Dank „Alles steht Kopf“ dürften viele ein verändertes Bild vom Gefühlschaos in ihrem Kopf haben: Der Pixar-Klassiker erläutert den Rummel im menschlichen Verstand genauso nachvollziehbar wie einfallsreich – inklusive einprägsamer Visualisierungen der Emotionen Freude, Kummer, Ekel, Wut und Angst. Die Interaktion dieser personifizierten Gefühle sowie ihr markantes Design tragen intensiv zum Spaßfaktor des Films bei.
Nicht zuletzt durch diesen entwaffnenden Charme und Witz fällt es leichter, das Konzept des Films zu akzeptieren und sich darauf einzulassen, wenn der Trickspaß emotional verletzlichere Themen anschneidet. „Alles steht Kopf 2“ bleibt seinem Vorläufer in alldem treu. Es gibt aber einen Aspekt, den die Fortsetzung noch intensiver verfolgt als das Original!
Der Muppet-Faktor
Einer der wichtigsten, jedoch nicht oft genug gewürdigten Einflüsse auf „Alles steht Kopf“ sind die Muppets: Die (oftmals filzigen) Chaosfiguren gehören zu den größten popkulturellen Passionen des heutigen Pixar-Kreativchefs Pete Docter. Und diese Leidenschaft für Kermit, Gonzo, Miss Piggy und Konsorten macht sich in seinem Schaffen bemerkbar – das gibt er selbst zu.
„Sie haben definitiv mein Wesen mitgeformt – genauso wie die Frage, welche Art von Figuren ich mag“, sagte Docter beispielsweise im Gespräch mit dem britischen Nachrichtenportal The Independent. Der Filmemacher, der bereits an „Toy Story“ mitwirkte und unter anderem „Die Monster AG“ sowie den ersten „Alles steht Kopf“ inszenierte, konkretisierte dies auch mit einem Beispiel.
Über das sich ständig zankende und um mehr Zeit im Rampenlicht kämpfende Quintett aus „Alles steht Kopf“ sagte Docter gegenüber The Independent: „Die Emotionen sind quasi allesamt Muppets.“ Wenn man das weiß, sind die Parallelen unübersehbar: Wie sich Freude, Kummer, Ekel, Wut und Angst ergänzen, im Weg stehen und mit ihren übergroßen Persönlichkeiten für Trubel sorgen, hat viel vom Tohuwabohu in der „Muppet Show“. Nur, dass sie keine Bühnenshow auf die Beine stellen, sondern die Empfindungen der Teenagerin Riley steuern.
Platz da, jetzt haut Zweifel in die Vollen!
Während die Charakterzeichnung und Interaktion der Emotionen in „Alles steht Kopf“ zeigt, wie Docters Muppet-Faible Blüten treibt, hielt man sich in Teil eins designtechnisch zurück: Der Verfasser dieses Artikels zumindest kann sich allein vorstellen, wie sich Angst dauerhaft der schrägen Muppet-Truppe um Kermit, den Frosch anschließt – und Wut könnte vielleicht als Muppet-Randfigur durchgehen.
Doch Kummer und Ekel sind nicht sonderlich muppethaft – ganz zu schweigen von Freude, die eher einer menschlichen Anime-Figur gleicht. Unter der Regieführung von Kelsey Mann sieht das in „Alles steht Kopf 2“ schon anders aus: Die neuen Emotionen Neid, Scham und Ennui könnten mit ihren Formen und Bewegungsmustern sofort Parts bei den Muppets übernehmen.
Die volle Muppet-Dröhnung bietet aber die wichtigste und tatkräftigste der neuen Emotionen: Zweifel! Die im Original von Maya Hawke gesprochene Figur sieht aus, als wäre sie literweise Kaffee schlürfend aus dem Muppet-Theater ausgebüxt, um sich dreist in Rileys Gefühlskommandozentrale einzunisten.
Ihre Tischtennisballaugen inklusive winziger Iris und noch kleinerer Pupille, ihr karikaturesker Überbiss mit weit abstehenden Zähnen, das breite Maul, die explodierend-wuscheligen Haare – Zweifel hat pure Muppet-Energie auf der Stirn stehen. Das ist übrigens ein Design, auf das die Pixar-Crew mühevoll hinarbeiten musste, wie der Regisseur des Films im FILMSTARTS-Interview verriet:
Zweifel, Peinlich, Neid & Ennui: Der Regisseur von "Alles steht Kopf 2" rankt für uns die vier neuen Emotionen – nach der Schwierigkeit ihres Designs!Wir können uns glücklich schätzen, dass Mann und sein Team sich an Zweifels endgültigen Look herangetastet haben. Denn bei aller Irritation, für die Zweifel sorgt: Es ist diese wirbelig-wuselige, sonderbar niedliche Muppet-Ästhetik, die von der ersten Sekunde an verhindert, sie als boshaft aufzufassen!
Ihr steht in ihre aufgequollenen Augen geschrieben, dass sie es doch nur gut meint, und selbst, wenn sie Grenzen überschreitet und Fehler baut – ihr ungelenk-breites Maul verleiht ihr einen mitleidigen, subtil um Vergebung bettelnden Touch. Besseres hätte man sich bei Pixar kaum einfallen lassen können, um die Botschaft des Films zu unterstützen!
Noch mehr Muppet-Elemente
Der Look von Zweifel mag die deutlichste ästhetische Verneigung vor den Muppets in „Alles steht Kopf 2“ sein, jedoch gibt es auch akustische: In der englischsprachigen Originalfassung übernehmen die Muppet-Veteranen Dave Goelz und Frank Oz (wie schon in Teil eins) kleine Cameo-Rollen als Wächter des Unterbewusstseins. Zudem spricht „Muppets Haunted Mansion“-Regisseur Kirk Thatcher einen der Bauarbeiter, die in Rileys Gefühlszentrale die Ankunft der neuen Emotionen vorbereiten.
Falls ihr nun Lust auf mehr Muppet-Stoff bekommen habt und zudem Neugier darauf empfindet, wie der Erfinder dieser liebevoll-anarchische Truppe tickte: Seit kurzer Zeit gibt es auf Disney+ eine Doku, die ihr euch in diesem Fall dringend anschauen müsst!
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