Wenn man an Dublin denkt, fällt einem zunächst Gewalt und dunkles Bier ein. Sozialer Brennpunkt, jaja, ist schon klar. Der Gedanke, einen Musikfilm hier anzusiedeln, erscheint da verwegen. Aber genau dieser Gegensatz macht Alan Parkers tragikomische Schnurre über „die härteste Arbeiterband der Welt“ so reizvoll….
Dublin Anfang der 90er Jahre (aber so richtig wichtig ist der Zeitpunkt eigentlich nicht). Jimmy Rabbitte (Robert Arkins) hat zwar keinen Job, aber in einem ist er richtig gut: organisieren. Außerdem ist er ein versierter Kenner zeitgenössischer Musik. Also, was lässt sich mit diesen beiden Talenten anstellen? Richtig, er wird Manager einer Band. Das Problem: Die Band gibt es noch nicht. Aber der Plan steht fest: Nicht Rock, nicht Pop, nein, Soul muss es sein, denn Soul ist die Musik der Schwarzen und die Iren sind die schwarzen Europas und die Leute im Arbeiterghetto sind die Schwarzen von Dublin. Alles klar soweit?
Jimmy beginnt damit, Mitstreiter zu organisieren. Zeit genug haben alle in der näheren Umgebung, fast jeder ist arbeitslos oder unterbezahlter Malocher. Jimmy rekrutiert ein potentielles Bandmitglied nach dem anderen. Der örtliche Organist muss ebenso dran glauben wie alle anderen, die ein Instrument spielen können und bei drei nicht auf dem Baum sind, so lange Rabbitte sie als Gleichgesinnte erkennt. Als Background-Sängerinnen und Blickfang bieten sich die lokalen Schnuckelchen an, aber ein geeigneter Leadsänger will und will nicht auftauchen. Ein ausgedehntes Casting im väterlichen Haus wird veranstaltet, das in seiner Groteskheit locker mit DSDS mithalten kann. Auf einer feucht-fröhlichen Hochzeitsfeier hört Rabbitte dann das Schicksal klopfen, besser gesagt: singen. Der völlig betrunkene Busschaffner Deco Cuffe (Andrew Strong) intoniert zu vorgerückter Stunde mit Inbrunst einen Song. Rabbitte erkennt sofort dessen Potential. Der Mann sieht zwar aus und benimmt sich wie ein Oberproll, hat aber eine Stimme, „für die Joe Cocker morden würde“. Als schließlich auch noch das Fossil Joey „Die Lippe“ Fagan (Johnny Murphy) zu ihnen stößt ist die Band komplett. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei den Proben sind schließlich eine Handvoll Songs einstudiert, und schon kann die Karriere losgehen. Und die Leute in ihrer Umgebung lieben sie. Die Band klingt schließlich richtig gut, aber unter der Oberfläche brodelt es. Zu sperrig verhalten sich viele Bandmitglieder. Aber Rabbitte lässt nicht locker.
Alan Parkers (Mississippi Burning, Die Asche meiner Mutter, Das Leben des David Gale) „Die Commitments“ ist Teil der Dublin-Trilogie des Romanciers Roddy Doyle. Auch die weiteren Teile („The Snapper“, „Fish & Chips“) wurden verfilmt – alle mit Colm Meaney („Star Trek: The Next Generation“, „Deep Space Nine“, Layer Cake, Con Air), der hier nur eine kleine aber feine Nebenrolle als Rabbittes Elvis-höriger Vater hat. Den größten Erfolg brachte aber dieser Streifen. Seine Mischung ist zwingend: Witz und Herz, Tragik und Musik geben eine bittersüße Mischung ab, der man sich nur schwer entziehen kann.
Der Film ist beinahe komplett mit Laienschauspielern besetzt, selbst der Mittelpunkt der Band, der Sänger Andrew Strong, wurde praktisch von der Straße weg gecastet. Und insbesondere mit seiner kraftvollen und unverwechselbaren Stimme prägt er den Film, als hätte er sein Leben lang nichts anderes als Singen im Sinn gehabt. Die beiden Soundtrack-Alben gehören in jede gut sortierte Plattensammlung und enthalten Neuaufnahmen von Soul-Klassikern wie „Mustang Sally“ oder „Hard To Handle“, die richtig kicken und den Vergleich zu anderen großen Musikfilm-Soundtracks wie Blues Brothers und „Blues Brothers 2000“ nicht scheuen müssen. Tatsächlich wurde mit den Alben mehr Geld erwirtschaftet als mit dem Film selbst. Für Andrew Strong begann damit aber leider nicht die ganz große Karriere, er geriet in relative Vergessenheit, obwohl er schon diverse CDs veröffentlich hat, die ein Reinhören durchaus verdienen.
Dass es sich bei den meisten Schauspielern um Laien handelt, gibt dem Streifen etwas Frisches, Ungekünsteltes. Sympathisch sind sie alle, der eine mehr, der andere weniger, aber vor allem sind sie glaubwürdig. Jeder ist für sich ein Original. Selbst der freundliche Quasi-Skinhead von nebenan, der als völliger Autodidakt an das Schlagzeug gesetzt wird und lostrommelt, dass sich der Putz von der Decke löst, kann ein paar Punkte sammeln (auch wenn das Tier in ihm natürlich zu passender Gelegenheit brachial ausbricht). Vor Ort gedreht, kann man den Dreck und das Leben im Bodensatz der Gesellschaft förmlich spüren und so wird auch die Sehnsucht der Akteure nach etwas Besserem, Besonderen greifbar.
Umso mehr nimmt es uns dann mit, dass die Träume, die jeder mit der Band verbindet, letztlich nicht an den Widrigkeiten des Lebens scheitern, sondern an den Egos der Bandmitglieder und ihrer Weigerung, sich selbst der größeren Sache unterzuordnen. Alle wollen für sich etwas Besseres und verlieren dabei aus dem Blick, dass sie sogar etwas viel Besseres haben könnten. Und dies ist letztlich auch die eigentliche Aussage des Films: dass man alles schaffen kann, was man will, wenn man als Team agiert und sich selbst zurücknimmt. Vor allem, wenn man Ire ist.
Also: Bier (vielleicht ein Guinness?) und Chips bereitstellen, Freunde einladen und den Film über die Anlage hören. Am Besten gleich die Nachbarn dazuholen, denn es wird lauter…