Wenn es um die Frage nach dem schlechtesten Regisseur aller Zeiten geht, dann fällt mit Sicherheit irgendwann der Name von Uwe Boll: Von Horror („Alone In The Dark“) über Action („Far Cry“) bis hin zu Fantasy-Filmen („Die Schwerter des Königs“), Biopics („Max Schmeling“) oder gar gewichtigen Historien-Stoffen („Auschwitz“) hat sich der gebürtige Wermelskirchener an nahezu jedem Genre verhoben.
Ob Boll den Titel des schlechtesten Regisseurs tatsächlich verdient hat, ist hingegen diskutabel. Vielleicht sind es letztlich weniger seine Filme allein als vielmehr sein provozierendes öffentliches Auftreten, das ihm diesen Ruf einbrachte. Schließlich verärgerte er Videospielfans weltweit so sehr, dass sich diese mit einer Petition unter dem Motto „Stop Dr. Uwe Boll“ zur Wehr setzten, die es auf immerhin 300.000 Unterschriften brachte (und trotzdem nicht von Erfolg gekrönt war).
Boll hat dutzende Regie-Kollegen beleidigt, sich trotzig als „einziges Genie im Filmgeschäft“ bezeichnet und seinen Hass auf die Filmkritik 2006 medienwirksam in einem Boxkampf gipfeln lassen, in dem er seine größten Kritiker*innen im Ring herausforderte. Es ist also ein faszinierender Mix aus unternehmerischer Weitsicht (die Finanzierung seiner Filme über Steuerschlupflöcher ist legendär), inszenatorischer Nachlässigkeit („Tara Reid spielt eine Wissenschaftlerin, deshalb trägt sie eine Brille“) und seiner sozialen Hans-Dampf-Attitüde, die ihn zum naheliegenden, aber auch arg einfachen Feindbild gemacht hat. Zuletzt sorgte Boll mit seiner filmischen Bearbeitung der rassistisch motivierten Anschläge in Hanau sowie zunehmend wirren bis verschwörungsideologischen Postings auf sozialen Netzwerken für Negativ-Schlagzeilen.
Uwe Boll in einem der besten Filme 2023?
Im Laufe seiner mittlerweile mehr als drei Jahrzehnte umfassenden Karriere stand Boll nicht nur hinter, sondern mehrmals auch vor der Kamera – meist in seinen eigenen Filmen. Für Diskussionen sorgte etwa seine Darstellung des Adolf Hitler im parodistisch gemeinten Superhelden-Film „Blubbarella“. Doch 2023 tauchte sein Name plötzlich an eher unerwarteter Stelle auf: neben Schauspiel-Größen wie Nina Hoss auf dem Plakat zu „Do Not Expect Too Much From The End Of The World“, dem jüngsten Film von Radu Jude – der 2022 mit „Bad Luck Banging Or Loony Porn“ den Hauptpreis der von Boll verachteten Berlinale gewann, für „Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen“ (2018) von FILMSTARTS-Autor Lucas Barwenczik die seltene Höchstwertung von 5 von 5 Sternen spendiert bekam und als einer der wichtigsten Regisseure der Gegenwart gilt.
Die Filme von Jude setzen sich nicht nur bissig mit der (rumänischen) Vergangenheit und Gegenwart auseinander, sondern sind auch wahre filmische Wundertüten. Mit schier unendlichem Einfallsreichtum fordern sie ihre Zuschauer*innen dazu auf, Stellung zu beziehen, und finden eindrückliche Bilder für komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge. Obendrein sind sie wahnsinnig lustig! Doch was hat nun ausgerechnet Uwe Boll im jüngsten Werk des gefeierten Filmemachers zu suchen, das vergangenes Jahr in zahlreichen Kritiker-Bestenlisten weit vorne stand und aktuell 100% positive Bewertungen auf der amerikanischen Kritiken-Sammelseite Rotten Tomatoes hält (basierend auf immerhin 28 Rezensionen)?
Ganz einfach: Radu Jude ist eines der Aushängeschilder der sogenannten Rumänischen Neuen Welle, Boll wiederum hat aufgrund der günstigen Produktionsbedingungen viele seiner Filme in Rumänien gedreht. Und so trifft die Filmproduktionsassisstentin Angela (Ilinca Manolache), der wir in „Do Not Expect Too Much From The End Of The World“ einen Arbeitstag lang folgen, in einer Szene auf niemand Geringeren als Uwe Boll (als er selbst), der gerade eine Trash-Produktion in Bukarest dreht und sich als ungemein sympathischer Grummler präsentiert.
Vielleicht steckt hinter dem überraschend selbstironischen Gastauftritt ein Kommentar auf die Ausbeutung Rumäniens als günstiger Drehort (an der Boll ja mehrmals höchstselbst beteiligt war), vielleicht ist es nicht mehr als ein ungemein guter Besetzungsgag: der schlechteste Regisseur in einem der besten Filme des Jahres. Zudem ist es dem 58-Jährigen auf diese Weise sogar doch noch gelungen, auf einigen der wichtigsten Filmfestivals der Welt präsent zu sein.
Ob und wann „Do Not Expect Too Much From The End Of The World“, der auf dem Filmfest Hamburg seine Deutschland-Premiere feierte, in die hiesigen Kinos kommt, ist noch nicht bekannt. Aber wir halten euch natürlich auf dem Laufenden!
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