Nach Wie im Himmel und Populärmusik aus Vittula kommt nun ein weiterer „Heimatfilm“ aus Schweden in die deutschen Kinos. Mit einer Millionen Besuchern ist Maria Bloms beachtliches Debüt „Zurück nach Dalarna“ der erfolgreichste schwedische Film des letzten Jahres. Ausgezeichnet wurde er mit dem Schwedischen Filmpreis 2005 für „Bester Film“ und „Bestes Drehbuch“. Obwohl Maria Blom mit ihrem Beitrag zum Thema „Familienfest und andere Schwierigkeiten“ nichts wirklich Neues liefert, dürfte die Rezeptur aus eigensinnigen Charakteren, Bloms feiner Beobachtungsgabe zwischenmenschlichen Beziehungen und dem mitunter recht schwarzen Humor bei vielen deutschen Zuschauer auf Gefallen stoßen.
Dalarna ist eine knapp dreißigtausend km² große Provinz in Schweden, die von den Einheimischen oftmals das „Herz Schwedens“ genannt wird. In diese ursprüngliche, von traditionellen Werten und einer gehörigen Portion Lokalpatriotismus geprägte Region, kehrt Mia (Sofia Helin) aus Stockholm zum Geburtstag ihres Vaters heim. Vor über 15 Jahren hat sie das provinzielle Leben ihrer Eltern hinter sich gelassen, um ihr Glück in der Großstadt zu suchen. Sie wollte ein anderes Leben als das ihrer Eltern. Entsprechend unwohl ist ihr bei ihrer Rückkehr. Mia weiß, dass ihr das ehemals traute Heim bald madig werden wird, weil unter der Oberfläche alte, unbearbeitete Konflikte schwelen, weil sie Leuten begegnen wird, denen sie lieber nicht begegnen würde und weil sie sich als gut verdienendes Großstadtmädchen Anfeindungen der konservativen Dorfbewohner gegenübersehen wird. Zu Hause angekommen, sieht sie sich tatsächlich mit den erwarteten Problemen konfrontiert, die noch verstärkt werden, als ihre Eltern ihr ein Grundstück in der Gegend in Aussicht stellen – ein Grundstück, das eigentlich ihre älteste Schwester Eivor zu bekommen glaubte.
Dass „Zurück nach Dalarna“ zumindest während der ersten Hälfte ganz hervorragend funktioniert, liegt vor allem an dem ausbalancierten Verhältnis der (anfangs) verhaltenen Dramatik und dem rabiaten Charme des dalarnischen Landvölkchens. „[…]am Anfang stand der Wunsch, den Einheimischen aus der Gegend Dalarna ein, zwei Dinge zu sagen. Meine Familie kommt aus Dalarna […] und ich finde, da oben gibt es richtige Originale. Es war mir ein Vergnügen sie auf die Schippe zu nehmen.“ So erläutert Maria Blom ihre Intention für ihre Arbeit. Man erkennt deutlich, dass die Sympathien des Films vorrangig der heimkehrenden Mia – toll gespielt von Sofia Helin („Blodsbröder“, „Rånarna“) – gelten. Und das ist auch gut so, denn die starke Identifikation mit der Hauptfigur lässt den Zuschauer sich auch emotional beteiligen. Jeder, der sein Elternhaus verlassen und sich anderswo niedergelassen hat, kann von solchen Situationen, wie Mia sie hier erlebt, ein Lied singen. Ihr Besuch ist von Anfang an mit schlechten Gefühlen belastet. Man sieht ihr an, wie sehr sie sich als Nesthäkchen der Familie zusammenreißen muss, wie sehr es unter ihrer stillen Oberfläche brodelt. Doch neben den lauernden Konflikten, gibt es vielleicht noch einen anderen, tief in Mia verborgenen Grund, warum sie die Rückkehr nach Dalarna gefürchtet hat. Denn möglicherweise sehnt sich Mia innerlich nach ihrer Heimat, so dass sie ihren Lebensentwurf als erfolgreiche Programmiererin in Stockholm – als selbstständige Frau – gefährdet sieht. Denn ganz im Reinen, das kommt Stück für Stück ans Tageslicht, ist sie mit sich selbst nicht.
Das soll nicht heißen, dass Blom es sich mit den übrigen Figuren zu einfach macht. Auch sie sind angenehm facettenreich, jede mit ihrer eigenen Geschichte, jede mit ihren eigenen Problemen. Da ist nicht nur die bereits erwähnte neidische Eivor (gespielt von Kajsa Ernst, die bisher ausschließlich in schwedischen Produktionen zu sehen war und die im Film vielleicht die komplexeste schauspielerische Leistung liefert), sondern auch die mittlere Schwester Gunilla (sympathisch: Ann Petrén), die nach ihrer Scheidung erstmal mutig nach Bali gereist ist und von diesem Urlaub immer noch zehrt. Oder auch Mias Ex-Freund Jan-Olov (Joakim Lindblad), der immer noch bei seiner Mutter (Barbro Enberg) wohnt.
Zum Problem werden später im Film allerdings die Probleme der Figuren, die alle irgendwie – kann es in einem so kleinen Dorf auch anders sein? – miteinander zusammenhängen und während des „Showdowns“ der Geburtstagsparty eskalieren. Mag Bloms Drehbuch auch ausgezeichnet worden sein, festzustellen bleibt trotzdem, dass sich zunehmend ein deutliches Zuviel an Konflikt, an Verwicklung, an Dramatik bemerkbar macht, was die zweite Filmhälfte konstruiert wirken lässt. Hier wünscht man sich ein wenig von dem Minimalismus und der Stringenz von Thomas Vinterbergs Das Fest. Immer wenn Blom noch eines draufsetzt, geht einem das ganze weniger ans Herz und es fällt schwerer, sich einzufühlen. Man könnte fast sagen, die Figuren entgleiten einem im Laufe der Geschichte. Schade.
Nichts desto trotz bleibt „Zurück nach Dalarna“ ein unterhaltsamer Film. Er verliert sich nicht in Gags, sondern gesteht seinen Figuren Tiefe zu und treibt seine Geschichte weiter voran. Solange, bis am Ende die Fronten nicht mehr so klar zu erkennen sind wie es anfangs schien. Wer weiß, vielleicht kehrt Mia ja wirklich irgendwann heim? „Mein Traum ist es, dass die Leute, kaum dass sie das Kino verlassen haben, ihre Liebsten anrufen und ihnen sagen: Ich mag Dich!“ Ob sich dieser Wunsch erfüllt, darf bezweifelt werden: Das zentrale Moment an Maria Bloms Film bleibt der Konflikt – und nicht die Versöhnung.