Mit „Jurassic Park“ inszenierte Steven Spielberg den zweiterfolgreichsten Film der 1990er-Jahre sowie eines der einflussreichsten Effektspektakel der Kinogeschichte. Doch die Michael-Crichton-Adaption ist nicht Spielbergs erste Begegnung mit der weiten Themenwelt der Dinosaurier.
Denn als ausführender Produzent wirkte Spielberg zuvor bereits am Zeichentrick-Erfolg „In einem Land vor unserer Zeit“ mit. Der Kassenschlager aus dem Jahr 1988 generierte bei einem Budget von 12,3 Millionen Dollar ein weltweites Einspielergebnis von 84,5 Millionen Dollar und wurde bislang mit 13 direkt für den Heimkinomarkt produzierten Fortsetzungen bedacht. Hinzu kommen eine 26 Folgen umfassende TV-Serie und über ein Dutzend Videospiele.
Doch es ist vorstellbar, dass dieses umfangreiche Franchise ganz andere Formen angenommen hätte. Denn Steven Spielberg wollte ursprünglich, dass „In einem Land vor unserer Zeit“ komplett ohne Dialoge erzählt wird – eine kreative Ansage, die als zu unkommerziell aufgegeben wurde!
"In einem Land vor unserer Zeit": Nach dem Mauswanderer kam die Dino-Wanderung
Die Erde vor mehr als 150 Millionen Jahren: Der kleine Brontosaurus Littlefoot wird in eine Welt geboren, die sich im Umbruch befindet. Die Wälder sterben ab, die Flüsse trocknen aus, gewaltige Naturphänomene erschweren den Sauriern das Leben. Es beginnt die verzweifelte Suche nach Nahrung und Wasser, von denen es an fernen Orten noch raue Mengen geben soll. Während der abenteuerreichen Wanderung macht Littlefoot schwere Verluste durch, lernt aber auch das dickköpfige Dreihorn Cera, Flugechse Petrie, den ewig hungrigen Spike und die draufgängerische Ducky kennen...
Der Grundstein zu „In einem Land vor unserer Zeit“ wurde durch den 1986 fertiggestellten Zeichentrickfilm „Feivel, der Mauswanderer“ gelegt: Die Regiearbeit des früheren Disney-Zeichners Don Bluth wurde von Steven Spielbergs Produktionsfirma Amblin Entertainment verwirklicht, wodurch sich die beiden Kreativköpfe kennenlernten. Aufgrund ihrer reibungslosen Zusammenarbeit beschlossen sie, dass sie nach „Feivel, der Mauswanderer“ einen weiteren Zeichentrickfilm stemmen sollten.
"Bambi" trifft beinahe auf "Fantasia"
Bluth und Spielberg nahmen sich vor, einen Film im Stile des Disney-Klassikers „Bambi“ zu machen: Eine traurig-komische, nachdenkliche Geschichte über das Erwachsenwerden – erzählt im Tierreich. Doch anstelle von Tieren, die weiterhin über die Erde wandeln, sollte es um Dinosaurier gehen. Wie John Cawley in seinem animationshistorischen Standardwerk „The Animated Films Of Don Bluth“ berichtet, wurde daraufhin „Star Wars“-Schöpfer George Lucas als dritte treibende Kraft ins Boot geholt.
Bei der Überlegung, wie „In einem Land vor unserer Zeit“ konkret aussehen könnte, richtete das Trio seinen Blick auf einen weiteren Disney-Klassiker aus den 1940er-Jahren: Lucas, Bluth und Spielberg erinnerten sich schwärmend an die „Frühlingsweihe“-Sequenz aus „Fantasia“, die komplett frei von Dialogen die Entstehung der Welt, die Evolution und kämpfende Dinosaurier zeigt. Diesen Verzicht auf Worte wollten sie kopieren.
Nach längerer Abwägung verwarf das Trio dieses Konzept jedoch wieder: Es hatte Sorge, dass es somit einen todsicheren Flop auf der Hand hätte, da sich Kinder doch niemals auf einen abendfüllenden Animationsfilm ganz ohne gesprochene Dialoge einließen. So nahm also Schritt für Schritt der Dino-Trickfilm Gestalt an, den wir kennen:
Das hinter dem „Feivel, der Mauswanderer“-Skript stehende Duo Judy Freudberg & Tony Geiss wurde auch für Bluths nächste Regiearbeit angeheuert und legte den narrativen Grundstein, ehe Stu Krieger für eine Revision des Drehbuchs angeheuert wurde, da Lucas, Bluth und Spielberg den Entwurf Freudbergs und Geiss' als zu kindlich empfanden.
Daraufhin schoss Bluth allerdings über das Ziel hinaus – jedenfalls in Spielbergs und Lucas' Augen: Wie Cawley in seinem Standardwerk berichtet, waren die Filmemacher bei Betrachtung einer unfertigen Fassung des Films davon schockiert, wie düster er geworden sei. Also wurden nur ein halbes Jahr vor Kinostart zahlreiche Szenen, einige davon bereits komplett fertig animiert, geschnitten. Die Laufzeit des Films schrumpfte dadurch von über 80 auf nur noch 69 Minuten.
Wortfreie Animation gelingt eben doch!
Die Idee eines dialogfreien Dinosaurier-Animationsfilms geisterte nach „In einem Land vor unserer Zeit“ weiter durch Hollywood. So sollte der 2013 gestartete „Dinosaurier 3D – Im Reich der Giganten“ sowohl auf Kommentare aus dem Off als auch auf Dialoge verzichten. Doch auf Drängen des Studios mussten die Filmschaffenden während der Produktion von diesem Plan abweichen und Dialoge einfügen. Einzelne Heimkino-Veröffentlichungen bieten jedoch eine dialogfreie Alternativfassung des Films als Bonusmaterial.
Und auch wenn es in ihnen nicht gerade dinostark, sondern flauschig zugeht: 2015 und 2019 bewiesen „Shaun das Schaf – Der Film“ und „Shaun das Schaf – UFO-Alarm“, dass abendfüllende Trickfilme, die komplett auf das gesprochene Wort verzichten, sehr wohl Anklang bei Jung und Alt finden. „Shaun das Schaf – Der Film“ nahm weltweit 106,2 Millionen Dollar ein, das Sequel 43,1 Millionen Dollar (ohne regulären Einsatz in den US-Kinos). Beide Filme kosteten jeweils 25 Millionen Dollar und errangen je eine Oscar-Nominierung.
Solltet ihr euch übrigens gefragt haben, welcher Film für Steven Spielberg eine wichtigere Inspirationsquelle ist als „Bambi“ und „Fantasia“ zusammengenommen, dann solltet ihr euch unseren folgenden Artikel durchlesen:
Dieses Western-Meisterwerk schaut Steven Spielberg jedes Mal, bevor er einen neuen Film dreht: "Es inspiriert mich einfach"*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.