Spielberg kann großes Drama wie große Unterhaltung. Das fällt immer wieder auf. "Lincoln" gehört zur ersten Gattung, und es ist wirklich bewundernswert wie der Regisseur, dem man seine Handschrift immer anmerkt, tatsächlich eher zurückhaltend inszeniert. Manchmal vielleicht sogar zu sehr, könnte man meinen. Doch letztlich bleibt auch der bekannte Stil erhalten. Das merkt man schon an dem pathetischen Soundtrack, der von dieser so erfrischenden Zurückhaltung nicht getroffen wird. Und man merkt es auch an manchen Reden der Leute. Die so wichtigen Figuren - gleichzeitig die moralisch integeren - Lincoln und Stevens werden zwar von ihren Darstellern kongenial verkörpert, aber das Drehbuch macht sie letztlich doch zu großen Helden. Es ist sicherlich ein schmaler Grat, und es ist sicher bewusst so angelegt, dass diese Charismatiker trotzdem auch sehr gut im Hinterzimmer intrigieren können, um ihre moralischen Ziele durchzusetzen. Nach meiner Betrachtungsweise schafft es das Drehbuch und die Inszenierung aber nicht hier ein wirkliches Dilemma aufzubauen. Spielberg & Co. wollen hier Grauzonen zeigen, die aber letztlich doch zu sehr von der Farbe weiß durchtränkt bleiben. Lincoln und Stevens bleiben trotz allem weiterhin Lichtgestalten, gerade ersterer, wenn er mal wieder seine Geschichten erzählt. Dieser Spagat hätte mutiger ausfallen können. Auch deswegen bleiben die übrigen Figuren eigentlich alle wesentlich interessanter und hätten tieferer Ausarbeitung bedurft. Sally Field als Lincolns Frau wurde meines Empfindens nach zu viel Spielzeit eingeräumt.
So bleibt auch die Hinterzimmerproblematik insgesamt etwas zu schwammig. Ich hätte mir davon einfach mehr und genaueres gewünscht. Ich empfinde Lincoln etwas unausgewogen (zugunsten der Szenen aus dem Privatleben) und spannungsarm. Diese Art der Politik kann sehr spannend inszeniert werden, doch "Lincoln" als Ganzes verpasst das.
Fazit: Ein toller Film mit einem für Spielberg mutigen Ansatz, der aber nicht zu Ende gedacht wird. Super Darstellerleistungen, doch irgendwie wirken die vorhandenen Szenen nicht geschliffen genug, und anderes fehlt. Plus weiterer Einschleicher bekannter Spielberg-Mechanismen, ist "Lincoln" zwar gut anzusehen, aber nicht so genial wie man meinen dürfte.