Manche Filmschaffende müssen sich erst warmlaufen und ihr Können feinschleifen, bevor sie ihre beste Arbeit abliefern. Andere starten direkt mit ihrem unbestrittenen Glanzstück. Regisseur Duncan Jones gehört zur letztgenannten Kategorie.
Seine späteren Filme „Source Code“, „Warcraft: The Beginning“ und „Mute“ haben zwar auch ihre Fans, aber der Konsens ist sich einig – Jones hat mit seinem Langfilmdebüt „Moon“ seinen besten Film verantwortet. Und eben den könnt ihr jetzt bei Amazon Prime Video im Abo streamen:
Egal, ob ihr den Film so nachholt oder wieder einmal schaut, eines dürfte sich abzeichnen: Die einhellige Wertschätzung für dieses hervorragende Regiedebüt ist vollkommen berechtigt. Hat es doch einen überragenden Sam Rockwell in der Hauptrolle – und einen richtig fiesen Twist, der auch beim wiederholten Anschauen weh tut!
Darum geht es in "Moon" auf Amazon Prime Video
Die nahe Zukunft: Sam Bell (Sam Rockwell) ist überarbeitet, von Schlafstörungen geplagt und der einzige Mensch auf dem Mond. Doch jetzt, nach drei langen Jahren, steht er kurz vor der Beendigung seiner monotonen Wartungsarbeit. Der Astronaut erwartet schon sehnlichst seine Ablösung und die damit einhergehende Heimkehr auf die Erde. Deren Energieprobleme wurden von seinem Arbeitgeber, der Lunar Corporation, auf einen Schlag gelöst – nicht zuletzt dank Sams Einsatz auf dem Mond.
Bevor Sams Traum wahr werden kann, endlich wieder seine Frau (Dominique McElligott) und Tochter (Kaya Scodelario) in die Arme zu schließen, gilt es jedoch, ein anderes Problem zu meistern. Denn auf einmal taucht ein weiterer Mondbewohner auf, dessen Präsenz sich selbst Bordcomputer Gerty (im Original: Kevin Spacey) nicht erklären kann, und Sams Rückkehr zur Erde in große Gefahr bringt …
Ebenso ruhig wie emotional
In einer Hochphase des auf spektakuläre Bilder und mitreißende Action setzenden Sci-Fi-Kinos hat sich „Moon“ 2009 auf die ruhigere, nachdenklichere Seite des Genres zurückbesonnen: Die Fünf-Millionen-Dollar-Produktion, die sogar von zurückgelassenen Sets eines anderen, aufgegebenen Projektes Gebrauch macht, ist sehr atmosphärisch, zeichnet Sams Arbeits- und Lebensbereich bewusst karg und eintönig, und legt den Schwerpunkt ganz klar auf das menschliche Element.
Wir sollen und können in aller Ruhe den Protagonisten kennen und lieben lernen, bevor Duncan Jones und Drehbuchautor Nathan Parker („2:22“) die spekulativen Sci-Fi-Elemente dieser Story etwas mehr zum Zuge kommen lassen. Und selbst dann, wenn sie den vollen Umfang der Geschichte und ihrer Zukunftselemente offenbaren, bleibt die emotionale Ebene die tragende: „Moon“ ist von Anfang bis Ende eine dramatische, zu Herzen gehende Geschichte, bei der wir mit Sam mitleiden und uns ein glückliches Ende für ihn herbeisehnen.
Das ist natürlich Verdienst des Skripts, das Sam viel Raum gibt, auf nahbare Weise über existenzielle Fragen zu sinnieren sowie zwischen Rationalisierung seiner Situation und einer rein emotionalen Perspektive abzuwägen. Doch vor allem glänzt „Moon“ so sehr, weil Sam Rockwell hier die Rolle seines Lebens spielt.
Der „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“-Mime zieht einen mit seinem ebenso intensiven wie feingliedrigen Spiel geradezu in seinen Bann – und das riesige Charisma, das er hier (wieder einmal) zur Schau stellt, macht es nahezu unmöglich, seinen Helden nicht gegen jede Vernunft anzufeuern und Verrat gegen ihn fast schon persönlich zu nehmen.
Klug eingesetzte Kubrick-Referenz
Sam Rockwells glühendem Charisma steht nicht nur eine klaustrophobische, klinische Szenerie gegenüber, sie wird zudem durch die minimalistischen, hypnotischen Kompositionen von Clint Mansell („Requiem for a Dream“) konterkariert. Dadurch wirkt Sams Einsamkeit in „Moon“ umso bedauerlicher – und dann kommt da noch sein Computer-Kollege Gerty hinzu:
Als eindeutige Referenz an den bedrohlichen HAL 9000 aus Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ angelegt, weckt der Computer beim filmerfahrenen Publikum direkt Misstrauen. Und auch ohne dieses Vorwissen trägt Gerty maßgeblich zur Stimmung von „Moon“ bei – er ist stets zuvorkommend, seine Stimmfarbe ist geradezu aufdringlich-freundlich. Da kommt zwangsweise die Frage auf, ob er etwas im Schilde führt oder alternativ über die Jahre hinweg ein Gewissen entwickelt hat.
So oder so kommt Sams einziger Komfort lange mit einer Angespanntheit daher. Egal, ob man den Film ahnungslos zum ersten Mal schaut oder den zentralen Twist von „Moon“ und das Geheimnis um Gerty schon kennt: Die Rückschläge und fiesen Enthüllungen in „Moon“ tun ungeheuerlich weh. Und jeder noch so kleine Trost und Hoffnungsschimmer, den Sam sich erkämpft, fühlt sich wie ein riesiger Triumph an. Das konsequente Ende von „Moon“ ist nach all dem geradezu überwältigend – und das völlig ohne Spektakel, sondern rein menschlich.
Dies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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