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    The Man Who Shot Chinatown
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Man Who Shot Chinatown
    Von Andreas Staben

    Es gibt viele Möglichkeiten, von Leben und Werk eines Künstlers zu erzählen. Beliebt sind fiktionalisierte Biographien wie Amadeus, Pollock oder Capote, die mehr oder weniger deutliche Verbindungen von privaten Konflikten mit dem künstlerischen Schaffen konstatieren und konstruieren. Konzentrierte Auseinandersetzungen mit Ästhetik und Methode des Porträtierten begegnen einem dagegen eher in experimenteller angelegten Filmen wie etwa in den Dokumentationen von Thomas Riedelsheimer („Rivers And Tides“, „Touch The Sound“). Axel Schill (Regie) und Stephanie Bahr (Produktion) multiplizieren in ihrem dokumentarischen Porträt „The Man Who Shot Chinatown – Der Kameramann John A. Alonzo“ nun die Ansätze und Perspektiven. Familiengeschichte stellen sie neben Hollywood-Historie und Gesellschaftspolitik, Fragen des Stils werden ebenso angesprochen wie technische Entwicklungen. „The Man Who Shot Chinatown“ erinnert mit seinen Sprüngen und Brüchen daran, dass ein Leben nie in seiner Vollständigkeit zu erfassen ist. Schill und Bahr fügen ihren Film weder inhaltlich noch formal zu einer Erzählung. So ist „The Man Who Shot Chinatown“ ein Film voller Andeutungen einer Lebensgeschichte.

    - John A. Alonzo wurde 1934 als Sohn mexikanischer Einwanderer in Dallas geboren. Als Neunjähriger fing er an, als Kellner Geld zu verdienen und mit 14 musste er mit ansehen, wie sein Vater erschossen wurde. Seine erste Ehe zerbrach und später hat er den Kontakt zu seinen erwachsenen Töchtern abgebrochen. Er starb 2001.

    - John A. Alonzo war der erste Hispano-Amerikaner, der sich im geschlossenen Zirkel von Hollywoods weißen Kameraleuten durchsetzen konnte. Auch mit seiner Art, die Kamera selbst in die Hand zu nehmen, musste er sich gegen viele Skeptiker und gewerkschaftliche Regulierungen durchsetzen, verließ doch der Director of Photography alter Schule kaum einmal seinen Regie-Sessel.

    - John A. Alonzo war in den 60er Jahren ein Vorreiter des New Hollywood. Nach Erfahrungen im Bereich der Fernsehdokumentation, wo er einen amerikanischen Stil entscheidend mitprägte, setzte er auch im Spielfilmbereich auf Einfachheit und Mobilität. Mit seinem Mentor James Wong Howe („Man nannte ihn Hombre“), dem er beim Dreh von „Der Mann, der zweimal lebte“ spontan aushalf, teilte er die Vorliebe für ein Minimum an eingesetzten Mitteln.

    - John A. Alonzo war immer an neuen technischen Möglichkeiten interessiert. Bereits in den 80er Jahren experimentierte er mit digitalen Medien und noch kurz vor seinem Tod verband er beim Live-TV-Film „Fail Safe – Befehl ohne Ausweg“ künstlerischen Anspruch mit technischer Innovation und logistischem Geschick.

    Diese und weitere Aspekte von Alonzos Wirken breitet Axel Schill in loser Folge aus. Kurze Aussagen von Zeitzeugen und Weggefährten wechseln sich mit zahlreichen Filmausschnitten ab. Kamerakollegen wie Haskell Wexler (Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, Einer flog über´s Kuckucksnest) und John Toll (Braveheart, Last Samurai) kommen genauso zu Wort wie die Regisseure William Friedkin (French Connection, Der Exorzist) und Mike Figgis, der mit Alonzo „Internal Affairs“ drehte. Starkritiker Roger Ebert trägt eher anekdotische Fakten bei, und Sally Field erzählt davon, dass Alonzo keine Marken für die Schauspieler setzte, sondern ihnen Freiraum ließ und ihnen einfach folgte. Ein Ausschnitt aus der gemeinsamen Arbeit an „Norma Rae“ gibt eine Ahnung von dieser Methode. Am aussagekräftigsten ist Schills Film immer dann, wenn es konkret um Alonzos Arbeitsweise geht. Auch einige Äußerungen des Protagonisten selbst, die unspezifiziert aus dem Off zugespielt werden, sind recht aufschlussreich. Den stärksten Eindruck hinterlässt aber ein prachtvolles Archiv-Fundstück: Eine Kamera-Lektion von James Wong Howe, der anhand eines Studentenfilms die täuschend einfache Kunst der Lichtsetzung vorführt.

    Die auch in Filmkritik und -wissenschaft wenig thematisierte kreative Rolle der Kameraleute erfährt mit „The Man Who Shot Chinatown“ eine willkommene aber leider nur oberflächliche Würdigung. Auch über die besonderen Schwierigkeiten für Angehörige einer ethnischen Minderheit in Hollywood erfahren wir im Ansatz einiges Wissenswertes. Der reine Familienroman dagegen ist in seiner konventionellen Art banales Beiwerk. Und der Versuch Alonzos Experimentierfreude durch die Wahl einer HD-Kamera zu würdigen und kleinere visuelle Spielereien zu integrieren wirkt arg bemüht. Immerhin wird so das starre Schema von sprechenden Köpfen aufgebrochen.

    Am Ende von „The Man Who Shot Chinatown“ laufen die Titel von John A. Alonzos Filmen durchs Bild. Zusammen mit den meist recht geschickt ausgesuchten, aber zu kurzen Ausschnitten aus dem Werk befeuern sie unsere Phantasie. Sie sind eine Einladung sich mit einem besonderen Blick für die Kameraarbeit erneut oder zum ersten Mal Scarface, Ich, Tom Horn, Das fliegende Auge oder Harold And Maude anzuschauen. Und natürlich Chinatown.

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