Wer auch nur einen Film von Lucrecia Martel („Die Frau ohne Kopf“, „Zama“) gesehen hat, würde wohl nie auf die Idee gekommen, die argentinische Filmemacherin mit Marvel in Verbindung zu bringen. Doch für den „Black Widow“-Solofilm wollten die Studio-Verantwortlichen unbedingt eine Regisseurin – und scheinen einfach jede angesprochen zu haben, die ihnen eingefallen ist. Bevor sich schließlich Cate Shortland („Lore“) der Aufgabe annahm, gab es schon ernste Gespräche mit Martel, deren eigenwillig-strenge Formsprache und fragmentarische Erzählweise eigentlich kaum zu einem Comic-Blockbuster passen mögen. Doch die vor allem auf Festivals gefeierte Regisseurin hat die Idee, für ein Big-Budget-Spektakel verantwortlich zu sein, durchaus gereizt – bis sie hörte, was die Produzenten von ihr erwarteten ...
… nämlich nicht allzu viel: „Sie sagten mir [...]: ,Mach dir keine Sorgen um die Actionszenen, wir werden uns darum kümmern.' Und ich dachte mir: Ich würde zwar gerne Scarlett Johansson treffen, aber ich würde auch gerne die Actionszenen machen“, verriet die Regisseurin im Interview mit The Film Stage.
Sie bräuchten eine weibliche Regisseurin, die sich vor allem mit der Entwicklung von Scarlett Johanssons Charakter beschäftige, sollen die Produzenten zudem beim ersten (und letzten) Treffen mit Martel gesagt haben. Da drängt sich schon sehr der Verdacht auf, dass gerade gefeierte Indie-Regisseur*innen ohne Blockbuster-Erfahrung tatsächlich eher als namhafte Erfüllungsgehilfen für das MCU gesehen werden, denen die Fähigkeit abgesprochen wird, Action zu inszenieren.
Für Marvel-Fans kaum auszuhalten: Gleich drei "Gefragt – Gejagt"-Kandidaten scheitern an dieser ultraleichten MCU-FrageDa die CGI- und Green-Screen-Schlachten in den MCU-Filmen in der Regel ziemlich stromlinienförmig in Szene gesetzt sind, ist ohnehin fraglich ist, inwieweit die Regisseur*innen der jeweiligen Filme wirklich in ihre Konzeption und Umsetzung involviert sind. Ein gutes Licht warf die ganze Angelegenheit in Martels Augen wohl jedenfalls nicht auf den Comic-Giganten – sie sagte dankend ab.
Doch hat Lucrecia Martel im Nachhinein verfolgt, was aus dem Projekt unter der Ägide von Cate Shortland wurde? „Nein, nein, nein – ich habe ,Black Widow' nicht gesehen. Ich habe es versucht“, erzählte die 56-Jährige, die gerade an ihrem ersten Dokumentarfilm-Projekt arbeitet. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich unter den Regisseurinnen sein würde, die Marvel für ein neues Projekt kontaktiert. Ich hätte gerne einen Film mit ihnen gemacht, aber es hätte auch ein Film sein müssen, den ich selber gerne sehen wollen würde.“
Lucrecia Martel: "Das ist wirklich alles sehr, sehr hässlich!"
Das scheint bei den bisherigen Filmen des Marvel Cinematic Universe nicht der Fall gewesen zu sein, wie sie im Interview noch verriet: „Es hat sich herausgestellt, dass einige der Marvel-Filme in Flugzeugen verfügbar sind, also habe ich mir einige davon angesehen. Ich finde, dass der Sound und die visuellen Effekte absolut geschmacklos sind [...] Die Geräusche in Verbindung mit den Effekten, das ist wirklich alles sehr, sehr hässlich. Und dann die Art und Weise, wie die Musik eingesetzt wird, wirklich grauenhaft.“
Scheint ganz so, als würde Martel nicht bereuen, das Angebot des Konzerns ausgeschlagen zu haben – und das obwohl sie damit vermutlich auf einen Schlag mehr Geld verdient hätte als mit all ihren bisherigen Filmen zusammen. Doch ihr Ruf als Künstlerin ist der Autoren-Filmerin augenscheinlich mehr wert gewesen. Denn ob sie die Chance gehabt hätte, aus „Black Widow“ ihren eigenen Film zu machen, ist mehr als fraglich...
Weil die Produzenten unbedingt Charlie Sheen loswerden wollten: Dieser Superstar sollte ihn in "Two And A Half Men" ursprünglich ersetzen!