”) besetzte. Ihr könnt „The Lobster” aktuell auf Netflix streamen.
Single sein ist keine Option
Yorgos Lanthimos entführt uns in eine nahe Zukunft, in der es auf seltsamste Art und Weise dystopisch vorgeht: Einen Partner zu finden, ist hier gesetzliche Vorgabe. Wer sich nicht paart oder bindet, der wird zum Tier. Und wer sich beim Onanieren erwischen lässt, dessen Hand landet im Toaster.
Singles werden in ein Hotel gebracht, wo sie 45 Tage Zeit haben, einen Partner oder eine Partnerin zu finden. Gelingt dies nicht, werden sie in ein Tier ihrer Wahl verwandelt. Der gerade erst verwitwete David (Colin Farrell) wird in das Hotel eingewiesen und seine Wahl fällt auf den Hummer – denn er liebt das Meer. Sein Bruder, der bereits zum Hund wurde, leistet ihm Gesellschaft in seinem Zimmer.
Während er zunächst die absurden Regeln akzeptiert, beginnt er sich zunehmend gegen das System aufzulehnen. Als er schließlich in den Wald flieht, trifft er auf eine Gruppe von Rebell*innen, „Loners" genannt, die Beziehungen völlig ablehnen und Annäherungen sogar aufs Härteste bestrafen. Ironischerweise verliebt er sich dort in eine Frau (Rachel Weisz) …
Liebe auf Links gedreht
„The Lobster”, der in der deutschen Herausbringung noch den Titelzusatz „eine unkonventionelle Liebesgeschichte” bekommen hat, geht weit darüber hinaus, lediglich unkonventionell zu sein. Vielmehr führt er meiner Meinung nach die Regeln des Genres vor. Der Film funktioniert als bittersüße Parabel auf unsere Dating-Welt, auf die perfide ewige Suche des Menschen und den gesellschaftlichen Druck, eine „anderen Hälfte” zu finden.
Das oberste Ziel einer jeden RomCom, Mr. oder Mrs. Right zu finden und dingfest zu machen, ehe das Happy End den Abspann einläutet, wird hier durch den vorherrschenden Zwang umgekehrt. Die Liebe und das Verpartnern zu einem emotionslosen Akt, emotional basierend auf dem absoluten Minimum. Alles in „The Lobster” ist getüncht in Subtilität: Allein Davids Versuche, potenzielle Partnerinnen an Ähnlichkeiten festzumachen – oder vielmehr anhand von ähnlichen Makeln, sind von grandioser Ironie.
Die Farbpalette ist dabei so unterkühlt wie ihre Figuren, Wärme und Romantik in dieser konstruierten Welt nicht mehr als Kurzsichtigkeit und ein Gebärdenspiel im Wald. „The Lobster” ist für mich ein Film, der, wie alle Werke Lanthimos, nicht jedem zugänglich sein wird. Ein Film, der mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet. Und ein Film, dessen Ende, so viel sei schon mal verraten, ganz sicher nicht das bringt, was eine Liebesgeschichte versprechen würde. Genau deswegen hat Lanthimos hier einen so sehenswerten Film abgeliefert.
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