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    Neu im Heimkino: Dieses Rache-Meisterwerk sollte man gesehen haben – nicht nur als Fan von "Kill Bill"
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Er findet Streaming zwar praktisch, eine echte Sammlung kann es für ihn aber nicht ersetzen: Was im eigenen Regal steht, ist sicher vor Internet-Blackouts, auslaufenden Lizenzverträgen und nachträglichen Schnitten.

    Bereits vor „Kill Bill“ machte sich eine Braut auf, um an fünf Menschen Rache für einen blutigen Kirchenbesuch zu üben: „Die Braut trug schwarz“ ist ein Thriller-Meilenstein von Regie-Meister François Truffaut – nun endlich auch auf Blu-ray!

    Quentin Tarantino packt seine Filme bekanntlich randvoll mit Filmverweisen – auf Klassiker sowie auf obskure Titel. Doch selbst er hat längst nicht alles gesehen. Daher musste er einst ein Missverständnis über „Kill Bill“ klären: Auf deutliche Parallelen zum Selbstjustiz-Klassiker „Die Braut trug schwarz“ angesprochen, stritt Tarantino jegliche Absicht ab. Er kannte den Thriller des Meisterregisseurs François Truffaut gar nicht!

    Dafür verneigte sich einst Pop-Ikone Kate Bush düster-melodisch vor Truffauts Rache-Geschichte – Popkultur ist halt unberechenbar! Nun bekommt der denkwürdige Mix aus Nouvelle Vague und Thriller in Hitchcock-Tradition endlich eine gebührende Heimkino-Auswertung: Am 10. Mai 2024 feiert „Die Braut trug schwarz“ seine deutsche Blu-ray-Premiere!

    "Die Braut trug schwarz": Eine Braut und ihre Todesliste

    Ein sonniger Morgen wie aus dem Märchenbuch: Julie Kohler (Jeanne Moreau) verlässt von Glockengeläut begleitet und ein bildschönes Brautkleid tragend eine Kirche. In ihrem Arm: Ihr Gatte David (Serge Rousseau), den sie seit ihrer Kindheit innig liebt. Dann fällt ein Schuss, David bricht zusammen und stirbt auf den Kirchenstufen. Julie wird zur verbitterten Witwe, die nur ein Ziel kennt: Sie muss die fünf Menschen auslöschen, die an Davids Tod Mitschuld tragen. Als sie sie ausfindig macht, klappert Julie ihre Todesliste Name für Name ab...

    Obwohl das Echo zwischen „Die Braut trug schwarz“ und Tarantinos Rache-Epos rein zufällig ist, ist der Truffaut-Klassiker eine klare Sehempfehlung für „Kill Bill“-Fans. Denn es ist überaus spannend, vor Augen geführt zu bekommen, wie variantenreich zwei stilbildende Regisseure eine vergleichbare Grundidee angehen. Dass Ex-Filmkritiker Truffaut ein ähnlicher Film-Süchtling war wie Ex-Videothekar Tarantino, und dennoch beide Filme in ihren separaten Sphären schweben, gibt dem Ganzen zusätzlichen Reiz!

    Eine bittere, vergnügte & nachdenkliche Hitchcock-Hommage

    Allerdings wäre es unfair, „Die Braut trug schwarz“ auf seinen Status als Film zu reduzieren, bei dem es niemanden überrascht hätte, wäre er eine „Kill Bill“-Vorlage gewesen. Schließlich inspirierte er Kate Bush tatsächlich zum eingängigen Song „The Wedding List“ auf dem Album „Never for Ever“*! Vor allem jedoch ist die lose Adaption eines Romans von Cornell Woolrich der deutlichste Versuch Truffauts, seinen Stil mit dem Alfred Hitchcocks zu verschmelzen!

    Denn Truffaut war riesiger Hitchcock-Verehrer und leistete tatkräftigen Beitrag, damit er als Suspense-Meister anerkannt wird. Dieser Passion zum Trotz hatte Truffaut einen deutlich anderen, eigenen Stil – doch in „Die Braut trug schwarz“ kollidieren Truffauts Art und die seines Vorbilds auf fesselnde Weise zusammen.

    Das führt zu ebenso niederschmetternden wie packenden Wendungen und zu originellen Schauplätzen, an denen Julie ihre Rache auf zynisch-einfallsreiche Weise verfolgt, die so an anderen Orten nahezu unmöglich wäre. Das gerät unter Truffauts Führung etwas neckisch-verspielter als bei Hitchcock, da sich diesen Sequenzen die wonnige Freude Truffauts nicht absprechen lässt, gerade sein Vorbild nachzuahmen.

    Zugleich haben einige der Begegnungen zwischen Julie und ihren Opfern eine bitter-nachdenkliche Tragik – insbesondere aufgrund der Hintergründe dieser Treffen. Wortwörtlich, da sich Julies Taten oft vor freudigen, ausgelassenen Ereignissen abspielen, die an Julies geraubtes Glück erinnern, aber auch sinnbildlich, da sich emotional komplexe Hintergrundgeschichten auftun.

    Untermalt wird diese makaber-unterhaltsame, aber auch nachdenkliche Selbstjustiz-Geschichte durch einen finster-romantischen Score von Hitchcock-Kollaborateur Bernard Herrmann. Während Herrmanns Stücke gelegentlich etwas aufdringlich sind, gibt Moreau in der Titelrolle eine durch und durch brillante Performance ab: Ihr gelingt es auf spektakuläre Weise, Truffauts Eigenheiten und den beabsichtigten Hitchcock-Vibe unter einen Brautschleier zu bringen!

    Sie macht Julie zur überlebensgroßen, kaltblütigen Persönlichkeit, und lässt trotzdem nuancierte Emotionen zu, beispielsweise sadistischen Witz, Mitleid oder gar Ehrfurcht im Zwiegespräch mit ihren Opfern. Obwohl Tarantino es nicht beabsichtigen konnte: Man kann sich förmlich vorstellen, wie Julie und „Kill Bill“-Rächerin Beatrix Kiddo ein Duo aus Killerinnen bilden, die sich ebenso ähneln wie sie sich widersprechen.

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