Nach seinem grandiosen Regiedebüt mit „Eiskalte Engel“, in dem er Choderlos de Laclos’ dekadenten Roman „Gefährliche Liebschaften“ aus dem französischen Rococo im 18. Jahrhundert kongenial in die heutige New Yorker Teen-High-Society verlegte, konnte es für Roger Kumble eigentlich nur noch in eine Richtung weitergehen – nach unten. Und wirklich: Konnte die Direct-To-DVD-Fortsetzung „Eiskalte Engel 2“ noch als interessante Kopie des Originals überzeugen, ohne natürlich an dieses auch nur entfernt heranzureichen, wartete der nachfolgende Partyfilm Super süß und super sexy nur noch mit sehr vereinzelten Lachern auf und muss im Ganzen als gescheitert betrachtet werden. Aber wer Kumble nach diesem peinlichen Ausrutscher schon abgeschrieben hat, könnte falscher kaum liegen. Denn mit der ebenso intelligenten wie urkomisch-bekloppten Romantic-Comedy „Wild X-Mas“ meldet er sich nun mit einem Paukenschlag zurück, der dem geneigten Zuschauer die Lachtränen nur so in die Augen treibt.
Seit der sechsten Klasse ist der herzensgute, übergewichtige Chris (Ryan Reynolds) in seine beste Freundin, die Schulschönheit Jamie (Amy Smart), nun schon heimlich verliebt. Die Abschlussfeier, auf der er ihr endlich seine Liebe gestehen will, entwickelt sich jedoch zu einem peinlichen Desaster. Chris flieht nach Los Angeles, wo er ordentlich abspeckt, einen einflussreichen Job bei einer Plattenfirma bekommt und zum heißesten und rücksichtslosesten Stecher der Stadt mutiert. So kommt es auch, dass er Samantha James (Anna Faris), die heißeste Newcomerin der letzten Jahre, auf Befehl seines Bosses über Weihnachten nach Paris ausführen muss. Aber weil Alufolie und Mikrowelle sich nun einmal nicht sonderlich gut verstehen, muss der Privatjet in New Jersey, ganz in der Nähe von Chris’ Heimatstadt, die er seit zehn Jahren nicht mehr besucht hat, notlanden. Chris beschließt, sich an Jamie, die ihn immer in der höllenähnlichen Friends-Zone zappeln ließ, zu rächen. Aber der Plan geht schief, weil Jamie zum einen von dem arroganten Angeber gar nichts wissen will und zum anderen, weil Chris sein Herz sofort wieder an seine einstige Flamme verliert. Außerdem taucht auch noch der sensible Musiker Dusty (Chris Klein, American Pie, American Dreamz[url]) auf, der selbst ein Auge auf Jamie geworfen hat…
In seiner Anlage ist „Wild X-Mas“ durchaus mutig. Natürlich drückt er im Endeffekt (äußerst gekonnt) die gleichen manipulativen Knöpfe wie jeder Vertreter des romantischen Fachs, beleuchtet das mechanische Rom-Com-Genre aber trotzdem aus einer eher ungewöhnlichen Perspektive. Immerhin tritt die Identifikationsfigur über einen Großteil des Films hinweg als egoistischer Kinder- und Frauenhasser auf, den man so kaum als romanischen Helden erwartet hätte. Dass er die Funktion des Sympathieträgers trotzdem zufriedenstellend ausfüllen kann, hängt natürlich damit zusammen, dass man ihn in der Rückblende zu Beginn als noch nette und rücksichtsvolle Figur kennen gelernt hat. Aber abseits dieses dramaturgischen Kniffs kann die ungewohnte Herangehensweise doch als Aufhänger für den einen oder anderen noch nicht zigmal gesehenen Gag herhalten und interessante neue Sichtweisen auf die formelhaften Abläufe des Genres ermöglichen.
Außer den typischen Romantik-Gags zieht „Wild X-Mas“ sein Humor-Potential vor allem aus einem Konflikt, der vor allem in letzter Zeit wieder dem Horror-Genre vorbehalten schien. Seitdem die letzte Wahl und George W. Bushs Bestätigung als Präsident die USA noch stärker gespalten haben, treten die alten Streitereien zwischen Stadt- und Landbevölkerungen wieder in aller Offenheit und Intensität hervor. Dass sich Kumble sehr für diese Differenzen interessiert, merkt man vor allem an der Lebensgeschichte von Chris: Solange er in New Jersey lebte, war er ein zuvorkommender, bodenständiger Junge, der nicht einmal in die Nähe von Sex kam. Und L.A. verwandelte ihn innerhalb kürzester Zeit in einen respektlosen, abgestumpften Ladykiller, der nicht mehr dazu in der Lage ist, echte Gefühle zu empfinden. Auch wenn die auf diesen Konflikt abzielenden Gags – vor allem wenn Anna Faris an ihnen beteiligt ist – oft rabenschwarz sind, geht Kumble dann aber insgesamt doch angemessen liebenswürdig mit beiden Seiten um. So entscheidet sich Chris natürlich dazu, für Jamie zu seinem ländlichen Ich zurückzukehren. Auf der anderen Seite enden die beiden Jungen, die Jersey nie verlassen haben, aber als verlogener Schlagersänger und glatzköpfiger Trinker.
Nur einer der drei Hauptdarsteller vermag in „Wild X-Mas“ nicht zu überraschen: Amy Smart, die das nette Mädchen von nebenan auch schon in [url]Road Trip, Rat Race und zuletzt Ein Trauzeuge zum Verlieben verkörperte, ist hier genauso sympathisch, charmant und wunderschön wie eigentlich immer. Auch wenn Ryan Reynolds in The Amityville Horror endlich mal bewiesen hat, dass er doch schauspielern kann, hätte man nach seinen eher peinlichen als lustigen Auftritten in „Party Animals“ und „Die Hochzeitsfalle“ aber doch keinen Pfifferling mehr darauf gesetzt, dass aus ihm noch ein guter Komödiant wird – und die Wette verloren! In „Wild X-Mas“ verkörpert er sein sympathisches Ich mit Cola, Keksen, Zahnspange und Fatsuite genauso gekonnt komisch wie das gutaussehende, aber arrogante Ekelpaket. Und Anna Faris setzt mit ihrer besonders bösartigen Britney-Aguilera-Paris-Richie-Parodie in fast jeder ihrer Szenen ein satirisches Highlight – und spielt sich so verglichen mit ihren Auftritten im „Scary Movie“-Franchise selbst an die Wand.
Hinzu kommt, dass „Wild X-Mas“ endlich mal wieder eine romantische Komödie ist, bei der auch die zahlreichen Slapstick-Einlagen hervorragend funktionieren. Muss man sich sonst oft durch die angestrengt wirkenden Passagen hindurchquälen, sind hier das brutale Chris-gegen-gemeine-Kids-Eishockeyspiel und die flammende Demontage des mit Rentieren, Santa Clause und unendlich vielen Lichterketten dekadent geschmückten Weihnachtshauses wahre Comedy-Highlights. Es kommt halt einiges zusammen, was Roger Kumbles Regie-Comeback und Ryan Reynolds komödiantischen Durchbruch zu einem urkomischen Kinovergnügen macht, bei dem man sich in keinen Szene schämen muss, auch über beklopptere Gags lauthals loszulachen.