+++ Meinung +++
Ein herausragendes Ensemble allein macht noch keinen Hit: Derzeit läuft mit „Amsterdam“ einer der größten Flops des Jahres in den Kinos. Der starbespickte, komödiantische Historienthriller von „American Hustle“-Macher David O. Russell steuert basierend auf Schätzungen von US-Finanzexpert*innen auf ein Minus von fast 100 Millionen Dollar zu – und die Kritiken sind ähnlich grimm! Bei FILMSTARTS etwa wurde „Amsterdam“ mit enttäuschenden 1,5 Sternen abgestraft.
„Selten wurden mehr Stars auf einmal verschenkt wie in dieser lahmen Komödie“, heißt es in unserer Kritik zum Schaulaufen solcher Persönlichkeiten wie Christian Bale, Anya Taylor-Joy, Chris Rock und Taylor Swift. Wenigstens Margot Robbie kann dem Flop positiv ihren Stempel aufdrücken, trotzdem gibt es deutlich bessere Misserfolge, in denen die zukünftige „Barbie“-Titelheldin ordentlich auftrumpft. Wie etwa den nahezu unbekannten Rachethriller „Terminal – Rache war nie schöner“, der derzeit unter anderem via Amazon Prime Video gestreamt werden kann.
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"Terminal": Rache war selten seltsamer
Zwei Auftragskiller (Dexter Fletcher und Max Irons) nehmen einen Job an, bei dem ein hohes Honorar winkt. Während ihrer blutigen, nächtlichen Mission begegnen sie in einem Diner der energiegeladenen Kellnerin Annie (Margot Robbie). Die erweckt den Anschein, mehr zu wissen, als den Killern lieb sein sollte. Ebenso treibt Annie mit dem suizidgefährdeten Gast Bill (Simon Pegg) ein perfides Spiel. Und dann ist da noch der merkwürdige Hausmeister Clinton (Mike Myers), der Fragen aufwirft. Beobachtet er etwa genüsslich Annies manipulative Aktionen?
Die hyperstylische Mischung aus Neo-Noir, surrealistischem „Alice im Wunderland“-Fiebertraum und futuristischem Rachethriller ging im Kino völlig baden: Global nahm „Terminal“ während seiner Kinoauswertung weniger als 900.000 Dollar ein. Auch im Heimkino hinterließ das wenig beworbene Kuriosum bislang nahezu keinen Eindruck. Ein echter Jammer, denn „Terminal“ ist genau das, wovon sich so viele Filmfans größeren Nachschub wünschen: Ein total schräger, skurriler Trip, hinter den sich ein Weltstar klemmt!
„Terminal“ ist eine völlig verschrobene Stilübung, die auf Erzählkonventionen genauso pfeift wie auf das ästhetische Geschmacksempfinden des Mainstreams – und Margot Robbie spult den Film nicht etwa routiniert runter: Sie verbeißt sich mit glühender Spielfreude in dieses skurrile Projekt, das sie zudem als Produzentin mitbetreut hat. Es ist schade, dass sich nicht mehr Stars ihres Kalibers bemühen, seltsame Passionsprojekte umzusetzen – allerdings beweist das glanzlose Abschneiden von „Terminal“, weshalb dem so ist.
Zweifelsohne: „Terminal“ ist eine derart selbstbewusst-absonderliche Mischung, dass sie wahrlich nicht für jeden Filmfan geeignet ist. Allerdings setzt der Thriller seine Inspirationen auf so unvergleichliche Weise zusammen, dass man ihn dringend gesehen haben sollte. Sei es, um zu glauben, dass es ihn gibt, oder sei es, damit man während des Anschauens erkennt, genau der Zielgruppe anzugehören, die sich von ihm berauschen lässt.
Die beiden großen Stars von „Terminal“ sind einerseits seine Ästhetik und andererseits die völlig entfesselte Margot Robbie, die als Annie die Handlungsfäden zusammenhält. Robbie spielt die Kellnerin mit dem Wahnsinn ihrer Harley Quinn, jedoch ist die „Terminal“-Protagonistin weitaus weniger sprunghaft als die DC-Schurkin. Stattdessen ackert sie sich mit strengem Fokus und der verrauchten Sinnlichkeit einer Femme fatale, die einem klassischen Film noir entflohen und dabei in einen Farbeimer gefallen ist, zu ihrem kühl kalkulierten Ziel.
Ein stilisierter Albtraum
Wie alles in „Terminal“, ist auch Robbies Spiel enorm stilisiert: Die zu gleichen Teilen nihilistische und ironisch unterstrichene Art Annies beginnt bei theatralem Pathos und reicht mitunter bis hin zur Performance-Kunst. Doch in der Welt, die Regisseur/Autor Vaughn Stein kreiert, wäre es kein Stückchen zweckdienlich, „echter“ zu spielen: Die Welt von „Terminal“ ist ein faszinierend-facettenreicher Albtraum, in dem hübsche stilistische Versatzstücke eine beunruhigende Ehe eingehen.
Die leergefegten, Paranoia anstoßenden Schauplätze werden prominent von Neon-Leuchtreklameschildern beleuchtet und atmen teilweise eine Nostalgie für die Blütezeit der American Diners. An anderer Stelle leben sie einen Futurismus, als seien „Blade Runner“ und „Tron Legacy“ ineinander kollabiert. Hinzu kommen scharfe Lichtverläufe und erdrückende Schatten, als hätte jemand in einem Film noir die knallbunten Lampen aus „The Neon Demon“ aufgebaut und angeknipst.
Das erzeugt eine intensive, desorientierende Atmosphäre und verdeutlicht intensiv, wie unermüdlich sich die Ungleichbehandlung zwischen den Gendern durch die Jahrzehnte gerettet hat. Mit seiner nachdrücklich vermittelten Botschaft, die eine Gratwanderung zwischen Zornigkeit, Verbitterung und Galgenhumor wagt, ist „Terminal“ gewissermaßen der Vorbote der ebenfalls von Robbie produzierten Rache-Thrillersatire „Promising Young Woman“. Bloß, dass das mit einem Oscar gekrönte Carey-Mulligan-Vehikel eher in unserer Realität verwurzelt ist und bissig-konsequent zu einem Ende findet.
Der Auflösung von „Terminal“ hingegen fehlt der letzte Schuss Wahnsinn, um dem Vorhergegangenen die Krone aufzusetzen. Doch wenn man die Wahl hat zwischen einem 134-minütigen Kinofilm, in dem Robbie nahezu der einzige Biss ist, und einem kompakt-intensiven Robbie-Rache-Trip im Streaming, dessen größte Schwäche ist, dass er nicht noch weiter aufdreht... Dann dürfte die Entscheidung doch nicht allzu schwer fallen?
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