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    Das Schweigen der Lämmer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Das Schweigen der Lämmer
    Von Ulf Lepelmeier

    Eine Frau joggt allein durch einen Wald. Die Kargheit der winterlichen Landschaft, welche einen trostlosen, unheimlichen Eindruck macht, wird durch den morgendlichen Nebel noch betont. In den Augen der jungen Frau, die sich durch den Trainingsparcours des Waldweges kämpft, ist Entschlossenheit zu erkennen. Noch soll sie, die angehende FBI-Agentin, nicht erahnen, welcher Auftrag ihr an diesem Tage zu Teil werden wird. So beginnt „Das Schweigen der Lämmer“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Thomas Harris. Jonathan Demmes Film, der im Jahre 1991 die fünf wichtigsten Academy Awards gewann (Bester Film, Beste Regie, Bester Schauspieler, Beste Schauspielerin und Bestes adaptiertes Drehbuch), machte den Psycho-Thriller gesellschaftstauglich und die von Sir Anthony Hopkins verkörperte Filmfigur des Dr. Hanibal Lecter unsterblich. Auch wenn der kannibalische Psychiater bereits in Michael Manns „Blutmond“ auftauchte, wurde er erst durch Hopkins’ schauspielerisches Können zum wohl faszinierendsten und meistbeachteten Antagonisten der Filmgeschichte.

    Im Nordosten der USA treibt ein Massenmörder sein Unwesen. Er entführt üppige Frauen und lässt sie noch ein paar Tage am Leben, bevor er sie erschießt und ihnen die Haut abzieht. Die Gesetzeshüter tappen vollkommen im Dunkeln. Die sich noch in der Ausbildung befindende Clarice Starling (Jodie Foster) wird unter einem Vorwand von Dr. Crawford (Scott Glenn), dem Leiter der Verhaltensforschungsabteilung des FBI, zu dem inhaftierten Kannibalen Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) geschickt. Crawford hofft insgeheim, dass sie den ehemals angesehenen Psychiater dazu bewegen kann, ihnen bei der Identifizierung und Auffindung des Mörders zu helfen. Als die einzige Tochter der Senatorin von Tennessee sich als das nächste Opfer, des, von der Presse mit dem Namen „Buffalo Bill“ bezeichneten, Mörders herausstellt, bekommt die Ergreifung des Psychopathen eine neue Brisanz.

    „Das Schweigen der Lämmer“ bezieht seine Güte und Faszination aus dem oscarprämierten Spiel der beiden Hauptdarsteller. Jodie Foster („Contact”, „Panic Room”, „Nell“) brilliert als intelligente, willensstarke, angehende FBI-Agentin, die sich in einer von Männern dominierten Welt versucht, durchzusetzen. Eine Perfektionistin, die nicht weiß, ob sie das kultivierte Monster hinter der Glasscheibe des Hochsicherheitsgefängnisses verachten oder bewundern soll. Als sie das erste Mal auf Dr. Hannibal Lecter trifft, rekapituliert ihr dieser ihren gesamten Lebenslauf und in Clarice’ Augen ist förmlich zu lesen, dass er mit jedem Wort ins Schwarze trifft. Er durchschaut die junge Frau: Sie, die doch alles in ihrer Macht stehende tut, um ihre Gefühle, Schwächen und Ängste vor der Außenwelt zu verbergen. Lecter, der mit unheimlicher Intensität von Hopkins („Hannibal“, „Hearts In Atlantis“, „Instinct“, „Der menschliche Makel“) verkörpert wird, bereitet es Freude, sie psychisch zu entblößen.

    Er hat anfangs nicht die Absicht, ihr zu helfen, er spielt nur mit ihr. Doch als sein Zellennachbar gegenüber Clarice, deren Aufrichtigkeit und Willensstärke ihm imponieren, eine Taktlosigkeit begeht, gibt er ihr doch einen ersten Hinweis auf Buffalo Bill. Dieser soll nachfolgende Treffen zwischen der ganz und gar nicht naiven Schönen und dem weltgewandten, aber höchst gefährlichen Biest initiieren. Kameramann Tak Fujimoto zeigt dabei die Gesichter der beiden ausgezeichneten Darsteller immer wieder in Nahaufnahmen, was einen enormen atmosphärischen Effekt hat.

    Auch wenn es bei „Das Schweigen der Lämmer“ eigentlich um die Suche nach dem widerwärtigen Massenmörder Buffalo Bill geht, der durch seine Taten eine Metamorphose zu bewirken erhofft, ist Hannibal Lecter der eigentliche Antagonist. Obwohl er sich den größten Teil des Films hinter einer Glaswand in einem alten Gemäuer eines Gefängnisses befindet und ohne ihn die Lösung des Falles undenkbar wäre, wird ihm diese Rolle im Film zu Teil. Seine durchdringenden Augen und dämonischen Blicke lassen einen erschauern. Der ausgezeichnet dargestellte Gegensatz zwischen der Bestialität und Feingeistigkeit, des sich wohl selbst in der Rolle des Gentleman sehenden Lecter ist einfach faszinierend und aufregend. Die Informationen zu dem häutenden Gesuchten gibt Dr. Lecter nur nach dem quid-pro-quo-Prinzip preis. Nur wenn Clarice etwas von ihrem Innersten offenbart, wenn sie sich auf die nicht vorhandene Couch des ehemals erfolgreichen Psychiaters begibt, kann sie auf einen weiteren Tipp hoffen.

    Dunkle, gedämpfte Farben prägen die Bilder des Films. Zusammen mit der dezent, dafür aber punktuell perfekt eingesetzten Musik, schaffen sie eine gespannte Atmosphäre. Auch mit einem furiosen, nervenaufreibenden Finale weiß der Thriller aufzuwarten. Nie wurde ein Nachtsichtgerät so gut und effektvoll in Szene gesetzt. Mit „Das Schweigen der Lämmer“ schuf Regisseur Jonathan Demme einen der besten Thriller, der sich durch eine perfekt inszenierte Geschichte, hervorragend ausgearbeitete Charaktere und herausragende schauspielerische Leistungen auszeichnet. Die Spannung entsteht dabei weniger durch blutige Effekte, sondern durch die Bilder, die der Zuschauer sich in Gedanken ausmalt.

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