„Kevin - Allein zu Haus“ war 1990 die Komödie schlechthin und gehört bis heute zu den hundert erfolgreichsten Filmen aller Zeiten, der bei einem Budget von 15 Millionen Dollar weltweit mehr als 500 Millionen Dollar einspielte, und den damals noch unbekannten Jungdarsteller Macaulay Culkin quasi über Nacht zu einem erfolgreichen Kinderstar machte. Es folgten noch drei weitere Kevin-Filme, die aber niemals wieder die Originalität des Erstlingswerks erreichen konnten. Soweit zu den harten Fakten. Der Film ist jedoch noch aus einem ganz anderen Grund interessant, zeigt sich an ihm doch hervorragend, wie man aus einem extrem dünnen Plot einen überaus witzigen Film machen kann, der bei genauerer Betrachtung im letzten Drittel überaus sadistische Tendenzen aufzuweisen hat, und für einen Familienfilm Marke Hollywood trotz obligatorischer Moralkeule mitunter ziemlich zur Sache geht. Doch Schadenfreude bleibt eben auch hier bekanntlich die Schönste.
Kevin McCallister (Macaulay Culkin) muss zusammen mit seiner Großfamilie den seit langem geplanten Weihnachtsurlaub in Paris verbringen. Doch am Abend vor der Abreise kommt es zwischen ihm und seiner Mutter Kate (Catherine O`Hara) wieder mal zu einem handfesten Streit, der für Kevin als Strafe für sein Benehmen auf dem Speicher endet. Am nächsten Tag passiert im Trubel des allgemeinen Aufbruchs ein folgenschwerer Fehler, und Kevin sieht sich am Morgen auf sich allein gestellt. Er wurde von seiner Großfamilie schlichtweg vergessen, weiß aber nach kurzem Schock schnell die Vorzüge zu schätzen, der „Herr im Haus“ zu sein. Doch nach einiger Zeit bemerkt er, dass er eben nicht allein ist. Die beiden Einbrecher Harry Lime (Joe Pesci) und Marv Merchants (Daniel Stern) haben es auf die Habseligkeiten der McCallisters abgesehen. Doch Kevin weiß sich, unter Mithilfe des seltsamen Einzelgängers und Nachbarn Mister Marley (Roberts Blossom), mit allerhand einfallsreichen Tricks gegen die Eindringlinge zu wehren.
Es gibt wirklich nur wenige Filme aus dem Bereich der Komödie, bei der man sich so stark das letzte Drittel herbeisehnt wie bei „Kevin – Allein zu Haus“, vorausgesetzt natürlich, man weiß bereits, was da an Spaß auf einen zukommt. Bis zu dem Punkt, an dem die Einbrecher Lime und Merchants (besser bekannt als die „feuchten Banditen“) zum ersten Mal versuchen, in das Haus zu gelangen, haben wir es hier mit einer durchaus netten, aber im Ganzen doch eher belanglosen Komödie zu tun, die keinem weiter weh tut. Das tut sie ab dem genannten Zeitpunkt dann aber wortwörtlich, und lässt unsere trotteligen Möchtegernkriminellen von einer Falle in die nächste tappen. Dabei erweist sich Kevin als wirklich schlaues Kerlchen, das sich wohl im Fernsehen mehr als genug Anregungen geholt haben muss. Was hier an unverholt abgefeierten Brutalitäten präsentiert wird, ist schon beachtlich. Da werden Hände und Köpfe angebrannt, alle möglichen harten Gegenstände auf den Kopf gehauen, und nicht selten steht sich das nicht gerade mit einem immens hohen Intelligenzquotienten ausgestattete Zweiergespann selber im Weg. Aber genau das macht einfach höllischen Spaß, denn in diesem Teil verzichtet der Film auf allzu große moralische Rechtfertigung (die am Ende natürlich wieder zur Familienzusammenführung ausgebreitet wird) und haut stattdessen ein Gagfeuerwerk nach dem nächsten raus.
Hier muss natürlich vor allem das grandiose (und für den Typ Rolle extrem differenzierte) Spiel von Joe Pesci hervorgehoben werden, der seinen Harry Lime mit fiesem Dauergrinsen herrlich schmierig gibt, so dass man ihm all die schmerzhaften Zusammenstöße mit gutem Gewissen wünschen kann. Demnach ist man wieder wie zu anfangs ein wenig gelangweilt, wenn dem Zuschauer nach erfolgreicher Verteidigung des heimischen Domizils erklärt werden muss, was der kleine Kevin denn nun von all dem gelernt hat, und was wir im Gegenzug von ihm gelernt haben. So entpuppt sich der seltsame Nachbar Marley natürlich als gar nicht so seltsam, wie von allen Familienmitgliedern zunächst gedacht. Vielmehr ist er ein hilfsbereiter und extrem einsamer Mann, den Kevin beim Beten in der Kirche (!) antrifft, und dann auch noch nebenbei mit seiner Familie wieder zusammenführt.
Aber nun gut, immerhin haben wir es bei „Kevin – Allein zu Haus“ mit einem Familienfilm zu tun, der nach bestimmten Regeln abzulaufen hat. Da darf dann auch gerne mal zwischendrin auf die Tränendrüse gedrückt werden, vor allem, wenn der Hauptteil des Films ein absolutes Highlight in Sachen Gagdichte darstellt, kombiniert mit geradezu rüden Slapstickeinlagen und einem großartig aufgelegten Joe Pesci. Damals wie heute ist „Kevin – Allein zu Haus“ ein großer Spaß, der – sofern man die Möglichkeit dazu hat – vor allem im Original sehenswert ist.