John Woo selbst bezeichnet „A Better Tomorrow 2“ als den „vielleicht schlechtesten Film“, den er je gemacht hat. Und so ganz Unrecht hat er damit nicht, wenn man mal von seinen verunglückten Hollywoodfilmen absieht (Ausnahme: Im Körper des Feindes). Während der erste Teil zu Recht den Status eines Klassikers genießt und in allen Belangen hervorragend inszeniert ist, stellt die Fortsetzung nur noch ein müdes Plagiat dar, eine Karikatur seines Vorgängers. Gedreht wurde er aufgrund des enormen Kassenerfolgs von A Better Tomorrow, der im Sommer 1986 Rekorde brach und Chow Yun-Fat zum Superstar avancieren ließ. Auf Drängen von und in enger Zusammenarbeit mit Tsui Hark (Once Upon A Time In China, „A Better Tomorrow 3“) realisierte Woo dann ein Jahr später das Pflichtsequel – ohne auch nur im Entferntesten an die narrative und dramaturgische Dichte von „A Better Tomorrow“ anknüpfen zu können.
Die Geschichte ist Mittel zum Zweck: Onkel Lung (Dean Shek), ein guter Freund von Ho (Ti Lung), war früher ein böser Bube und will jetzt einfach ein rechtschaffenes Dasein als Besitzer eines kleinen Schifffahrtbetriebes fristen. Doch die Polizei traut ihm nicht und lässt ihn von Kit (Leslie Cheung; „Days Of Being Wild“) observieren. Der junge Polizist nistet sich sogar im engsten Kreis um Lung ein und bändelt mit dessen Tochter an, um mehr über etwaige Machenschaften zu erfahren. Und natürlich treten auch die Bösewichte recht bald auf, Erpressung inbegriffen. Ho sitzt derweil noch immer im Gefängnis (wir erinnern uns, in Teil 1 wurde er eingelocht). Als er erfährt, dass sein Bruder (Kit) sich an die Fersen von Lung geheftet hat, willigt er in einen Deal ein, der besagt, dass er seinen früheren Freund ebenfalls ausspionieren soll. Schnell geraten die Dinge außer Kontrolle: Lungs Tochter wird ermordet und dieser taucht, geistig heftig umnachtet, in New York unter. Denn da kennt er jemanden: Ken Gor, gespielt von Chow Yun-Fat. Aber ist Chow Yun-Fat nicht im ersten Teil erschossen worden? Schon, aber Ken ist eben der bisher unerwähnte Zwillingsbruder! Über diesen unterirdischen Drehbuchkniff sollte man sich nicht lange ärgern, denn so darf Yun-Fat immerhin wieder mitspielen, ein Segen für Publikum und Produzenten. Ein paar sehenswerte Shoot Outs später kommt es in Hongkong zum exzessiven Finale im Haus des Oberbosses. Chow Yun-Fat, Ti Lung und Dean Shek ballern, in Anzüge gehüllt, wild um sich und erschießen gefühlte 200 Gangster. Die Action dauert (zumindest in der Uncut-Version) rund 20 Minuten, ist das eigentliche Herzstück des Films und gehört zu den haarsträubendsten Schießereien der Filmgeschichte - der wohl einzige Grund für den Kultcharakter des Streifens.
Was an „A Better Tomorrow 2“ am meisten nervt, ist die Performance von Dean Shek, der eine absolute Fehlbesetzung ist. Der auf Komödien spezialisierte Hongkong-Star spielt dermaßen „over the top“, dass man ihm schon nach wenigen Szenen eine Kugel in den Kopf wünscht. Am schlimmsten wird es, als er zeitweise geistig zurück geblieben ist (wegen eines Schocks). In diesem Teil des Films spielt Shek wie ein Kind, das sich in die Windeln geschissen hat, gibt Grunzlaute von sich und zieht keine Spur Mitleid seitens der Zuschauer auf sich, sondern den nackten Hass. Als er das Essen verweigert und Chow Yun-Fat ihn mit einer Orange füttert, hat „A Better Tomorrow 2“ seinen Tiefpunkt erreicht und John Woo die schmale Grenze zwischen Melodramatik und Kitsch deutlich überschritten.
Was dem Film trotz Dean Shek und der dünnen Geschichte ein gewisses Charisma verleiht, ist die Präsenz von Chow Yun-Fat und ein paar schöne Szenen. Zum Beispiel der erste Auftritt von Ken Gor, der in seinem New Yorker Chinarestaurant von Schutzgelderpressern angepöbelt wird. Als Antwort erzählt er dem Anführer der rotzfrechen Rundaugen, dass Reis für Chinesen wie Vater und Mutter sei und zwingt ihn mit vorgehaltener Waffe den Reis ohne zu Hilfenahme der Hände zu essen. Und dann natürlich der finale Schusswechsel, den Quentin Tarantino glatt in sein Drehbuch zu True Romance aufgenommen hat („A Better Tomorrow 2“ läuft dort im Fernsehen). „Waren die Filme von Sam Peckinpah so etwas wie Blutballette, so sind die von John Woo chinesische Blutopern, in denen die romantischen, ultrabrutalen Zwischenspiele Arien sind, welche die Emotionen ausdrücken und abführen, die sich während der rezitativen Melodrama-Passagen aufgebaut haben. Bei einer derart extremen Dramatik müssen die Action-Explosionen nuklear sein.“ Das schreibt der Filmkritiker David Chute in „L.A. Weekly“. Und nuklear ist wohl das richtige Wort für die von Ching Siu-Tung genial choreographierte Endschlacht. Die Gangster sterben in Scharen und die weiß angestrichenen Wände des Hauses, in dem es da kracht, sind binnen weniger Minuten blutrot verschmiert. Ti Lung gibt im Andenken an seine alten Kung-Fu-Zeiten einen Schwertkampf zum Besten und Chow Yun-Fats Begegnung mit der rechten Hand des Oberchefs darf wohl als eines der intensivsten Chinese Stand Offs des Hongkong-Kinos bezeichnet werden (Chinese Stand Off ist das Aufeinanderzielen zweier Figuren; ein beliebtes Stilmittel John Woos, dass er seit „A Better Tomorrow 2“ in jedem Film anwendet). Garniert wird das comichaft überzeichnete Finale mit der nötigen Portion Selbstironie und ein paar Litern Kunstblut.
Ursprünglich sollte „A Better Tomorrow 2“ eine Lauflänge von 160 Minuten haben, wurde aber extrem gekürzt. Vielleicht liegt es auch daran, dass er einen verkorksten Gesamteindruck hinterlässt. Es steht jedenfalls außer Frage, dass die Fortsetzung in keiner Hinsicht an „A Better Tomorrow“, den Ur-Klassiker des Achtigerjahre-Hongkongkinos, anknüpfen kann. Aber: Es geht auch noch schlechter. Das hat Tsui Hark mit seinem dritten „A Better Tomorrow“-Teil eindeutig bewiesen.