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    Robin Hood - König der Diebe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Robin Hood - König der Diebe
    Von Martin Soyka

    Ab und zu kommt es vor, dass die Filmwelt von einem Thema, einer Idee oder einem Filmgenre infiziert wird und plötzlich alle Studios irgendwie denselben Film machen. Man denke an das Duell Jurassic Park - Vergessene Welt gegen „Godzilla“. Oder an die beiden Christoph-Columbus-Filme „1492“ und „Christoph Columbus – Der Entdecker (beide 1992)“, um nur zwei Beispiele zu nennen. 1991 war es wieder soweit: Irgendwer hatte die Idee, die Zeit sei reif, einen allseits bekannten und beliebten Mythos wieder auferstehen zu lassen: Robin Hood, einen der ersten Superhelden der Welt. Und während der zeitgleich entstandene, düstere und realistischere „Robin Hood – Ein Leben für Richard Löwenherz“ heute nur noch Insidern bekannt sein dürfte, triumphierte mit Kevin Reynolds’ pompösen Abenteuer „Robin Hood – König der Diebe“ wieder einmal die Popcorn-Variante.

    England zur Zeit der Kreuzzüge: Die gesammelte Adelsjugend ist König Richard Löwenherz ins Morgenland gefolgt, um dort das Christentum zu verbreiten und gleichzeitig Reichtum und Ruhm einzuheimsen. Die Zeit der Abwesenheit der Führungselite machen sich nun Kerle aus der zweiten Reihe zu nutze, um das Land unter sich aufzuteilen, allen voran der fiese Sheriff des hübschen Nottinghams (herrlich überzogen: Alan Rickman). Das Volk hungert ob der brutalen Steuerpolitik des Despoten. Doch als es besonders finster aussieht, erscheint ein alter Bekannter, frisch entflohen aus den schummrigen Kerkern des heimgesuchten Landes: Robin of Locksley (Kevin Costner), gestartet als jugendlicher Heißsporn, geläutert durch die Grauen, die er gesehen hat. Doch die Zeit des Kampfes ist für ihn noch nicht vorbei: Er findet seinen Vater ermordet, den Diener geblendet und das Schloss bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Den Übrigen im Land geht es auch nicht besser, wie Robin und sein Gefährte Azeem (Morgan Freeman) von Maid Marian (Mary Elizabeth Mastrantonio) erfahren müssen. Doch viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht: Die Häscher des Sheriffs sind ihm bereits auf den Fersen, hat er doch verhindert, dass diese ein hungerndes Kind wegen Wilderei lynchen. Robin und Azeem verstecken sich an dem einzigen Ort, den die Schergen fürchten: dem dunklen Sherwood Forrest. Doch statt den in Kauf genommenen Geistern stellt sich den beiden bald jemand sehr Irdisches entgegen….

    Es gibt Geschichten – besser gesagt: Legenden -, die können nicht oft genug erzählt werden. Dazu gehört natürlich der unsterbliche Zorro. Oder Superman. Oder die drei (oder vier?) Musketiere. Nicht zu vergessen: die Jungs von der Tafelrunde. Aber letzten Endes geht nichts an dem Outlaw vorbei, der sich im Sherwood Forrest verschanzt hat und dem bösen Sheriff so richtig Feuer unter der Hosennaht macht: dem ehemals edlen Robin of Locksley, besser bekannt als… Kevin Costner??? Okay, da muss man erst mal schlucken, insbesondere wenn man den Film in der Originalversion sieht und bemerkt, wie der Akzent des Hauptdarstellers doch das eine oder andere Mal ins breite Amerikanisch abrutscht. So richtig britisch kommt der in Kalifornien geborene Schauspieler nicht wirklich rüber, aber das wird von dem Film mit einer wahren Multi-Kulti-Besetzung kaschiert. Netter Neuzugang ist Morgan Freeman als Maure Azeem, der bei Robin eine Blutschuld zu bezahlen hat, im Ernstfall aber erst mal zu Ende beten muss. Und Mary Elizabeth Mastrantonio als Love Interest ist ebenfalls Amerikanerin. Von Christian Slater ganz zu schweigen, der bekanntermaßen New Yorker durch und durch ist und nur mit beiden zugedrückten Augen als unehelicher Sohn eines englischen Edelmanns durchgeht. Und der Schotte Sean Connery, der am Ende einen Kurzauftritt absolviert und den Film damit adelt (im Kino gab es damals Szenenapplaus), würde sich selbst wohl auch keinen Briten nennen.

    Sei´s drum, das Ergebnis unterhält prächtig und langweilt auch nicht in der verlängerten DVD-Version (auch wenn – wieder einmal – die Neusynchronisation irritiert, insbesondere Alan Rickmans Synchronstimme will nicht so recht passen). Selbst bei einer Laufzeit von nun etwa 150 Minuten bekommt man einiges für sein Geld, nur nicht Langeweile. Natürlich ist alles total überzogen. Die Helden tun Heldenhaftes, die Schurken sind böse bis hin zur Karikatur. Insbesondere die Figur des Sheriffs muss für die meisten Lacher herhalten, wird er doch als soziopathischer Choleriker gezeigt, der im Bedarfsfall sein neues Schwert kurzerhand an seinem engsten Vertrauten ausprobiert („Guter Stahl!“). Umgekehrt präsentiert sich die Bande um Robin Hood als eine Ansammlung von spleenigen Gutmenschen, die unter der findigen Leitung des ehemaligen Edelmannes aus einer Waldlichtung ein richtiges Baumhaus-Paradies basteln, Aufzug inbegriffen. Club Med in der Mittelalter-Variante, sozusagen. Dreidimensionale Charaktere sind in Legenden eben selten zu finden.

    Womit der Film punkten kann, ist die Besetzung, die sich rundum in bester Spiellaune befindet, die Ausstattung und das Tempo der Erzählung. Kevin Costner bescherte der Film den Höhepunkt seiner Karriere, kurz nach Der mit dem Wolf tanzt und kurz vor Waterworld (wiederum von Regisseur Kevin Reynolds) und Postman. Besondere Kniffe in der Handlung hat man nicht zu erwarten. Stattdessen darf man dankbar dafür sein, dass man Robin aus den grünen Strumpfhosen früherer Interpretationen herausgeholt und in Leder und Leinen gesteckt hat (eine kurzlebige Mode war die Folge). Der Film lässt vieles weg, was bekannt war – insbesondere die Rolle des Bruders von Richard Löwenherz wird praktisch ignoriert -, fügt aber dafür einiges über den dämonischen Hintergrund des Sheriffs hinzu. Insbesondere enthält hier die Langfassung einen zusätzlichen Twist, der dem Film zwar keine neue Richtung verleiht, aber für einen netten Aha-Effekt sorgt. Ansonsten sind die neu eingefügten Szenen für den Film nicht wirklich wichtig.

    Die Musik ist eingängig und scheut sich nicht davor, gegebenenfalls sogar kitschig zu werden. Vor allem, wenn der Bryan-Adams-Schmachtfetzen „Everything I do, I do it for you“ ertönt – seinerzeit die bestverkaufte Single überhaupt -, ist Durchhaltevermögen gefordert. Und natürlich wird auch Robins legendärer Pfeilschuss, mit dem ein anderer Pfeil in der Mitte gespalten wird, nicht ignoriert, sondern – für damalige Verhältnisse – spektakulär zelebriert, später aber nett ironisch gebrochen.

    Wenn man also Lust hat, dem Alltag zu entfliehen, einem gut gemachten Kostümfilm nicht abgeneigt ist und sich nett unterhalten will, ist hier goldrichtig. Historische Wahrheiten, politische Vergangenheitsbewältigung oder ähnlichen Ballast muss man hier nicht vermuten, keine Angst.

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