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    Dark City
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Dark City
    Von René Schumacher

    Klingelt da was? Ein junger Mann merkt, dass die Wirklichkeit nicht die ist, die allen Menschen vorgespielt wird. Die Menschen in seiner Welt glauben, ihr eigenes Leben zu führen, aber in Wirklichkeit liegt ihr Leben in den Händen einer fremden Macht, welche die Schein-Welt jeden Tag aufs Neue manipulieren kann und entscheidet, ob z.B. die Menschen reich oder arm sind, ob es Tag oder Nacht ist. Der Held kann aus diesem System ausbrechen und nimmt den Kampf auf, um alle Menschen wieder in die wirkliche Freiheit zu führen. Na, wonach klingt das? Matrix? Richtig, aber doch falsch! Dies ist die Geschichte von „Dark City“, eines Films von Alex Proyas („The Crow“, I, Robot) der ein Jahr vor „Matrix“ in die Kinos kam. Und wenn man „Dark City“ vorher gesehen hatte, dann konnte man sich bei „Matrix“ nicht des Eindrucks erwehren, das sich dessen Macher diesen Film oder sein Drehbuch auch angesehen haben müssen. Trotzdem wurde das Sci-Fi-Werk im Gegensatz zu „Matrix“ kein Kassenschlager und verschwand unverdient schnell wieder aus den Kinos und der Erinnerung des Publikums.

    Der Held des Films, John Murdoch (Rufus Sewell), wacht in einem Badezimmer eines Hotels auf, das er nicht kennt und findet im Schlafzimmer eine übel zugerichtete Frauenleiche, deren Blut er noch an seinen Händen hat. Ein Anrufer, ein Doktor namens Daniel Schreber (Kiefer Sutherland), drängt ihn zur Flucht, da er verfolgt werde. Entsetzt reißt Murdoch aus. Er stellt fest, dass er sich an nichts aus seinem Leben erinnern kann und beginnt Nachforschungen über sich anzustellen. Er erfährt, dass er mit einer Frau namens Emma (Jennifer Connelly) verheiratet ist und dass er ein Serienmörder von Prostituierten sein soll, aber als eine Prostituierte ihn während seiner Flucht aufnimmt merkt er, dass er solchen Frauen gegenüber keinerlei Mordgedanken hegt. Außerdem spielen sich merkwürdige Dinge in der Stadt ab, die anscheinend nur ihm auffallen. Es scheint nie die Sonne, gegen Mitternacht fallen alle Menschen außer ihm für kurze Zeit in einen komatösen Schlaf, kein Weg scheint aus der Stadt herauszuführen, obwohl jeder glaubt, einen zu kennen. Schließlich wird er auch noch verfolgt, und zwar nicht nur von der Polizei in Gestalt des cleveren Inspektors Frank Bumstead (William Hurt), sondern auch von „Fremden“ in langen schwarzen Mänteln, die ihn offensichtlich töten wollen. Der einzige, der Licht in das Dunkel bringen kann, ist scheinbar der Doktor, der Murdoch im Hotel angerufen hat. Also macht sich Murdoch auf die Suche nach Dr. Daniel Schreber…

    „Dark City“ ist ein äußerst intelligenter Film, basierend auf dem Roman „Das Experiment“ der Brüder Arkadi und Boris Strugazki. Es lassen sich durchaus philosophische Ansätze erkennen, die sich um die Frage drehen, was das Mensch-Sein ausmacht und wie wichtig Erinnerungen sind. Zum Beispiel ist die Figur des Dr. Schreber angelehnt an Daniel Paul Schreber, dessen Buch „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“ ein Standardwerk der Psychiatrie ist, auf dem viele Theorien von Sigmund Freud basierten. Dieses Buch beeinflusste ebenfalls „Dark City“ wesentlich. Die Verwendung dieser literarischen Vorlagen lässt schon erkennen, dass mit „Dark City“ Alex Proyas ein Film gelungen ist, über den man ausgiebig und lange diskutieren kann.

    In Sachen Optik ist sich Proyas im Vergleich zu seinem vorherigen Film „The Crow“ treu geblieben. Dunkelheit dominiert, die Straßenschluchten und Räumlichkeiten wirken kalt und unpersönlich, ein Spiegel der Gefühlswelt „der Fremden“ und auch Hinweis auf die Leere, die Murdoch selbst, den Mann ohne Erinnerungen beherrscht. Inspiriert wurde Proyas visuell wohl auch von den expressionistischen Klassikern des deutschen Stummfilms der 20er Jahre, die Stadt erinnert an Fritz Langs Klassiker Metropolis und die glatzköpfigen Fremden in ihren langen, schwarzen Mänteln an Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens“. Hierbei sind Proyas und seinem Kameramann Dariusz Wolski aber großartige Bilder gelungen, die sich in das Gedächtnis des Zuschauers einprägen. Das haben auch die Wachowski-Brüder so gesehen, die sogar Sets aus diesem Film in „Matrix“ verwendeten.

    Der Grund des Scheiterns des Films an den Kinokassen liegt nicht in seiner Geschichte oder seinen Bildern, auch die Schauspielerriege ist erlesen, William Hurt war schon zu diesem Zeitpunkt Oscar-Preisträger („Der Kuss der Spinnenfrau“) und Jennifer Connelly wurde es noch (A Beautiyful Mind). Ian Richardson und Kiefer Sutherland sind bekannte und angesehene Schauspieler. Die Schwäche von „Dark City“ liegt eher in der Inszenierung. Proyas treibt die Geschichte konsequent, aber ohne Höhepunkte einem dafür umso furioserem Finale entgegen. Dass „Dark City“ trotzdem unter Kennern einen bemerkenswerten Ruf genießt, lässt sich u.a. daran erkennen, dass der amerikanische Filmkritiker-Papst Roger Ebert, der als Erster den Pulitzer-Preis für eine Filmkritik erhielt, es sich nicht nehmen ließ, den Audiokommentar der DVD zu übernehmen.

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