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    Upside Down
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Upside Down
    Von Jan Hamm

    Als Metapher bezeichnet man ein Bild, das im übertragenen statt im Wortsinn gebraucht wird. Wenn wir von Kindern verschiedener Welten sprechen, meinen wir damit in der Regel nicht wirklich, dass etwa Romeo vom Planeten Erde und Julia vom Jupiter stammt. Metapher, das bedeutet immer auch Abstraktion. Oder auch nicht – zumindest laut Juan Diego Solanas, der in seiner Fantasy-Romanze „Upside Down" schlichtweg alles so wörtlich wie irgendwie möglich nimmt. Hier stammen besagte Kinder tatsächlich von zwei Welten. Und die kreisen unmittelbar umeinander, so nah, dass sich ihre Gipfel fast berühren und gerade noch so fern, dass sie jeweils eine eigene Schwerkraft haben. Dass das physikalisch betrachtet Blödsinn ist, sollte eigentlich keine Rolle spielen. Schließlich muss im Kino, im Raum des Phantastischen, erst einmal alles erlaubt sein – solange es einer fesselnden Erzählung dienlich ist. Solanas ist jedoch viel zu beschäftigt damit, den Unterschied zwischen übertragenem und wörtlichem Sinn einzustampfen, um nebenher noch eine wenigstens halbwegs schlüssige Geschichte mitzuliefern. Zu Beginn mag man dabei dank schier atemberaubender CGI-Gemälde noch folgen. Allzu schnell jedoch verkommt „Upside Down" aufgrund himmelschreiend dämlicher Dialoge, eintöniger Schauspielführung und dramaturgischer Leblosigkeit zur nervenaufreibenden Geduldsprobe.

    Seit dem Verlust seiner Eltern fristet Adam (Jim Sturgess) ein tristes Dasein auf der proletarischen „unteren Welt". Zum Glück schaut die zauberhafte Eden (Kirsten Dunst) immer wieder mal von der kapitalistischen „oberen Welt" aus vorbei, um so romantische wie strikt verbotene Völkerverständigung zu betreiben. Als eine Bande schießwütiger Unholde aus dem Unterholz am Fuß der gebirgigen Weltenbrücke bricht und das Tau zwischen den Liebenden zerballert, stürzt Eden so hart zurück, dass sie einen Gedächtnisverlust erleidet. Zehn Jahre später setzt Adam endlich seinen Plan um, sich als Wissenschaftler getarnt bei der „Transworld"-Corporation, die seiner Heimat Öl absaugt und teuer zurückverkauft, einzuschleichen und Eden zu finden. Da aber jeder Reisende an die Schwerkraft seiner eigenen Welt gebunden bleibt und mitgebrachte Stofflichkeiten nach wenigen Stunden auf der anderen Seite Feuer fangen, hat Adam erst einmal alle Hände voll damit, nicht gleich aufzufliegen und zurückgepfeffert zu werden. Außerdem müssen ja auch irgendwie noch Edens Erinnerungen freigeschaufelt werden...

    So spaßig und gelegentlich durchaus angebracht Logikdebatten auch sein mögen, so klar ist auch, dass Logik im Kino eigentlich keine übergeordnete Rolle spielt. Immerhin lassen wir selbst Regie-Titanen wie Steven Spielberg bereitwillig mit gröbsten Logikfehlern davonkommen, wenn damit wichtigere Ziele erreicht werden – etwa wenn im „Jurassic Park" an der Stelle des grade noch ebenerdigen T-Rex-Geländes wenige Minuten später plötzlich ein tiefer Abgrund klafft. Solanas scheitert mit „Upside Down" eben nicht aufgrund der vielen Unstimmigkeiten, die mit seiner spektakulär animierten und beispiellos wörtlich genommenen Metapher einhergehen. Da fliegt eine Krawatte nach oben, während der restliche Anzug brav nach unten fließt. Da wird sanft in Richtung der einen Welt gesegelt, während halsbrecherisch in Richtung der anderen gestürzt wird. Und da wird einfach mal so locker bekleidet und unbescholten von Wind und Wetter zwischen eisigen Gebirgen umhergehüpft, während drumherum Schnee und Wolken durcheinanderstürmen. Ja, visuell und atmosphärisch beeindruckend ist das bis zum letzten Bild. Erzählerisch aber tappt Solanas von den ersten Minuten an im Dunkeln.

    Dass sich die Turteltäubchen einer so schwelgerisch gestalteten Romanze zwei Filmdrittel lang garnicht erst begegnen und ihre ach so schicksalsträchtige Liebe so auch nie wirklich erfahrbar wird, ist dabei nur die Spitze des kopfstehenden Eisbergs. Solanas baut darauf, dass sich sein Publikum bereitwillig von den phantasievollen CGI-Panoramen mitreißen lässt und mit genau dem kindlich-fassungslosen Staunen an der Leinwand klebt, dass er „Cloud Atlas"-Star Jim Sturgess in jeder zweiten Einstellung demonstrativ zur Schau tragen lässt. Zwischentöne gibt es nicht in „Upside Down". Übergroß ist hier nicht nur das Bild, sondern auch das gesprochene Wort und die schauspielerische Geste. So wird etwa die Klassenkampf-Parabel übereinander gestülpter Proletarier- und Kapitalisten-Welten regelrecht ins Publikumsbewusstsein gedrescht: „Stimmt es, dass da oben das totale Paradies ist?" – „Ich glaube nicht, egal wie reich die da oben sind." Keinen Deut eleganter geschrieben ist eine Rückblende, in der sich Adam und Eden das erste Mal begegnen: „Hallo da unten, ich suche meinen Hund und ich darf nicht mit dir reden."

    Romantik à la „Upside Down" bedeutet vor allem niedliches Kichern und Knuddeln, das unangenehme Erinnerungen an Anakins und Padmes Wald- und Wiesen-Hüpferei in „Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger" wachruft. Mit zwei nachvollziehbar zusammengeführten Liebenden wie zuletzt in George Nolfis wunderschöner Fantasy-Romanze „Der Plan" hat das nichts zu tun. Und mit Körperlichkeit erst recht nicht, auch wenn zum Schluss tatsächlich Zwillinge unterwegs sein sollen. Schließlich heißt Adams Herzensdame hier Eden, das verlorene Himmelreich, und nicht Eva, die Verführerin. Kurz vor Schluss erinnert sich das Himmelreich dank einer spontanen Eingebung auch endlich daran, wer der lautstark an die Pforte klopfende Adam eigentlich ist. Pünktlich zum Finale hängen sich der ständig euphorisierte Jim Sturgess und die zuvor weitestgehend apathische Kirsten Dunst dann plötzlich in den Armen: „Unsere Liebe wird für alle Ewigkeit den Lauf der Historie ändern. Aber das ist eine andere Geschichte!" – und eine Ansage, die nach einer so fürchterlich schludrigen Erzählung fast wie eine Drohung wirkt.

    Fazit: Als auf fünf Minuten zusammengekürzter Videoclip zu einem Liebeslied wäre Juan Diego Solanas „Upside Down" sicher ein berauschendes Erlebnis. Auf Spielfilmlänge aufgeblasen können aber auch die grandiosen Bilder nicht davon ablenken, dass hier inhaltlich – freilich nur metaphorisch gesprochen – einfach zu viel in den Sand gesetzt wird.

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