Mit dem Verhältnis von Remakes und Originalen ist das immer so eine Sache. Oftmals ist das Remake schlicht überflüssig und erreicht bei weitem nicht die Klasse des Originals. Es gibt aber auch Fälle, in denen das Remake viele eigene Qualitäten hat. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es sich die Fortschritte, die es über die Jahre in technischer Hinsicht gab, im Kontext der Story zunutze machen kann. Alexandre Ajas The Hills Have Eyes ist ein Beispiel für ein solch gelungenes Remake. Atmosphärisch dicht und versehen mit einem größtenteils hervorragenden Spannungsaufbau nutzt er die moderne Technik da zum Vorteil, wo Wes Craven 1977 noch ein wenig zurückstecken musste. Er kann die kompromisslose Brutalität des Films noch stärker verdeutlichen. Wozu bedarf es denn dann überhaupt noch des Originals, wenn doch ein gelungenes Remake existiert? Kann man auf das Anschauen von diesem denn nun verzichten und sich stattdessen lieber noch einmal am Remake ergötzen? Ganz klar: Nein! Denn auch wenn Alexandre Aja ein Remake gedreht hat, so hat er doch Wes Cravens Film nicht kopiert. So haben beide Filmemacher ganz unterschiedliche Schwerpunkte bei der Erzählung der Geschichte gesetzt. Und gerade diese Unterschiede sind es, die dafür sorgen, dass beide Filme ihre Stärken teilweise ganz woanders haben.
Schon nach wenigen Minuten von „Hügel der blutigen Augen“ lassen sich zahlreiche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Filmen entdecken. Der Grundplot ist erst einmal der gleiche. Familie Carter reist angeführt von Oberhaupt „Big Bob“ (Russ Grieve, „Foxy Brown“) durch die Yucca-Wüste. Neben „Big Bob“ umfasst die Familie noch seine Ehefrau Ethel (Virginia Vincent, „Lasst mich leben“), Sohnemann Bobby (Robert Houston, „1941 - Wo bitte geht's nach Hollywood“) sowie die Töchter Brenda (Susan Lanier) und Lynne (Dee Wallace Stone, E.T. - Der Außerirdische). Mit von der Partie sind auch noch Lynnes Ehemann Doug (Martin Speer, Coma), ein bebrillter Studierter und damit das genaue Gegenteil von Big Bobs Wunschschwiegersohn, das kleine Baby des jungen Ehepaares sowie die beiden Schäferhunde Beauty und Beast. In der verlassenen Wüste wird Familie Carter plötzlich mit dem puren Bösen konfrontiert. Ein Clan von Kannibalen unter Führung von Oberhaupt Jupiter (James Whitworth) setzt ihnen zu. Diese töten erst Schäferhund Beauty. Dann muss „Big Bob“ dran glauben. Er wird gekreuzigt und angezündet. Ethel und Lynne werden erschossen, Brenda wird vergewaltigt. Um zu überleben, müssen sich Bobby, Doug und Brenda der Kannibalenfamilie entgegenstellen, ihre Kraft sowie ihre Wut bündeln und selbst töten, töten, töten...
Wes Craven lässt in seinem Film zwei Familien aufeinanderprallen und macht schnell deutlich, dass Gewalt der einzige Weg zum Überleben ist. Im Gegensatz zu Ajas Remake wird dabei auch der in der Wüste lebenden Familie Aufmerksamkeit geschenkt. Auch wenn sie mitten in einem militärischen Testgebiet lebt, so bleibt doch offen, warum diese Familie ihr Kannibalendasein führt. In Ajas Remake sind sie offensichtlich durch die Atombombentests und die radioaktive Strahlung mutiert, teilweise kaum mehr als Menschen wahrzunehmen. Wes Craven liefert keine Erklärungen, streut nur ein paar – vielfältig deutbare – Hinweise. Dies führt dazu, dass man die Familie deutlich stärker als menschliche Wesen wahrnimmt und sie vor allem symbolischen Charakter bekommt. Die Familie ist eine ausgegrenzte Minderheit und steht wohl auch metaphorisch für einige verfolgte Gruppen. Sie hat sich in die Einöde zurückgezogen, weil sie nur dort leben kann. Sie wird auch deutlich weniger dämonisiert als im Remake. Dazu gehört auch, dass die Sippe lange nicht so planvoll vorgeht und der Unfall der Carters nicht von ihnen inszeniert wird, sondern zufällig geschieht. Zu beachten ist aber die teilweise sinnentstellende deutsche Synchronisation. Diese macht aus dem Kannibalen-Clan eine Gruppe von Außerirdischen und verändert dazu über weite Strecken die Dialoge komplett. So gehen leider viele von Cravens Andeutungen in der deutschen Fassung komplett unter.
Der Kannibalen-Familie wird die typische Mittelklassefamilie gegenüber gestellt, die Wes Craven – für damalige Verhältnisse mehr als ungewöhnlich – demontiert. Derjenige, der eigentlich der Beschützer der Familie ist, der Vater, das Oberhaupt, der Patriarch, dazu noch ein Ex-Cop, wird als erster ins Jenseits befördert, in einer Szene, die deutlich stärker als im Remake an die Kreuzigung Jesu angelehnt ist. Die Demontage treibt Craven auf die Spitze, in dem trotz allen Aufbäumens der übrigen Familienmitglieder, es hauptsächlich der Familienhund ist, der die offen gewordene Beschützerposition übernimmt. Bei Wes Craven steht diese Demontage der traditionellen Familie (die übrigens auch beim Clan von Jupiter stattfindet) im Vordergrund, während Alexandre Aja im Remake diesen Aspekt in den Hintergrund gerückt und dafür die Konfrontation der unterschiedlichen politischen Weltanschauungen von Vater und Schwiegersohn ins Zentrum gestellt hat. Dieser Aspekt findet sich wiederum in Cravens Film kaum.
Es ist beeindruckend und hochinteressant wie Wes Craven im Subtext seines Films mit Zwischentönen spielt. Vordergründig ist sein Werk natürlich harte Horrorkost, wobei Craven geschickt Elemente aus anderen Genres einfließen lässt. Richtig gesetzte Schockmomente von der ersten Sekunde an sorgen durchweg für Spannung. Spätestens wenn der Tankwart in der Eröffnungsszene der Familie Carter hinterher brüllt, sie solle auf jeden Fall auf der Hauptstraße bleiben (ein großer Unterschied zum Remake, wo er sie ja in die Arme des Kannibalen-Clans schickt) und man nur wenige Sekunden später sieht, dass „Big Bob“ diesen Rat nicht beherzigt hat, weiß man, dass hier bald großes Unheil droht. Craven nutzt diese Erwartungshaltung des Zuschauers von Beginn an aus und liefert immer wieder Hinweise auf das baldige Treiben. Diese finden sich oftmals in den Dialogen der Familie Carter, die (wenn man weiß, was passieren wird) einige Male einen sehr humorigen Inhalt offenbaren: („We're gonna be french fries! Human french fries!“)
Neben dem Horrorgenre baut Craven geschickt Elemente aus Western und Roadmovie in den Film mit ein. Auch an John Carpenters ein Jahr zuvor entstandenes Meisterwerk „Assault on Precinct 13“ fühlt man sich bisweilen erinnert, gibt es doch ein paar Parallelen im Belagerungszustand. So entsteht insgesamt eine hervorragende Atmosphäre, die durch die Kameraarbeit verstärkt wird. Wes Craven lässt hier seinen Kameramann Eric Saarinen mit vielen verschiedenen Stilmitteln arbeiten. Er lässt ihn eine wacklige Handkamera führen, sorgt dafür, dass die Kamera das Geschehen aus der subjektiven Perspektive eines Beteiligten zeigt und unterstreicht dies mit schnellen Schnitten. Dies verstärkt die intensive Wirkung des Geschehens noch zusätzlich. Trotz der Intensität des Films sollte man in Cravens Version trotz des berüchtigten Rufs keinen zu hohen Blutgehalt erwarten. Für damalige Verhältnisse ging Craven sicher an die Grenzen, aber man sieht in „Hügel der blutigen Augen“ nichts, was man heute nicht im normalen Mainstream-Kino zu sehen bekommt.
Darstellerisch weist „Hügel der blutigen Augen“ wie die meisten der billig produzierten Horrorschocker jener Zeit (zum Beispiel The Texas Chainsaw Massacre oder Die Nacht der lebenden Toten) mehr Schatten als Licht auf. Gerade Robert Houston ist in der Rolle von Sohn Bobby teilweise überfordert und man kann nachvollziehen, warum er seinen – recht zweifelhaften – Ruhm nur mit „Shogun Assasin“, einem Zusammenschnitt der genialen Filmreihe Lone Wolf And Cub, erreicht hat. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt dagegen Michael Berryman als großer Hüne mit kahl geschorenem und unförmigem Schädel. Zwei Jahre zuvor hatte er schon für „Einer flog über´s Kuckucksnest“ in einer kleinen Rolle vor der Kamera gestanden. Durch „Hügel der blutigen Augen“ wurde er ein Horrorkultdarsteller, der auch zum Beispiel von Rob Zombie in seinem ultraharten Roadmovie The Devil´s Rejects als Reminiszenz an den Craven-Film besetzt wurde. Das Gros der Darsteller streicht man allerdings besser schnell wieder aus seinem Gedächtnis und es verwundert nicht, dass die meisten später hauptsächlich bei TV-Serien Beschäftigung fanden.
Die Darstellerleistungen sind aber sicherlich kein Gradmesser für die Qualität dieses Horrorfilms. „Hügel der blutigen Augen“ hat seine Stärken ganz woanders. Mit wenig Mitteln gelang es Wes Craven, ein atmosphärisch dichten und harten Schocker zu inszenieren, der auch heute in Zeiten des gelungenen Remakes von Alexandre Aja noch zu überzeugen weiß.