Er wurde für seine verblüffend-extravagante Ausstattung und seine hypnotische Vereinigung aus Prunk, Brisanz und tragischem Horror zelebriert. Zudem stand er lange unter Jugendverbot und wurde stark zensiert: um rund 30 (!) Minuten, die zwischenzeitlich aus der übernatürlich aufgezogenen Historien-Tragödie geschnitten wurden. Daher musste Jahrzehnte später die ursprüngliche Filmfassung von „Pest in Florenz“ mühselig rekonstruiert werden.
Die Uncut-Version des Filmklassikers wurde 2015 bei arte ausgestrahlt – geschlagene 96 Jahre nach der Weltpremiere des morbiden Monumentalfilms. Jetzt endlich ist das erschreckend aktuelle Bombastwerk auch im Heimkino erhältlich: Diese Woche feierte „Pest in Florenz“ seine HD-Premiere in limitierter Auflage, uncut und bestmöglicher Qualität.
Der von „Metropolis“-Regisseur Fritz Lang verfasste, nun ab zwölf Jahren freigegebene Stummfilm basiert auf der Kurzgeschichte „Die Maske des Roten Todes“* von Edgar Allan Poe. Lang interpretierte Poes Vorlage allerdings nur lose und fügte dem Stoff eine prägnante, erotische Note hinzu.
"Pest in Florenz": Edgar Allan Poe – aber verführerisch
Florenz gilt als sittenstrenger, wenngleich prachtvoller Ort. Doch dann tritt die Kurtisane Julia (Marga Kierska) auf den Plan und stürzt die Stadt in einen berauschenden Strudel der Leidenschaft: Cesare (Otto Mannstaedt), der Herrscher über Florenz, verliebt sich augenblicklich in sie – bekommt von ihr aber zu Gunsten seines Sohnes Lorenzo (Anders Wikmann) die kalte Schulter gezeigt. Cesare verurteilt Julia zu qualvoller Folter, was Lorenzo zu Blutrache bewegt. Eine Fehde mit schwerwiegenden Folgen – ganz Florenz verfällt der Zügellosigkeit und Wollust. Selbst die Kirche gibt sich dem Sinnesrausch hin, ebenso wie der anfangs noch mahnende Einsiedler Franziskus (Theodor Becker)...
Skandal-Klassiker des erotischen Horrorkinos feiert Heimkino-ComebackBereits Poes Kurzgeschichte, die von den frivolen Eskapaden in Zeiten einer tödlichen Plage handelt, ist sexuell aufgeladen. Doch Langs Drehbuch spitzt die erotischen Anspannungen der Vorlage zu und interpretiert die Pest als fleischgewordene Verführerin.
Inszeniert wurde diese schaurig-sinnliche Umdeutung eines fatalen Geschichtskapitels von Kino-Pionier Otto Rippert, der wenige Jahre zuvor das Sci-Fi-Epos „Homunculus“ gestemmt hat. In „Pest in Florenz“ fängt Rippert den Prunk des titelgebenden Schauplatzes mit gigantischen Setbauten sowie überbordenden Massenszenen ein.
Die verhängnisvolle Vergnügungssucht wird mit für jene Zeit ambitionierten Montagen und einem sich in einen Rausch steigernden Cast unterstrichen, sowie durch ein Erzähltempo, das sich dieser Zügellosigkeit anpasst. Damit hat „Pest in Florenz“ gewissermaßen einen der größten Skandalfilme der vergangenen Jahre vorweggenommen.
Tanzt und tummelt euch, trotz der Gefahr
Horden an Menschen, die sich hedonistischen Freuden hingeben – und letztlich im Wahn ihrer Vergnügungssucht Leid und Tod heraufbeschwören: So lässt sich nicht bloß „Pest in Florenz“ zusammenfassen, sondern auch „The Sadness“. Im während der Corona-Pandemie entstandenen Brutalo-Reißer bringt ein mutiertes Virus die Infizierten dazu, ihren niedrigsten Trieben nachzugehen – ohne Rücksicht auf fremde Leben.
Der derbe Horror-Schocker wurde nicht nur aufgrund seiner drastischen Gewaltdarstellung heiß diskutiert, sondern auch wegen seiner Aussage: „The Sadness“, der 2022 mehrere Anläufe brauchte, um uncut durch den deutschen Jugendschutz zu kommen, war als harscher Kommentar auf Taiwans lasche Covid-Politik gemeint. Wie sehr die Botschaft beim nach Blut und Grenzerfahrungen gierenden Publikum ankam, ist nicht verbucht.
„Pest in Florenz“ entstand wiederum zu einer Zeit, zu der die Spanische Grippe grassierte. Die schlimmsten Wellen, die mehrere Millionen Menschenleben kosteten, lagen bei Kinostart bereits hinter der Bevölkerung Westeuropas, allerdings forderten lokale Virenherde weiterhin viele Opfer.
In ausgerechnet diesem Klima schilderte „Pest in Florenz“ die titelgebende Seuche als sinnliche Verführung auf zwei Beinen, die Menschen aus ihren sicheren Refugien lockt und zu leichtsinnigem Vergnügen, tänzerischer Umtriebigkeit und letztlich zu tödlichem Handeln bewegt. Marga Kierska war in der Rolle der Julia quasi die temperamentvoll-verruchte Vorfahrin des „The Sadness“-Terrorvirus...
Diese Filme sind zu hart für eine FSK 18 – und gibt’s dennoch uncut im Heimkino!*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.