Rückblickend klingt es wie eine sichere Nummer: Robert Downey Jr. spielt unter der stylischen Regie Guy Ritchies ein überheblich-charismatisches Schnüffler-Genie. Vor dem „Sherlock Holmes“-Kinostart wurden allerdings Zweifel laut – war es doch Ritchies erster Big-Budget-Gehversuch. Noch dazu einer, der sich gegen die Materialschlacht „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ behaupten musste.
Trotzdem nahm die 90-Millionen-Dollar-Produktion an den Kinokassen fast das Sechsfache ihres Budgets ein. Zwei Jahre später folgte der zweite Streich: Größer, düsterer und schräger! Obwohl es schwer ist, Filmfans zu finden, die eine völlig andere Meinung zum Sequel haben als zu Teil eins, lässt sich fürstlich streiten, welcher Teil besser ist. Falls ihr eine Auffrischung benötigt: Kabel eins zeigt „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ heute, am 12. Februar 2024, ab 20.15 Uhr. Außerdem ist das skurril-epochale Action-Abenteuer bei Netflix abrufbar.
Mehr ist mehr – "Sherlock Holmes: Spiel im Schatten"
Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Robert Downey Jr.) will es sich nicht anmerken lassen. Doch er ist aufgebracht: Der ebenso brillante und einflussreiche wie unbarmherzige Professor Moriarty (Jared Harris) hat eine seiner wichtigsten Quellen getötet. Noch dazu ist Holmes überzeugt, dass das böse Genie hinter einer Vielzahl an vermeintlich zusammenhanglosen Morden und Terrorakten steckt.
Als jedoch während des Junggesellenabschieds von Holmes' Gehilfen Dr. Watson (Jude Law) ein Auftragskiller versucht, die Wahrsagerin Simza (Noomi Rapace) umzulegen, fallen wichtige Puzzleteile zusammen. Alsbald beginnt eine quer durch Europa führende Jagd, um Moriartys diabolisches Vorhaben aufzuhalten. Allerdings droht der Superverbrecher, die wichtigsten Menschen in Holmes' Leben zu töten, sollte der ihm in die Quere kommen...
Nach einer gefühlten Ewigkeit: Sci-Fi-Fantasy-Kult kehrt endlich ins Heimkino zurück – und erscheint erstmals auf Blu-ray!Während FILMSTARTS-Chefkritiker Christoph Petersen Ritchies zweiten Anlauf etwas schwächer benotet hat als die erste Runde, ist der Autor dieses Textes ein glühender Verteidiger des tösenden, dramatischen und aufgekratzten zweiten Parts: Ritchie entwickelt die stylische Ästhetik des Erstlings konsequent weiter, mit aufwändiger ausstaffierten Schauplätzen und spektakuläreren Effekten.
Hinzu kommt ein sanfter Hauch an Steampunk-Einflüssen, die nicht nur optisch etwas hermachen: Sie unterstreichen die unterschwellige Drohung, dass Moriarty diese Filmwelt in einen alternativen Zeitstrang drängt, in dem das späte 19. Jahrhundert eine drastischere Wende nimmt als in unserer Wirklichkeit.
Mehr Action, mehr Humor
So, wie die Actioneinlagen dramatisch-ambitioniert sind, um auf den Erstling einen drauflegen, sind die humorvollen Momente schräger und aufgekratzter als im Vorläufer: Holmes und Watson kabbeln sich wie in einer schrillen Screwball-Komödie, Stephen Fry schwebt als Holmes' Bruder Mycroft in seinen eigenen Sphären. Und der bloße Gedanke an Sherlocks Reitkünste bringt den Verfasser dieses Textes jederzeit verlässlich zum Grinsen.
„Spiel im Schatten“ macht da weiter, wo Teil eins aufgehört hat – diese Sherlock-Inkarnation muss einfach spüren, mindestens die politischen Geschicke Europas auf den Schultern lasten zu haben, während sie sich immer mehr in ihren Kauzigkeiten verliert. Einzig, dass Rapace als weibliche Ergänzung des Holmes-Watson-Gespanns etwas blass wirkt, wohingegen Rachel McAdams den ersten Film enorm bereicherte, ist innerhalb der Filmreihe ein Rückschritt.
Kampf der Klangwelten
Umso markanteren Stil entwickelt die Filmmusik: Mit seinem angetrunkenen Flair einer entgleisenden Pub-Nacht war das Hauptmotiv des ersten Teils schon sehr denkwürdig. In „Spiel im Schatten“ drängeln sich die ausgefallenen Musikstücke nun dicht an dicht: Holmes' schräge Erkennungsmelodie kämpft sich durch diffus wabernde, Unheil versprechende Klänge. Sie wird überrollt von streng-akkuratem, deutschem Klangmilitarismus.
Versatzstücke von Mozart und Schubert fädeln sich teils behände, teils unheimlich durch einzelne Passagen. Derweil bereichert ein quirlig-komplexes Neuarrangement von Ennio Morricones Titelmusik zum Clint-Eastwood-Kleinod „Ein Fressen für die Geier“ eine augenzwinkernd-alberne Szene mit Flauschfaktor.
Vor allem jedoch prägen Einflüsse durch das musikalische Erbe der Romnja und Roma den Film: Hans Zimmer und seine Crew holten sich die Bands Cigánski Baróni und Sendreiovci & Kokavakere Lavutára ins Studio. Die lockern die Klangwelt dieses Action-Krimi-Epos mit wild-vergnügten und verspielt-beseelten Stücken auf – und helfen, ein Gegengewicht zur prätentiös-bedrohlichen Akustik der Filmschurken zu kreieren. Sie sorgen für das „Spiel“, Moriarty für die „Schatten“.
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