Im vergangenen Jahr tauchte der Begriff „Superhero Fatigue“ in der Popkultur auf. Dieser Begriff beschreibt die Müdigkeit, die viele von uns empfinden, wenn es um Superhelden geht. Kein Wunder, denn nach dem gigantomanischen Abschluss der dritten Phase des MCU wurden wir regelrecht mit neuen Kinofilmen und Streamingserien überschwemmt. Diese Flut führte dazu, dass Superhelden selbst so manchem Fan allmählich zum Hals heraushingen. Dabei ist natürlich nicht nur Marvel gemeint. Auch Warner und DC haben ihren Teil dazu beigetragen, die „Superhero Fatigue“ zu befeuern.
Offensichtlich sind wir jedoch nicht vollständig von Superhelden ermüdet. Serien wie „The Boys“ oder „The Umbrella Academy“ erfreuen sich noch immer großer Beliebtheit. Das zeigt, dass es weiterhin einen Markt und ein Publikum für Geschichten rund um Superhelden gibt. Diese müssen jedoch mehr Eigenständigkeit besitzen, um das Interesse der Zuschauer zu wecken.
Nicht zuletzt deshalb ist es bedauerlich, dass eine der eigensinnigsten und vielleicht auch außergewöhnlichsten Superhelden-Serien in unseren Breitengraden immer noch eine eher stiefmütterliche Existenz fristet: „Misfits“. Diese könnt ihr unter anderem bei Amazon Prime* digital erwerben. Oder ihr nutzt den 30-Tage-Gratiszeitraum des Channels BBC Players.
Eine unterschätzte Perle: "Misfits"
„Misfits“ ist eine britische Serie, die von 2009 bis 2013 auf dem Sender E4 ausgestrahlt wurde. Die Serie wurde von Howard Overman kreiert und handelt von fünf jugendlichen Straftätern, die im Rahmen ihrer Bewährungsauflagen gemeinnützige Arbeit leisten müssen. Während eines ungewöhnlichen Gewitters erhalten sie plötzlich übernatürliche Fähigkeiten.
Im Laufe der ersten Staffel stellt sich heraus, dass sie nicht die einzigen mit neuen Kräften sind. Diese Kräfte passen perfekt zur jeweiligen Person. So kann der schüchterne und unsichere Simon (Iwan Rheon, der spätere Ramsay Bolton aus „Game of Thrones“) sich unsichtbar machen. Sportler Curtis (Nathan Stewart-Jarrett, „Dracula“ von 2020), der nach zweiten Chancen giert, kann in der Zeit zurückspringen. Die Berührung der promiskuitiven Alisha (Antonia Thomas, „The Good Doctor“) sorgt dafür, dass der Sexualtrieb die Oberhand gewinnt.
Es gibt mehrere Gründe, warum „Misfits“ eine Sichtung wert ist. In der ersten Staffel stellt sich zum Beispiel die große Frage, welche Superkraft der Sprücheklopfer Nathan ("Umbrella Academy"-Mitglied Robert Sheehan) hat. Der Darsteller wurde rasch zum Liebling der Serie. Die Dynamiken zwischen den fünf Straftätern bleibt aber sehr ausgewogen gestaltet. Keine der Hauptfiguren sticht besonders hervor. Sie alle haben ihre sympathischen, aber auch abstoßenden Seiten. Sie werden nie glorifiziert, aber auch niemals zu lächerlichen Karikaturen oder Stichwortgebern degradiert.
Auch die Welt, in der „Misfits“ spielt, ist bemerkenswert. Ein Großteil der Serie spielt im Umkreis des Gemeindezentrums, wo trister Beton das Bild bestimmt. Wir sind es gewohnt, dass Superhelden in Metropolen agieren. Doch auch wenn die Serie in London angesiedelt ist, wird uns meist nur Trostlosigkeit präsentiert. Es wirkt wir ein eigener, von Tristesse durchzogener Mikrokosmos.
Superkräfte der besonderen Art
Ihre Vielfältigkeit gewinnt die Serie aus ihren Geschichten und den mannigfaltigen Superkräften. Denn mögen die Hauptfiguren noch recht klassische Kräfte erhalten haben, so tummeln sich um sie herum zahlreiche absonderliche Fähigkeiten. In 5 Staffeln mit insgesamt 37 Episoden lassen sich einige skurrile Kräfte finden.
Ein Highlight ist Brian (Jordan Metcalfe), der Lactokinese beherrscht – die Fähigkeit, Milchprodukte telekinetisch zu beeinflussen. Diese vermeintlich lächerliche Kraft erweist sich als ziemlich gefährlich und hätte Brian das Potenzial gegeben, eine Art „Laktose-Thanos“ zu werden.
Wenn es darum geht, eine durchgehende Geschichte zu erzählen, ist die Serie eher mit halber Kraft unterwegs. Es ging den Machern eindeutig darum, eine vielseitige Figurenentwicklung aufzuzeigen statt ein großes Story-Mosaik zu gestalten. Es ist daher weder verwunderlich noch schlimm, dass die Serie ab der dritten Staffel begann, die Hauptfiguren nach und nach auszutauschen.
Der Weggang von Robert Sheehan war zwar ein Verlust, doch im Laufe der Serie kamen immer wieder spannende, neue Charaktere hinzu. Besonders Joseph Gilgun („Preacher“) als Rudy, dessen Spezialität es ist, emotionale Doppelgänger von sich zu erzeugen, war eine Bereicherung.
Auch die Superkräfte wurden nach und nach ausgetauscht. Zeitspringer Curtis kann zum Beispiel sein Geschlecht wechseln, während Simon eine Immunität gegenüber anderen Kräften entwickelt. Das mag planlos klingen, trägt aber zum Charme der Serie bei.
Zum einen sind die jeweiligen Geschichten stets spannend und oft mit einem ordentlichen emotionalen Unterbau versehen. Zum anderen bleiben die Figuren selbst mit Superkraft nahbar. Kelly (Lauren Socha, „Catastrophe“) reagiert etwa mit Aggression auf Zurückweisung und Vorverurteilung – welche Superkraft würde da besser passen als Gedankenlesen?
Hoffnung auf ein Revival
Bis heute halten sich Hoffnungen wacker, dass es ein Revival von „Misfits“ geben wird. Ein Spielfilm wurde bereits diskutiert und die Darsteller*innen der Originalbesetzung zeigten Interesse an dem Projekt. Leider kam es bislang nicht dazu. Gleiches gilt für ein US-Remake, welches in der Entwicklung war.
Eine Pilotfolge wurde 2017 produziert, konnte aber anscheinend keinen Sender oder Streamingdienst überzeugen, sodass es seit 2018 auch keine weiteren Neuigkeiten zu diesem Projekt gibt. Vielleicht ist das ja aber auch besser so? Möglicherweise sollte man „Misfits“ einfach als Kind seiner Zeit betrachten, das eventuell heutzutage nicht mehr so gut funktioniert wie damals.
„Misfits“ bietet eine erfrischend andere Perspektive auf das Superhelden-Genre und ist trotz einiger Unregelmäßigkeiten definitiv sehenswert. Wer seine „Superhero Fatigue“ bekämpfen und „Misfits“ schauen möchte, sollte übrigens volljährig sein, da einige Episoden mit Fug und Recht eine FSK18-Freigabe haben. Wer lieber klassische Superhelden-Unterhaltung bevorzugt, findet hier die 10 besten Superhelden-Filme aller Zeiten nach deutschen Zuschauern:
4,70 von 5 Sternen! Das ist der beste Superheldenfilm aller Zeiten – laut den deutschen Zuschauern*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.