„Prinzessin Mononoke“ ist ein Meilenstein des Animationsfilms, der auch in der westlichen Hemisphäre durchweg von den Kritikern gelobt, aber leider nur von einer kleinen Zuschauergemeinde wahrgenommen wurde. Dabei zählt er doch in seinem Ursprungsland Japan zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten und konnte dort sogar James Camerons allseits bekannten Luxusliner auf die Plätze verweisen.
Nachdem „Mononoke Hime“, zum Zeitpunkt seiner Entstehung der mit Abstand aufwändigste und kostspieligste Animationsfilm Japans, nach seinem Start im Juli 1997 prompt zum kommerziellen Erfolg (weltweites Einspiel: 150 Mio Dollar, 13 Mio Besucher in Japan) avancierte, wurde er auf der Berlinale 1998 erstmals in Deutschland gezeigt. Es sollte allerdings noch zwei Jahre dauern bis der Verleih Buena Vista, der sich die europäischen und amerikanischen Rechte des Films gesichert hatte, anlässlich der Expo in Hannover eine deutsche Synchronisation anfertigen ließ und nochmals ein weiteres Jahr, bis der Anime es in die heimischen Kinos schaffen sollte. Obwohl „Prinzessin Mononoke“ mit einer überaus guten und deswegen auch kostspieligen Synchro versehen worden war, entschied sich der Filmverleih dafür zum Deutschlandstart am 19. April 2001 gerade einmal 35 Kopien bundesweit auszugeben, weswegen am Ende nur knapp 70.000 Besucher zu verzeichnen waren. Hayao Miyazaki, dessen Werke sich alle durch äußerst hohe technische und inhaltliche Ansprüche auszeichnen und der in seiner Heimat als Altmeister des Animationsfilms gilt, sollte aber bereits mit seinem nächsten Meisterwerk auch international für Furore sorgen. So wurde “Sen to Chihiro no Kamikakushi” („Chihiros Reise ins Zauberland“) als erster Animationsfilm mit dem Goldenen Bären geehrt und als erster japanischer Animationsfilm mit dem Oscar ausgezeichnet.
Die Geschichte der Prinzessin Mononoke spielt im alten Japan, zu einer Zeit, in der das Land von dichten Wäldern bedeckt war und die Tiergötter noch auf Erden weilten. Der junge Prinz Ashitaka, zukünftiger Häuptling eines kleinen Dorfes im Osten des Landes, wird bei dem Versuch sein Dorf vor einem wildgewordenen Eber zu beschützen am Arm verletzt. Zwar gelingt es ihm, das übergroße Wildschwein aufzuhalten, doch bedeutet die Verletzung, die ihm bei dem Kampf mit dem Tier zugefügt wurde, über kurz oder lang den sicheren Tod. Denn der große Eber war kein gewöhnlicher Waldbewohner, sondern ein rachesüchtiger Gott, ein göttlicher Keiler, der durch seinen Hass auf die Menschen zum Dämon wurde. Ashitaka entschließt sich, seinem scheinbar unausweichlichen Schicksal tapfer entgegenzutreten und verlässt sein Dorf in der Hoffnung, doch noch einen Weg zu finden, dem Tode zu entrinnen. Seine Reise führt ihn zu einer Siedlung, deren Arbeiter unter der Leitung ihrer Anführerin Lady Eboshi die Wälder abholzen und in den Bergen nach Eisenerz schürfen. Die Bewohner des Waldes, insbesondere die Wolfsgöttin Moro und ihre menschliche Adoptivtochter San, leisten jedoch erbitterten Widerstand gegen die Zerstörung ihres Lebensraumes, und Ashitaka findet sich plötzlich zwischen den Fronten eines Krieges wieder, bei dem es letztendlich nur Verlierer geben kann.
Der Konflikt zwischen Mensch und Natur ist das herausragende Thema des Films. Doch wer davon ausgeht, dass hier die skrupellosen, egoistischen menschlichen Wesen gegen die unbescholtenden Geschöpfe des Waldes vorgehen, irrt. Miyazaki lässt den Zuschauer an den Motiven der einzelnen äußerst differenziert dargestellten Charaktere und Wesen teilhaben, so dass man ihre Motivation und damit ihr Handeln nachvollziehen kann. Der Betrachter findet sich, wie der Protagonist, zwischen den beiden Seiten hin- und hergerissen. Die Animationen sind von allerhöchster Qualität und setzen im Bereich des Animationsfilms neue Maßstäbe. Bewegungsabläufe werden stets absolut flüssig und authentisch in Szene gesetzt, außerdem fügen sich die mit dem Computer generierten Sequenzen nahtlos ein und erzeugen keine stilistischen Brüche. Hervorzuheben ist die Detailverliebtheit Miyazakis, die den Zuschauer immer wieder in den Bann zieht: Das Gras bewegt sich im Wind, ein Eisvogel fliegt davon, Schmetterlinge umkreisen die Charaktere. Diese Kleinigkeiten machen die phantastische, phantasievolle Welt des Films zu einem scheinbar wirklich existierenden Ökosystem. Die Atmosphäre wird durch den meisterlichen Score Joe Hisaishis noch unterstützt. Die wunderschönen Landschaften und faszinierenden Wesen werden mit dem majestätischen und pompösen, aber sich trotzdem niemals in den Vordergrund spielenden Klangteppich, optimal unterlegt. Selbst an der deutschen Synchronisation ist nichts auszusetzen, die Sprecher sind gut gewählt und leisten hervorragende Arbeit.
Zu erwähnen sei noch, dass der Actionanteil in den Kämpfen nicht zu kurz kommt, wobei es dem Film sehr gut gelingt, die Waage zu halten zwischen aufwühlenden Auseinandersetzungen und ruhigen, zum Nachdenken anregenden Passagen. Auch wenn uns Miyazaki in eine märchenhafte Welt entführt, handelt es sich hier nicht um einen Kinderfilm. Dafür ist der Plot zu komplex und sind einige Szenen einfach zu blutig. Die Altersfreigabe ab zwölf Jahren hat auf jeden Fall ihre Berechtigung. Der Geniestreich Miyazakis sei jedem ans Herz gelegt der etwas mit Animationsfilmen anfangen kann, denn der Konflikt zwischen Mensch und Natur wird hier auf faszinierende Art und Weise vor den Augen des Zuschauers ausgetragen.