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    "Nur Schweine sitzen im Kino!": Film über sehr realen Horror stellt nach Kontroverse einen Kinokassen-Rekord auf
    Björn Becher
    Björn Becher
    -Mitglied der Chefredaktion
    Seit mehr als 20 Jahren schreibt Björn Becher über Filme und Serien. Hier bei FILMSTARTS.de kümmert er sich um "Star Wars" - aber auch um alles, was gerade im Kino auf der großen Leinwand läuft.

    Einer der schon jetzt meistdiskutierten Filme des Jahres 2023 kommt aus Polen. Das an die Nieren gehende Schwarz-Weiß-Drama „The Green Border“ erhitzt dort die Gemüter, stellte nun einen Rekord auf und wird trotzdem nicht der Oscarbeitrag des Landes.

    Kino Swiat

    Eine Debatte wie aktuell in Polen rund um „The Green Border“ gab es bisher selten um einen Film. Die renommierte Regisseurin Agnieszka Holland beschäftigt sich in ihrem Drama mit der Flüchtlingskrise an den Außengrenzen der EU. Zwischen Belarus und Polen träumt eine syrische Flüchtlingsfamilie von einer besseren Zukunft und durchlebt stattdessen Horror: Die Grenzsoldat*innen in Belarus schicken sie nach Polen, die dortigen wieder zurück nach Belarus, wo das Spiel von vorne beginnt. Anträge auf Asyl werden einfach ignoriert, das wenige Hab und Gut geht nach und nach kaputt, körperlich und psychisch werden sie misshandelt.

    Holland erzählt ihre Geschichte anhand vieler verschiedener Personen: Im Mittelpunkt steht so nicht nur die Familie, sondern unter anderem auch ein polnischer Grenzbeamter, der gerade Vater wird und sein Haus baut, sowie eine in Grenznähe lebende Psychologin, die helfen will und schließlich dafür Gesetze bricht.

    Der polnische Präsident wettert gegen den Film

    Schon rund um die Weltpremiere bei den renommierten Filmfestspielen in Venedig, wo wir den Film sehen konnten, gab es heftige Beschimpfungen aus Polen gegen den Film. Gerade die rechts-konservative Regierung des Landes wetterte gegen das Projekt. Holland wurde als Volksverräterin beschimpft, Justizminister Zbigniew Ziobro bezeichnete den Film als „Nazi-Propaganda“ und sein Regierungschef Andrzej Duda schlug in eine ähnliche Kerbe.

    Der verwies auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als der polnischen Bevölkerung im Kino nur Nazi-Propaganda gezeigt wurde. Dabei zitierte er einen damaligen Slogan polnischer Widerstandskämpfer gegen die NS-Besetzung und das aufgezwungene Programm: „Nur Schweine sitzen im Kino!“

    Vor allem aber versuchte man einen Kinoerfolg von „The Green Border“ mit allen Mitteln zu verhindern. Ein Verbot war nicht möglich. Stattdessen ordnete man aber an, dass vor jeder (!) Kinovorführung des Films noch ein schnell produziertes „Warn-Video“ zu sehen ist, welches erklären soll, dass „The Green Border“ nur Lügen verbreite. Zudem rief Präsident Duda persönlich die Bevölkerung Polens auf, nicht ins Kino zu gehen, sondern „The Green Border“ zu boykottieren – all das hat aber überhaupt nicht geklappt.

    Trotz Boykott-Aufruf des Präsidenten: Startrekord für "The Green Border"

    Ganz im Gegenteil. Das Publikum strömte am vergangenen Wochenende in die Lichtspielhäuser. Wie das polnische Filmmagazin Filmweb.pl berichtet, wurden insgesamt 137.435 Kinotickets gelöst – für unser Nachbarland eine herausragende Marke. „The Green Border“ gelang so der beste Start eines polnischen Films im Jahr 2023 (und das dürfte kaum daran liegen, dass die Leute unbedingt den vorab gezeigten Propaganda-Spot der Regierung sehen wollten).

    Eine Rolle könnte „The Green Border“ auch bei mehreren kommenden Filmpreisen spielen – das machte schon das Debüt in Venedig deutlich. Beim renommierten Filmfestival gab es am Ende die Auszeichnung mit dem Spezialpreis der Jury. Für die Oscars 2023 geht „The Green Border“ aber für Polen trotzdem nicht ins Rennen – aufgrund der Kontroverse vielleicht nicht ganz unerwartet.

    Green Border
    Green Border
    Starttermin 1. Februar 2024 | 2 Std. 32 Min.
    Von Agnieszka Holland
    Mit Jalal Altawil, Maja Ostaszewska, Behi Djanati Ataï
    User-Wertung
    3,2
    Filmstarts
    3,0
    Vorführungen (10)

    Wie das sechsköpfige Auswahlkomitee am heutigen Montag, den 25. September mitteilte, habe man sich nach „harten und hitzigen“ Debatten für den Animationsfilm „The Peasants“ entschieden. Ohne „The Green Border“ namentlich zu erwähnen, wurde dabei erklärt, dass es am Ende eine 4:2-Abstimmung gegeben habe. Regisseurin Holland machte bereits deutlich, dass ihrer Ansicht nach die Regierung hinter der Entscheidung stecke.

    Dem Hollywood Reporter verriet sie, dass ihr die Mitglieder des Auswahlkomitees, allesamt selbst renommierte polnische Filmschaffende, bestätigt hätten, dass ihr Film die beste Wahl gewesen sei und die besten Chancen bei den Oscars versprochen hätte. Aber am Ende hätten alle Angst gehabt, dass die Regierung sie mit Repressalien bedenkt, zum Beispiel ihnen die Finanzierung künftiger Projekte erschwert.

    "The Green Border": Horrorbilder, die Gefühle wecken!

    Wir haben „The Green Border“ bei den Filmfestspielen von Venedig bereits gesehen. In unserer 3-Sterne-Rezension kommt Filmkritiker Janick Nolting zu dem Fazit, dass sich „Agnieszka Holland auch mit ihrem neuen Drama als bedeutsame politische Gegenwartsregisseurin erweist“. Allerdings wirft er ihr vor, am Ende „überwiegend nur Horrorbilder zu reproduzieren, um die größtmöglichen Gefühle zu wecken.“

    Es ist ein Vorwurf, der nach Meinung des Autors dieser Zeilen zwar seine Berechtigung hat, aber gleichzeitig auch sehr gut zum aktivistischen Ansatz des Films passt – und unglaublich effektiv ist. „The Green Border“ ist ein Film, der richtig wütend macht und mit seiner Darstellung eines ganz realen Horrors aufwühlt. Das ist sehenswert – und läuft hoffentlich auch bald in den deutschen Kinos.

    Noch gibt es keine Startterminankündigung für „The Green Border“. Wir sind aber sehr sicher, dass ein deutscher Kinostart für das auch von den TV-Sendern ZDF und Arte unterstütze Drama demnächst bekannt gegeben wird.

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