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    Dieser Thriller-Klassiker fiel beim Jugendschutz komplett durch – trotzdem kam er uncut ins Kino
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Mittlerweile gilt „Pitfall“ als denkwürdiges Kleinod des Film Noir. Doch 1948 wurde er noch von den Köpfen hinter dem Hays Code als moralischer Affront wahrgenommen. Doch der Regisseur wusste sein Werk vor Zensuren zu bewahren.

    Film Chest Company

    Dramatische Schatten, moralisch komplexe Figuren und ein steter Tanz entlang dessen, was in Hollywood überhaupt gezeigt werden durfte: Die Gattung des Film Noir sorgte insbesondere in den 1940ern und 1950ern am Rande des US-Mainstreams für Aufsehen. Mittlerweile gilt die auch als „schwarze Serie“ bekannte Hollywood-Periode als stilbildend, da sie Klassiker wie „Tote schlafen fest“ und „Die Spur des Falken“ hervorbrachte.

    Doch was heute als stilvoll und verrucht-elegant gilt, befand sich in der Blütezeit des Film Noir kurz vorm Tabubruch oder gar darüber hinaus: Der Hays Code, eine Ansammlung strenger Richtlinien, sorgte dafür, dass zahlreiche Themen, Handlungen und Verhaltensweisen verboten wurden. Filmschaffende verpflichteten sich, Geschichten zu erzählen, in denen ethische Fehltritte abgestraft werden.

    Dieser Kodex galt ab 1930 freiwillig und war von 1934 bis 1967 für alle großen US-Studios verpflichtend, auch wenn er in seinen späteren Jahren immer lockerer ausgelegt und in steigender Frequenz schlichtweg ignoriert wurde. Daran war in den 1940ern und 1950ern jedoch nicht zu denken. Umso erstaunlicher sind die Hintergründe von „Pitfall“, einem Film-Noir-Mix aus Ehe-Drama und Eifersuchtsthriller.

    "Pitfall": Darum geht es

    Der Versicherungsangestellte John Forbes (Dick Powell) führt ein eingefahrenes Leben als Patriarch einer dreiköpfigen Mittelstandsfamilie. Doch als er aus beruflichen Gründen das willensstarke, laszive Model Mona (Lizabeth Scott) kennenlernt, ist er völlig von den Socken: Die schlagfertige, forsche Dame, deren Lebensgefährte gerade im Gefängnis sitzt, zieht den bürgerlichen Langweiler in ihren Bann. Damit ist er aber nicht alleine:

    Auch der halbseidene Privatschnüffler MacDonald (Raymond Burr) hat ein Auge auf Mona geworfen. Die hat allerdings keinerlei Interesse am ungehobelten Schlägertypen – dafür aber eine Schwäche für den allmählich auftauenden, empathischen John. Einen Seitensprung später muss John um seine Existenz fürchten: MacDonald droht, alles Johns Frau Sue (Jane Wyatt) zu verraten – oder gar zu mörderischen Mitteln zu greifen...

    Ehebruch muss bestraft werden ...

    Ehebruch stand in der Hollywood-Ära des Hays Codes ganz groß auf der Verbotsliste: Filme, in denen Untreue gezeigt werden, mussten damit enden, dass diese Sünde unmissverständlich bestraft wird. Ähnlich verhielt es sich mit anderen moralischen und rechtlichen Vergehen. Kreative Filmschaffende machten sich derartige Einschränkungen aber zunutze – so entstand etwa der Schauspielerinnen viel Material gebende Archetyp der gefährlichen, wenngleich beeindruckend smarten Verführerin.

    Ein weiblicher James Bond? Dieses Szenario wäre schon vor 70 (!) Jahren beinahe Realität geworden

    Exakt diesen Weg wählten Regisseur André De Toth und Drehbuchautor Karl Kamb bei „Pitfall“ jedoch nicht: John wird ziemlich lebensnah als Mann skizziert, der sich derart an seinen Alltag gewöhnt hat, dass er seinen Treueschwur in einem schwachen Moment bricht, weil er sich ein pikanteres Leben erhofft – und dies daraufhin schwer bereut.

    Und Mona mag in einer Liste fabelhaft gespielter Femmes fatales nicht deplatziert sein, ist allerdings zugleich eine glaubhafte Persönlichkeit: Sie ist eine Frau, die mehr vom Leben will, als ihr die damalige Gesellschaft zu geben gewillt war, ihre Beziehung zu einem Kleinverbrecher bereut und sich in einen gutherzigen, aber verheirateten Mann verknallt – was sie mit Gewissensbissen bezahlt.

    Selbst Sue Forbes ist keine Karikatur. Sie ist zwar als Heimchen am Herd längst nicht so ausdifferenziert wie John und Mona. Doch obwohl sie dem Frauenbild entspricht, das im „Pitfall“-Erscheinungsjahr 1948 allgegenwärtig war, gestatten ihr Kamb und De Toth Widerhaken: Jane Wyatt darf ihrem Filmgatten in Momenten Paroli geben, in denen viele andere Filmfrauen jener Ära nur Unterstützung übrighatten – und im Gegenzug zeigt sie Verständnis, wo anderen der Geduldsfaden riss.

    ... es sei denn, man weiß, wer Ehe bricht

    Das führte zu Problemen mit den US-Moralwächtern und uns somit zu Spoilern für den Ausgang von „Pitfall“: Im nervenaufreibenden Finale plant Monas gehörnter Lebensgefährte Bill Smiley (Byron Barr), John zu töten. Ihm gelingt es jedoch, den Gangster zu erschießen und der Polizei weiszumachen, es handle sich bei Smiley um einen Einbrecher, den er in Notwehr tötete.

    Seiner Gattin schenkt John wiederum reinen Wein über die gesamte Geschichte ein. Danach fragt er sie, ob sie sich scheiden lassen möchte. Sie lehnt ab: Ein Ehemann, der von einem unehrlichen Tag abgesehen stets ein guter Ehemann ist, sei ein guter Fang. Sue gibt ihrer Ehe zu John eine zweite Chance, auch wenn sie anmerkt, dass sie unsicher sei, ob ihre Bindung je wieder so sein wird wie zuvor.

    Wie „12 Monkeys“-Star Madeleine Stowe 2016 in ihrer Anmoderation von „Pitfall“ auf dem US-Filmkanal Turner Classic Movies nacherzählte, sorgte dieses Ende für Trubel: Der Film verstieß gegen den Hays Code, da der Ehebruch nicht in einer als von den US-Moralwächtern als ausreichend wahrgenommenen Art sanktioniert wird. De Toth war allerdings nicht willens, seinen Film zu kompromittieren: Er wählte gezielt zwei Hays-Code-Prüfer aus und bat sie um eine Unterredung.

    Die verlief aber ganz anders, als die es sich wohl ausgemalt haben dürften: De Toth verriet den Hay-Code-Prüfern, dass er über ihre außerehelichen Affären informiert ist. Die unausgesprochene Drohung, die somit im Raum stand, war bereits genug: „Pitfall“ wurde trotz Verstoß gegen den Hays Code unverändert ins Kino entlassen.

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