Am 1. Juni 2023 ist mit „The Boogeyman“ ein neuer Horrorfilm im Kino angelaufen, der auf einer Stephen-King-Kurzgeschichte beruht. Die Vorzeichen standen gut, dass „The Boogeyman“ eine gelungene Adaption werden könnte, denn Regisseur Rob Savage hat mit „Host“ einen der gruseligsten Filme aller Zeiten gedreht – jedenfalls wenn man den Ergebnissen des „Science-of-Scare-Projekt“ Glauben schenken möchte.
FILMSTARTS-Redakteur Stefan Geisler hat sich mit dem Filmemacher via Zoom zum Interview getroffen und mit ihm über dessen eigene Erfahrungen mit dem Boogeyman und die Möglichkeit einer Fortsetzung gesprochen. Doch zunächst wollten wir wissen, welcher denn nun der gruseligste Horrorfilm aller Zeiten ist:
Welcher ist denn nun der gruseligste Film aller Zeiten?
FILMSTARTS: Laut dem „Science-of-Scare-Projekt“ [Anm. d. Red.: Bei dieser Studie wurde der Herzschlag der Proband*innen gemessen, während sie sich verschiedene Horrorfilm angesehen haben] hast du mit „Host“ den gruseligsten Film aller Zeiten gedreht. Ist dieser Titel eine Belastung oder genießt du diese Auszeichnung?
Rob Savage: Ich genieße den Titel sehr, obwohl er natürlich auch ein bisschen albern ist. Wir haben übrigens gleich zwei Filme unter den ersten zehn Einträgen. Mit „Dashcam“ liege ich auf Platz 8 und mit „Host“ auf Platz 1 – und „The Boogeyman“ haben sie noch nicht gesehen, also hoffe ich das ich den auch noch auf die Liste bekomme. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich die ganze Top 10 unter meiner Kontrolle habe [lacht].
FILMSTARTS: Vor dir hatte den Titel Scott Derricksons „Sinister“. Welcher Film ist gruseliger, „Host“ oder „Sinister“?
Rob Savage: „Host“. [lacht] Sorry, aber so ist es nun mal. Natürlich liebe ich „Sinister“, versteh mich nicht falsch.
FILMSTARTS: Wie hast du dich für diese Kurzgeschichte von Stephen King entschieden? Hast du eine persönliche Verbindung dazu?
Rob Savage: Nachdem ich „Host“ gemacht hatte, bekam ich eine Menge Angebote und unter anderem auch diese Kurzgeschichte. Ich habe mich dann für das Projekt entschieden, weil ich sie als Kind gelesen hatte und sie mir damals Angst gemacht hat. Ich habe das Drehbuch gelesen, das zu dieser Zeit von Beckon Woods geschrieben wurde und es fühlte sich nach einer großartigen Gelegenheit an, einen Stephen-King-Film zu machen, was schon immer auf meiner Wunschliste stand. Aber auch, um den endgültigen Boogeyman-Film zu machen, denn es gab eine Menge Filme mit Namen wie „Boogeyman“ oder „The Boogeyman“ und keiner von ihnen ist besonders gut.
Was ist eigentlich der Boogeyman?
FILMSTARTS: Würdest du denn sagen, dass du mit deinem Film die Boogeyman-Frage endgültig geklärt hast? Ist das der absolute Boogeyman-Film geworden?
Rob Savage: Ich denke schon, dass dies der endgültige Boogeyman-Film ist. Dennoch würde ich gerne einen zweiten Film machen und die Geschichte weitererzählen...
FILMSTARTS: Deine Herangehensweise an den Boogeyman unterscheidet sich sehr von der Stephen-King-Kurzgeschichte. Warum hast du dich für einen positiveren Ansatz entschieden?
Rob Savage: Ich habe das Gefühl, dass viele von Kings Kurzgeschichten und besonders die Kurzgeschichten aus „Nachtschicht“ deutlich gemeiner sind als viele seiner längeren Werke. Diese tragen neben dem Horror zumeist einen Zug von Menschlichkeit und Wärme in sich. Diese Art der Verbindung, die man zu den Figuren aufbaut und dieses Flackern von Licht in der Dunkelheit ist etwas, das ich an Kings Werken wirklich schätze. Gerade „The Boogeyman“ und sein Monster mit seinem bösen, nihilistischen Ansatz fühlte sich nicht so an, als würde es in das Gesamtwerk von King passen.
Die Kurzgeschichte als solche ist nur etwa acht Seiten lang, den Rest haben wir selbst entwickelt, wobei wir uns natürlich von der Kurzgeschichte inspirieren ließen. Aber letztlich aber es ist unsere eigene Geschichte, die wir erzählen, und wir wollten sichergehen, dass sie in dasselbe Werk gehört wie der Rest von Kings Geschichten.
FILMSTARTS: Hattest du als Kind einen Boogeyman?
Rob Savage: Ich hatte wirklich Angst vor Geistern, und ich glaube, diese Angst habe ich wahrscheinlich noch immer. Ich hatte immer Angst, dass eine geisterhafte Gestalt am Fußende meines Bettes stehen würde. Und wenn ich heute um 3 Uhr morgens aufwache und einen kalten Luftzug im Nacken spüre, dann ist das immer noch der Punkt, an dem ich Angst bekomme.
FILMSTARTS: Der Umgang mit Trauer ist ein faszinierendes Thema im Horrorfilm. Wie habt ihr euch diesem Thema genähert?
Rob Savage: Ich glaube, wir haben uns bei diesem Film von der Kurzgeschichte inspirieren lassen – von einem Psychiater und einem Patienten, der wirklich gehört und verstanden werden möchte. Es ist zwar ein Film über Trauer, aber eigentlich ist es ein Film über Kommunikation und darüber, mit der inneren Dunkelheit zu sprechen, vor allem, wenn man etwas so Traumatisches wie Trauer und Verlust durchmacht. Unsere Figuren, die alle diesen durch Trauer ausgelösten Entfremdungsprozess durchmachen, tun dies alleine und wissen nicht so recht, wie sie miteinander sprechen sollen, wodurch sie letztlich auch schlechter mit der Dunkelheit umzugehen wissen.
Wir müssen uns aneinander anlehnen und einander zuhören und miteinander kommunizieren, um diese Perioden schlechter psychischer Gesundheit oder die Perioden der Dunkelheit in unserem Leben zu überstehen. Und das ist es, was die Kreatur für mich repräsentiert: All die Dinge, über die die Figuren nicht sprechen, die sie verdrängen. Sie verdrängen diese innere Dunkelheit und sie verdichtet sich zu etwas, dem sie sich letztendlich stellen müssen oder das sie verzehren wird.
FILMSTARTS: An welchem Punkt im Leben wird der Boogeyman zu einer echten Bedrohung? Nicht mehr das Monster unter dem Bett, sondern die Angst vor Krankheit, Verlust und Tod?
Rob Savage: Der Boogeyman ist im Grunde die erste Art und Weise, wie wir als Kinder der Dunkelheit eine Form geben und erkennen, dass die Welt nicht nur aus Mama und Papa besteht, die uns umarmen. Es gibt tatsächlich das Böse da draußen, es gibt Menschen und Dinge, die uns Schaden zufügen wollen – und so ist der Boogeyman die kindliche Manifestation dieser Erkenntnis. Und dann, wenn wir erwachsen werden, lernen wir mit diesen Ängsten auf unterschiedliche Weise umzugehen, aber der Boogeyman ist so etwas wie ein Crash-Kurs für Kinder, um mit allem umzugehen, was außerhalb unseres sicheren Hafens beängstigend ist.
Aber irgendwann muss man als Elternteil sein Kind mit den Gefahren der Welt vertraut machen, man kann es nicht für immer einwickeln und es nicht für immer in Sicherheit wiegen. Da draußen gibt es diese bösen Dinge, denen sich das Kind letztendlich alleine stellen muss, so wie wir uns letztendlich allem alleine stellen müssen.
FILMSTARTS: Das Ende des Films bleibt offen. Ich hatte aber dennoch das Gefühl, dass Sadie letztendlich einen Weg findet, mit dem Boogeyman umzugehen, so wie auch jeder von uns einen Weg finden muss, mit Trauer und Verlust umzugehen.
Rob Savage: Der Umgang mit diesen Gefühlen ist ein ständiger Prozess. Du musst dich selbst daran erinnern, diese Tür nicht zu lange zu öffnen und in die Dunkelheit zu starren – auch wenn du weißt, dass sie da ist. Jeder, der eine psychische Krise oder persönlichen Verlust durchgemacht hat, weiß, dass der Umgang damit ein ständiger Prozess ist. Man wird nie aufhören, die Person zu vermissen und die Person wird nie aufhören, im Leben der Hinterbliebenen präsent zu sein, aber der Verlust wird zu etwas, mit dem man tagtäglich leben können muss.
Für uns war es wichtig herauszuarbeiten, dass es keinen klaren Sieg gibt, sondern ein Verständnis dafür zu schaffen, was tagtäglich getan werden muss, um diese Sache in den Griff zu bekommen und sich selbst davor zu bewahren, in die gleiche Falle zu tappen, in der wir sie am Anfang des Films finden, als sich alle mit ihren Gedanken voneinander isoliert haben.
"The Boogeyman 2" im Stil von "Prey"?
FILMSTARTS: Kannst du mir etwas über das Design der Kreatur erzählen? Warum sieht der Boogeyman wie eine die Art Weltall-Spinnen-Gollum aus?
Rob Savage: [lacht] Ich mag die Beschreibung. Die Kreatur sollte sich wie etwas Uraltes und Ursprüngliches anfühlen. Etwas, das existiert, seit es die Dunkelheit gibt. Wir nennen es den Boogeyman, aber der Boogeyman und die Dunkelheit, in der er lebt, umfasst alles, worüber du sprichst: Tod, Pestilenz und Krankheit. Ich habe den Designern gesagt, dass sie sich diese Kreatur wie etwas vorstellen sollen, das am Rande eines Lagerfeuers, an dem sich die Höhlenmenschen versammelt haben, durch die Dunkelheit schleicht.
Dieses Ding existiert seit Anbeginn der Zeit und jetzt in deinem Kleiderschrank und in hundert Jahren wird es auch noch existieren. Also musste es sich einfach und uralt anfühlen. Wir haben versucht, das Design dabei so einfach wie möglich zu halten – wie ein Kind es zeichnen würde. Und dann letztendlich, wenn man die Kreatur am Ende sieht, wollten wir, dass es dieses seltsame Lovecraft'sche Element des Bodyhorrors gibt. Und selbst nachdem man die Kreatur in ihrer vollen Pracht gesehen hat, sollte es immer noch Elemente an ihr geben, die unerklärt bleiben.
FILMSTARTS: Der Boogeyman in der Morgendämmerung der Menschheitsgeschichte wäre aber auch eine nette Idee für eine Fortsetzung.
Rob Savage: Ja, so wie „Prey“, aber mit dem Boogeyman.