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    Auf Amazon Prime Video erwartet euch ein zutiefst verstörender Thriller-Geheimtipp, der euch noch lange beschäftigen wird
    Pascal Reis
    Pascal Reis
    -Redakteur
    Pascal liebt das Kino von „Vertigo“ bis „Daniel, der Zauberer“. Allergisch reagiert er allerdings auf Jump Scares, Popcornraschler und den Irrglauben, „Joker“ wäre gelungen.

    Wer sich mal wieder nach düsterer Thriller-Kost sehnt, kommt auf Prime Video mit der belgischen Romanadaption „Die Behandlung“ auf seine Kosten. Aber Vorsicht: Zartbesaitete Zuschauer*innen sollten vielleicht doch eher einen anderen Film bevorzugen.

    Das belgische Kino hat in den vergangenen Jahren immer weiter an Stellenwert gewonnen. Das liegt an einer gar messerscharfen Filmsprache, die sich in beeindruckenden Werken wie „The Broken Circle“, „Ex Drummer“ oder „Loft – Tödliche Affären“ zeigt. Dass es Belgien aber auch fraglos mit dem nordischen Kriminalkino der Marke „Verblendung“, „Erbarmen“ oder „Erwartung“ aufnehmen kann, hat für mich vor allem der zutiefst düstere und ebenso verstörende „Die Behandlung“ aus dem Jahre 2014 bewiesen.

    Der albtraumhafte Thriller von Hans Herbots steht momentan im Abo von Amazon Prime Video zur Verfügung. Bevor ihr euch den Film aber anschaut, hier noch einmal eine Warnung: In „Die Behandlung“ geht es aufgrund von Themen wie Pädophilie, Missbrauch und Traumaarbeit wirklich ans Eingemachte. Und das nicht auf einer visuell-expliziten Ebene, sondern rein psychologisch. Wer also mal wieder Lust auf einen (richtig guten) Downer hat, darf sich dem Film gerne stellen.

    Darum geht’s in "Die Behandlung"

    Inspektor Nick Cafmeyer (Geert Van Rampelberg) ist ein Meister seines Fachs und darüber hinaus auch ziemlich attraktiv und smart. Doch ein Fall verfolgt den Polizisten schon seit Kindertagen: das nie aufgeklärte Verschwinden seines jüngeren Bruders Björn (Sten Van Gestel). In Ivan Plettinckx (Johan Van Assche), einem bekannten Triebtäter, hatte man damals auch schnell einen Verdächtigen gefunden.

    Doch aus Mangel an Beweisen musste die Polizei ihn damals laufen lassen. Jahre nach dem traumatischen Vorfall bereitet es Plettinckx immer noch ein unheimliches Vergnügen, Nick fortwährend zu belästigen und mit den Geistern seiner Vergangenheit zu konfrontieren. Als dann ein Neunjähriger vermisst wird, setzt Cafmeyer alle Hebel in Bewegung, um den Täter diesmal endgültig hinter Gitter zu bringen. Es entbrennt eine gnadenlose Hetzjagd...

    Ein Schlag in die Magengrube

    Um die gesamte emotionale Tragweite zu begreifen, die im Inneren von „Die Behandlung“ brodelt, muss man sich aber erst einmal ein wenig mit der jüngeren Geschichte Belgiens befassen. Durch den wallonischen Triebtäter Marc Dutroux, der in den 1990er-Jahren mehrere Kinder und Jugendliche entführte und missbrauchte, hatte Belgien seinen Ruf schnell weg. Das Ganze zog aber weit mehr als nur geschmacklose Witze nach sich: Dutroux war dafür verantwortlich, das Land in eine Staatskrise zu stürzen und löste ein Trauma aus, von dem sich Belgien bis heute nicht ganz erholt hat. In diesen Zustand, der sich aus tiefer Schockstarre und schleichender Verdrängung zusammensetzt, nistet sich „Die Behandlung“ ein.

    Dementsprechend schwingt hier auch eine gesellschaftspolitische Doppelbödigkeit mit, die den Film nach und nach zur Selbstkonfrontation eines ganzen Landes erklärt – ohne dabei aber jemals aufdringlich oder bedeutungsschwanger zu wirken. Obgleich Hans Herbots hier auch einen Befindlichkeitsfilm in Szene gesetzt hat, funktioniert „Die Behandlung“ darüber hinaus auch als Genre-Werk, was bei dem schweren Thema sicherlich ein schmaler Grat ist, vom Regisseur aber durch ein hochgradig präzises Handwerk überraschend gut gemeistert wird. Wer düster-abgründige Thriller wie „Sieben“ oder „Verblendung“ mag, wird auch hier allein atmosphärisch schon abgeholt.

    „Die Behandlung“ verzichtet auf jedweden reißerischen Gestus und setzt stattdessen auf das Klima eines überaus bleiernen Realismus. In kalten, entsättigten Bilder wird der ganz und gar famos von Geert Van Rampelberg gespielte Nick Cafmeyer durch eine (nicht nur persönliche) Hölle gejagt, die am Ende den wohl interessantesten Ansatz der Geschichte offenbart. Denn letztlich – der Titel sagt es bereits – ist Hans Herbots hier nur bedingt an herkömmlichen Rache-Tropen samt Erlösung interessiert. Das augenscheinlich „Böse“ lässt sich hier nicht einfach mit roher Gewalt aus dem Weg räumen. Es hat, bis zum Schluss, Rechte. Und das macht „Die Behandlung“ ist seiner Wirkungsmacht nur noch auslaugender.

    Dies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.

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