Clint Eastwood („Zwei glorreiche Halunken“) zählt zu den lebenden Legenden der Traumfabrik. Mit nunmehr 92 Jahren auf dem Buckel kann er nicht nur auf eine mehr als beachtliche Karriere als Schauspieler zurückblicken, sondern ist auch als Regisseur nach wie vor nicht darum verlegen, gefühlt im jährlichen Turnus einen Film abzuliefern. Dass es der ewige Dirty Harry im hohen Alter noch ziemlich drauf hat, beweist auch sein Thriller „The Mule“ von 2018, der noch bis einschließlich 5. März bei Netflix zur Verfügung steht.
Die unglaubliche Geschichte von "The Mule"
Obgleich sich Clint Eastwood aus dramaturgischen Gründen einige erzählerische Freiheiten genommen hat, basiert „The Mule“ größtenteils auf der Geschichte des 90-jährigen Drogenkuriers Leo Sharp, die zum ersten Mal in dem New-York-Times-Artikel „The Sinaloa Cartel's 90-Year Old Drug Mule“ behandelt wurde. Sharp, ein Veteran des Zweiten Weltkriegs, hat sich nach seiner Zeit als Soldat im Bereich der Floristik selbstständig gemacht und Blumen gezüchtet. Als die Geschäfte in den 1990er-Jahren immer schlechter liefen, musste sich der Mann eine alternative Einnahmequelle suchen, um den privaten Ruin zu verhindern.
Für das berühmt-berüchtigte Sinaloa-Kartell schleuste er daraufhin regelmäßig Kokain im 100-Kilogramm-Bereich in die Vereinigten Staaten. Das ging lange Zeit gut, weil niemand vermuten würde, dass der alte, harmlos anmutende, ständig Countrymusik hörende Mann mit einer extrem gefährlichen Verbrecherorganisation unter einem Hut steckt. Am 21. Oktober 2011 aber wurde Leo Sharp schließlich festgenommen. Auf der Ladefläche seines Pick-Up-Trucks fand die Polizei 104 Kilogramm Kokain.
Kurios, aber auch gut erzählt?
In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es für „The Mule“ 3 von möglichen 5 Sternen. Unser Chefkritiker Christoph Petersen schreibt in seinem Fazit: „Bei ‚The Mule‘ steht diesmal nicht der Regisseur, sondern der Schauspieler Clint Eastwood im Vordergrund – mit seiner einnehmenden Performance macht er einen streckenweise unnötig überzuckerten Stoff quasi im – inzwischen schon sichtbar wackligen – Alleingang sehenswert.“
Im Kern folgt „The Mule“ einem sehr klassischen, fast schon ausgelutschten Plot, der nur deswegen besonders ist, weil hier eben ein greiser Drogenschmuggler im Zentrum steht. Das schützt den Film aber auch nicht davor, wiederholt exorbitanten Klischeefallen zum Opfer zu fallen. Dass „The Mule“ aber trotzdem funktioniert, liegt am vierfach oscarprämierten Hauptdarsteller, der inszenatorisch in diesem Fall nicht viel reißt, mit seinem Reibeisen-Charme aber immer noch in der Lage ist, das Publikum um den Finger zu wickeln. Da zieht im direkten Vergleich auch ein Bradley Cooper als Drogenfahnder merklich den Kürzeren.
Ein wenig irritierend könnte auch der Umstand sein, dass die Opfer in „The Mule“ konsequent ausgeblendet werden: „Man sieht im ganzen Film nicht einen einzigen Süchtigen und auch die Drogen erscheinen maximal für Sekundenbruchteile im Bild. Auch wirkt das Kartell-Geschäft trotz immer gezückter Maschinengewehre und bedrohlicher Tattoos die meiste Zeit über ziemlich harmlos, fast schon niedlich“. Dennoch: Dank Clint Eastwoods Präsenz und der unglaublichen Geschichte darf man hier gerne einen Blick riskieren.
Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.