Es gibt diese Filme, die einen etwas verwirrt und sprachlos zurücklassen, nach denen man erst mal kurz Luft holen muss. Filme, in denen Grenzen und Ebenen verschwimmen, man als Zuschauer schon beinahe ein bisschen gequält wird. David Lynchs „Eraserhead“ oder „Lost Highway“ gehören z. B. zu diesen Filmen, Darren Aronofskys „Pi“ oder „Black Swan“ ebenfalls.
Und auch „Holy Motors“ von Leos Carax ist definitiv einer von ihnen. Und sorgte bei mir, damals auf dem Filmfest München, auf dem er, wie bei zahlreichen anderen Festivals auch, einen Preis gewann, für ein einzigartiges „What the fuck“-Kinoerlebnis – und ja, auch ein mehrfaches Sehen schmälert diese Wirkung nicht. Wenn ihr den Film am eigenen Leib erfahren wollt, könnt ihr ihn aktuell zum Beispiel auf Sooner streamen - sogar kostenlos. Denn das Probeabo ist dort sogar 14 Tage kostenlos!
Doch worum geht es eigentlich?
Tatsächlich lässt sich das so einfach gar nicht erklären. Nur so viel, zumindest auf der ersten, der Betrachtungsebene: Wir folgen Monsieur Oscar (Denis Lavant) durch seinen Arbeitstag. Einen Großteil dessen verbringt er in seiner Limousine, mit der ihn seine Fahrerin/Assistentin Céline (Édith Scob) von Auftrag zu Auftrag durch Paris chauffiert. Zwischen den Jobs liest er Skripte, verkleidet sich, bereitet sich vor.
Und kein Auftrag gleicht dem vorherigen: Da ist das wunderschöne Model Kay M. (Eva Mendes), das er als Abbild eines irischen Trolls an sich reißt. Ein Mädchen (Jeanne Disson), das er von einer Party nach Hause fährt. Er mordet in der einen, liegt auf dem Sterbebett in der nächsten Szene. Und trifft zwischendurch Eva/Jean (Kylie Minogue), mit der ihn eine alte Geschichte zu verbinden scheint...
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Was in „Holy Motors“ wirklich vor sich geht, begreift man bis zum Schluss nicht. Kino bzw. Film scheint ein Schlüssel zu sein, irgendwie: Denn was man am Ende, wenn man bei sprechenden Limousinen (Cronenberg lässt grüßen) angekommen ist, beinahe vergessen hat, ist der Anfang: Ein Kinosaal voll gesichtsloser, vor sich hin schlafender Zuschauer. Eine schwarze Dogge, die hindurch schleicht wie ein Panther. Und natürlich ist da Monsieur Oscar – der Name vielleicht eine Anspielung? – seine Skripte, und die zahlreichen Rollen, in die er schlüpfen muss.
Das Leben als Performance
Er vermisse die Kameras, so heißt es einmal, sie seien inzwischen so klein, dass man sie nicht mehr sehe. Das muss man als Zuschauer dann einfach so hinnehmen und mitgehen – während Carax das Spiel mit den Ebenen und den Rollen ad absurdum führt. Wie auch in Lynchs „Lost Highway“ oder anderen Metafilmen stellt man sich auch hier die Frage, welche Realität denn nun real ist oder vielmehr: Was ist eigentlich Realität? Und spielen nicht auch wir tagtäglich unsere wohl einstudierten Rollen – die Arbeits-Rolle, die Familien-Rolle, die Party-Rolle... Und warum also nicht sich einfach mal selbst begegnen und in den Kopf schießen?
Wie dem auch sei, was hier nach großem Chaos und großem Unverständnis klingt, funktioniert am Ende trotzdem. Nicht nur, weil die einzelnen Episoden auf verschiedenste Art und Weise unterhaltsam sind, sondern weil Denis Lavant auch so grandios durch diese abstruse Handlung trägt, dass es einen irgendwann nicht mehr kümmert.
Das liegt nicht zuletzt an dem unfassbaren visuellen Reiz, der von diesem Werk ausgeht: Da ist nicht nur das nächtliche Paris. Wir folgen Monsieur Oscar über Friedhöfe, in Kanalisationen, in eine erotische Stop-Motion-Situation … und nicht zuletzt auch in seine weiße Stretch-Limo, auf deren Rücksitz er sich immer wieder aufs Neue verkleidet, sein Gesicht und seinen Körper verwandelt, verunstaltet und damit selbst zuletzt zur reinen Performance wird. Das alles ist mal grotesk, mal komisch, mal irgendwie schön – und insgesamt ein Ritt, wie nur das Kino ihn zustande bringt.
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