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    Steven Spielberg wollte "Interstellar" machen: So anders wäre Christopher Nolans Sci-Fi-Geniestreich unter seiner Regie geworden
    Oliver Kube
    Oliver Kube
    -Freier Autor und Kritiker
    Oliver Kubes bevorzugte Filmemacher sind David Fincher, David Lynch, Martin Scorsese, Paul Thomas Anderson, Christopher Nolan, Stanley Kubrick, Quentin Tarantino, Joachim Trier sowie Steve McQueen.

    Wie hätte „Interstellar“ wohl ausgesehen, wenn anstelle von Chris Nolan damals Steven Spielberg die Regie übernommen hätte? Dass diese Frage nicht rein hypothetisch ist, sondern es tatsächlich fast dazu gekommen wäre, lest ihr hier.

    Interstellar“ ist für uns von FILMSTARTS einer der besten Science-Fiction-Filme aller Zeiten. Nicht nur die Story, auch die Bilder, der Ton, die Atmosphäre, die Ausstattung und die Darsteller*innen sind im wahrsten Sinne galaktisch. Die allermeisten Sci-Fi-Fans sind sich wohl einig, dass Christopher Nolan großartige Arbeit geleistet hat. Doch beinahe hätte der Brite gar nicht die Chance dazu bekommen. Denn eigentlich wollte ein ganz anderer Meisterregisseur das Zukunfts-Epos inszenieren: Steven Spielberg.

    In „Interstellar“ steht die Erde im Jahr 2067 vor der Apokalypse. Staubstürme haben den Planeten verwüstet und Milliarden von Menschen sind deshalb bereits verhungert. NASA-Chef Prof. John Brand (Michael Caine) kontaktiert seinen Ex-Mitarbeiter Joseph Cooper (Matthew McConaughey), um die wohl wichtigste Mission der Geschichte anzutreten: Er und seine Crew (u. a. Anne Hathaway) sollen durch ein Wurmloch in der Nähe des Saturn fliegen und nach einem neuen, lebensfähigen Planeten für die Menschheit suchen …

    Achtung: Die folgenden Textabschnitte enthalten einige massive Spoiler zu „Interstellar“. Falls ihr den Film noch nicht gesehen habt, solltet ihr besser erst nach dessen Genuss weiterlesen.

    "Indy 4" statt "Interstellar"

    2006 begann Steven Spielberg damit, die Ursprungsidee zu „Interstellar“ von Produzentin Lynda Obst („Contact“) und dem angesehenen, theoretischen Physiker Kip Thorne zu einem Film zu entwickeln. 2007 beauftragte er Jonathan Nolan, der zuvor gemeinsam mit seinem Bruder Christopher die Skripts zu dessen Regiearbeiten „Memento“ und „Prestige“ verfasst hatte, ein Drehbuch zu schreiben.

    Zu diesem Zeitpunkt hatte Spielberg die feste Absicht, den Film selbst zu inszenieren. Als seine Produktionsfirma allerdings bald darauf von Paramount zu Disney wechselte, musste aus rechtlichen Gründen ein neuer Regisseur gefunden werden. Spielberg nahm währenddessen die Arbeit an „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ auf.

    Jonathan Nolan empfahl dem Studio seinen Bruder für den nun vakanten Job. Kurz nachdem Christopher Nolan den Zuschlag erhalten hatte, begann er Jonathans Skript zu überarbeiten und durch Segmente aus einem eigenen, zunächst für einen anderen Film gedachten Drehbuch zu ergänzen. So nahm ein ebenso spannendes wie berührendes Charakterdrama kombiniert mit der sowohl visuell als auch intellektuell fesselnden Erkundung des Weltalls, des Zeit-Raum-Kontinuums und diverser wissenschaftlicher Theorien Gestalt an.

    Das den Kinofans im Jahre 2014 präsentierte Endergebnis seiner Bemühungen weicht an vielen Stellen erheblich von Spielbergs ursprünglichem Konzept ab. Das betrifft nicht nur die Handlung sowie die sich darin bewegenden Figuren, sondern auch die Stimmung, das Tempo und die emotionale Ausrichtung. Wie so viele westliche Filmemacher dieser Tage schielte das Mastermind hinter „Der weiße Hai“, „Schindlers Liste“ und „Jurassic Park“ schon damals etwa in Richtung des weltweit größten Filmmarktes China und plante zudem viel mehr klassische Action einzubauen.

    China wäre schneller gewesen

    Das Skript, mit dem Spielberg gedreht hätte, sah vor, dass China die USA im Wettlauf um die Rettung der Menschheit im Weltraum zunächst abhängt. Das sollte sich schon darin zeigen, dass die Drohne, auf die Cooper und seine Kids (Mackenzie Foy, Timothée Chalamet) zu Beginn stoßen, kein indisches, sondern ein chinesisches Fabrikat ist. Später kommen Cooper und seine Kollegin Amelia Brand (Hathaway) auf dem Eisplaneten an und stellen fest, dass chinesische Astronauten bereits Dekaden zuvor da waren. Zudem findet das Duo dort einen unterirdischen Bunker mit chinesischen Robotern und einen mysteriösen Kasten vor, der künstliche Schwerkraft erzeugt. Bei ihrem Versuch, diese Box mit zurück auf ihr Raumschiff zu nehmen, werden sie von den Robotern angegriffen und in einen Kampf verwickelt.

    In Spielbergs „Interstellar“ sollten die Chinesen außerdem sämtliche Antworten zur Rettung unserer Spezies bereits lange vor der NASA-Crew entdecken, dann aber bei ihrer Rückkehr zur Erde tragisch ums Leben kommen. Im weiteren Verlauf der Story saugt ein kleines schwarzes Loch Brand und Cooper ein. In ihm öffnet sich dann ein weiteres Wurmloch, das sie in eine Hyperdimension schickt. Hier finden die zwei heraus, dass die Chinesen eine gigantische Raumstation gebaut haben …

    Mehr als nur Freunde? Matthew McConaughey und Anne Hathaway in Warner Bros. GmbH
    Mehr als nur Freunde? Matthew McConaughey und Anne Hathaway in "Interstellar".

    Romantik und Sex an Bord der "Endurance"?

    In Nolans Version wird zwischen Cooper und Brand keine Liebesbeziehung forciert. Ihre Interaktion beschränkt sich allein auf professionelle Zusammenarbeit und schließlich Freundschaft. Indem er sie nicht zum „Love Interest“ des Protagonisten machte, gab Nolan Hathaways Figur deutlich mehr Gewicht.

    In Spielbergs Version war hingegen vorgesehen, dass Cooper und Brand während ihrer Mission mit der „Endurance“ eine romantische Verbindung eingehen, die zum Ende des Films in den Mittelpunkt rückt. Nachdem sie die Videoprotokolle ihrer Familienmitglieder gesehen haben, in denen diese glauben, zur letzten Generation von Menschen auf dem Planeten zu gehören, fallen sich Cooper und Brand einander tröstend in die Arme und werden miteinander intim.

    Wenn Cooper Brand dann am Ende auf dem neuen Planeten allein lässt, versucht er seine Missionspartnerin auf diese Weise nicht nur aus kollegialer Loyalität und wissenschaftlichen Gründen zu retten, sondern weil er in sie verliebt ist. Die romantische Beziehung hätte Coopers primärem Ziel, das Überleben seiner Kinder zu sichern, vermutlich einiges an erzählerische Kraft genommen.

    Das Ende: Anders und doch gleich

    Bei Nolan schafft Cooper es nicht zurück auf die Erde. Stattdessen wacht er auf der anderen Seite des Wurmlochs auf und stellt fest, dass aus seiner mittlerweile längst erwachsenen Tochter Murph (Jessica Chastain) eine brillante Physikerin geworden ist und sie das Gravitationsproblem gelöst hat – was das Überleben der Menschheit garantiert.

    Unter Spielbergs Ägide wäre das Finale des Films – beziehungsweise der Weg dahin – recht abweichend ausgefallen. Im ursprünglichen Drehbuch kehrt Cooper im Jahr 2230 auf die Erde zurück, nur um ein von Eisstürmen heimgesuchtes Ödland vorzufinden. In seiner Verzweiflung und im Glauben, dass die Menschen ausgestorben sind, legt er sich einfach auf den Boden und bereitet sich so auf seinen eigenen Tod in der unwirtlichen Witterung vor.

    Cooper wird allerdings gerettet. Denn in der nächsten Szene – und da stimmen Spielbergs Vision und der letztlich von Nolan realisierte „Interstellar“ wieder überein – kommt er im medizinischen Bereich einer riesigen Raumstation zu sich, die nach Murph benannt ist.

    Hättet ihr gern Spielbergs Version des Films gesehen? Glaubt ihr, sie wäre nicht nur anders, sondern vielleicht sogar besser geworden? Oder denkt ihr wie der Verfasser dieser Zeilen, dass Nolan der perfekte Regisseur (und Co-Autor!) für „Interstellar“ war?

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