Wenn man über den Regisseur Gaspar Noé mit anderen Filminteressierten diskutiert, kann es ziemlich hitzig werden. Der Regisseur polarisiert ungemein und schnell landet die Diskussion dann bei „Irréversible“ mit Vincent Cassel und Monica Bellucci aus dem Jahr 2002. Ob man den Film nun hasst oder ihn als Meisterwerk feiert: kalt lässt der Streifen niemanden.
Die rückwärts erzählte Geschichte über die drastischen Konsequenzen kleinster Entscheidungen und deren Unwiederbringlichkeit entfaltet durch Kamera, Farbgebung, Schnitt und Sound eine unglaubliche Wucht, der man sich nur schwer entziehen kann, egal wie man zu dem Film steht. Die Rückwärtserzählung von der totalen Eskalation zum „Happy Beginning“ macht das Gesehene umso bitterer. Noé hatte diesen Erzählkniff erstmals in dem Film „Betrug“ aus dem Jahr 1983 nach einem Bühnenstück von Harold Pinter gesehen, wie er kürzlich in einem Interview verriet.
Noés nächster Film: Doku, Kriegsfilm, Horrorstreifen oder doch ein Kinderfilm?
Gaspar Noé war nämlich zu Gast beim Cairo Film Festival und sprach dort recht ausführlich mit dem amerikanischen Branchenmagazin Variety, unter anderem über die Inspiration durch seine Eltern auf die Art, wie er Filme macht, warum gerade seine Mutter großen Einfluss auf die Radikalität seiner Werke hat und natürlich plauderte er auch über neue Ideen: „Die wichtigsten Filmgenres, die mich für ein zukünftiges Projekt interessieren würden“, so Noé wörtlich, „sind Dokumentarfilm, Kriegsfilm und Horror. Wahrscheinlich sollte ich sogar versuchen, diese drei Genres zu mixen.“
Fast schon beiläufig kommt er dann auf Kinder zu sprechen. „Ich würde gern auch einen Film mit kleinen Kindern oder einen Film für Kinder machen.“ Wer zwischen den Zeilen liest, kann sich jedoch vorstellen, dass er sicher keinen Märchenfilm für den Sonntagnachmittag im Sinn hat, wenn er sinngemäß weiter ausführt: „Kinder sind wie kleine Erwachsene. Wenn wir Kinder sind, sind wir in Gefahr. Du bist allem ausgeliefert. Mir liegt sehr viel an Kindern, obwohl ich selbst keine habe“. In einem Film würde der „Climax“-Regisseur gern von der Zerbrechlichkeit und den Gefahren, denen Kinder ausgesetzt sind und zu denen sie eine Bindung aufbauen, erzählen.
Gaspar Noés Art Filme zu machen ist stark geprägt von seiner Mutter
Natürlich kommt das Interview auch auf die Radikalität seiner Werke und die Kontroversen, die sie auslösen, zu sprechen. Noé erzählt von seiner Mutter und ihrer Liebe zum Film. In jungen Jahren durfte er auch deshalb schon alles Mögliche schauen, wofür er eigentlich noch viel zu klein war. Bereits mit sechs Jahren sah er Stanley Kubricks "2001: A Space Odyssey. Vor allem die Fötus-Szene am Ende prägte ihn sehr und der Einfluss von „2001“ auf Noés „Enter The Void“ (2009) ist unverkennbar.
Die Mutter war Sozialarbeiterin und so kam er früh mit den ärmsten Mitgliedern und den Randgruppen der Gesellschaft in Berührung, etwas, was sich auch in seinen Filmen widerspiegelt („Menschenfeind“). Von seinem Vater, einem Künstler, übernahm er hingegen die Idee der Verspieltheit in der Kunst, beispielsweise bestimmte Gimmicks in Filmen einzusetzen, wie etwa die Rückwärtserzählung in „Irréversible“.
Zum Ende des Interviews kommt noch die Frage, ob er irgendetwas von dem, was er gedreht hat, bereut. Die Antwort ist eindeutig: Er bereut nichts, aber die Entwicklung geht weiter und einige Themen interessieren ihn nicht mehr so, wie sie es früher getan hätten, dafür beschäftigen ihn neue Dinge. Wie beispielsweise ein Kinderfilm. Und was zunächst unglaublich klingt, kann man sich dann doch ganz gut vorstellen.
Wer intensive Filme schätzt, die lange nachwirken, sollte das Werk, um das es im folgenden Artikel geht, auf keinen Fall versäumen:
Kinotipp der Woche: Dieser Film ist so erschütternd wie wenige andere – traut euch unbedingt trotzdem, ein Ticket zu kaufen!