Seit 1952 lehrt Ian Flemings James Bond die bösen Buben das Fürchten – und ist damit keineswegs der dienstälteste Superspion der westlichen Welt. Hubert Bonisseur de La Bath wurde schon Jahre vor 007 für die Wahrung des Weltfriedens eingesetzt. Außerhalb seiner französischen Heimat fristete der unter dem Decknamen OSS 117 Spionierende allerdings ein Mauerblümchendasein. Trotz eines fleißigen Erfinders – Jean Bruce verfasste 88 Romane, seine Frau Josette steuerte dazu gleich 143 Bücher bei – und einer Filmreihe in den Sechzigern geriet dieser Geheimagent in Vergessenheit. So sorgte erst die Neugeburt des James-Bond-Franchises für die äußerst erfolgreiche Wiederentdeckung des französischen Helden. Doch „OSS 117 – Der Spion, der sich liebte“ ist nicht annähernd so ernst und grimmig wie Casino Royale. Vielmehr ehrt Michel Hazanavicius das Agentenkino von einst mit einer augenzwinkernden und urkomischen Parodie, in der die von Jean Dujardin gespielte Titelfigur beim Lösen des Falles kaum ein Fettnäpfchen auslässt.
1955 spitzt sich die Sueskrise langsam zu. Nach dem Sturz König Faruqs übernahm Gamal Abdel Nasser die Macht und lenkte seine Politik in eine panarabische Richtung. Aufgrund der strategisch und wirtschaftlich wichtigen Position des Sueskanals zeigten sich der britische Geheimdienst und die französischen Kolonialherrscher wenig erfreut über die Ereignisse. Als dann auch noch Jack Johnson (Philippe Lefebvre), ein Agent des amerikanischen Nachrichtendienstes spurlos verschwindet, wird OSS 117 (Jean Dujardin) nach Kairo entsandt, um den Hexenkessel vor dem Überkochen zu bewahren…
Reihenweise legte James Bond in den Sechzigern die Frauen flach. Es ist zwar eine unglückliche Kurzehe (Im Geheimdienst ihrer Majestät) bekannt, aber Nachkommen hat der eifrige Liebhaber nicht gezeugt. Oder doch? Jean Dujardin (99 Francs) sieht auf den ersten Blick wie ein uneheliches Kind von Sean Connery aus und imitiert Gestik und Mienenspiel des Schotten punktgenau. Doch im Gegensatz zu „Papa“ Sean ist der Nachwuchs ein unglaublicher Kolonialistenchauvi, der im Minutentakt die ägyptische Bevölkerung beleidigt und eine willige Frau auch mal uncharmant abblitzen lässt, weil er gerade nicht in der Stimmung für ein Schäferstündchen ist. Allerdings ist OSS 117 auch kein bis zur Unkenntlichkeit überzogener Anarchoagent wie Austin Powers. Die Drehbuchautoren gestehen dem eigenwilligen Spion zwar einen Kindskopf zu und lassen ihn zum Beispiel mit größter Leidenschaft Hühner ärgern – mit einer etwas besseren Etikette könnte der gute Hubert aber mühelos in einem „richtigen“ Spionagefall agieren.
Optisch und musikalisch spielt Michel Hazanavicius bei der Inszenierung des Agentenabenteuers großartig mit dem Look der 50er und 60er Jahre. Dem klassischen Bond-Vorspann wird mit stilsicheren Opening-Credits eine famose Referenz erwiesen, die Kulissen und Kostüme wurden vermutlich direkt mit einer Zeitmaschine aus der Vergangenheit geholt und um die Illusion perfekt zu wahren, fahren Autos stets vor offensichtlichen Rückprojektionen. Alleine diese detailverliebte Herangehensweise verleiht „OSS 117“ einen ganz eigenen Charme, der durch den doppelbödigen Humor zusätzlich Würze erhält. Nicht nur, dass für unzählige Nationen köstliche Klischeefiguren auftreten – und so mal wieder ein paar Nazideutsche das Land am Nil unsicher machen –, auch die einstige Kolonialmacht Frankreich bekommt pausenlos ihr Fett weg. OSS 117 ist ein arroganter Egoist, der völlig unreflektiert durch das ihm fremde Land stolpert. Für sein ästhetisches Empfinden ist es ein Unding, dass die Autos in der Wüstenregion staubbedeckt sind. Der Muezzin, der mit seinem Ruf zum Morgengebet die Nachtruhe des Agenten stört, wird kurzerhand mundtot gemacht. Und Arabisch? Das ist eine unverständliche Sprache mit unleserlichem Schriftbild – aber das sprechen so oder so nur eine Handvoll Menschen.
Der einzelne Witz ist hier natürlich viel wichtiger als der große Zusammenhang, so gerät der eigentliche Spionagefall vollständig in den Hintergrund. Wie es in einem schlechten Agentenfilm üblich war und ist, hat mindestens das halbe Ensemble irgendwie Dreck am Stecken. Der völlig überforderte OSS 117 stolpert in bester Inspector-Clouseau-Manier über die entscheidenden Hinweis und so entlarvt er die Fieslinge schließlich auch unfreiwillig beim Hinfallen.
Wer nach Hazanavicius' desaströsem Drehbuch zu Die Daltons gegen Lucky Luke verständliche Bedenken hat, kann beruhigt werden: Diesbezügliche Schreckensszenarien zerplatzen glücklicherweise wie eine Seifenblase. „OSS 117 – Der Spion, der sich liebte“ ist eine detailverliebte Spionagekomödie, die den Zuschauer zurück in die Fünfziger katapultiert. Und spätestens wenn Jean Dujardin perlweißes Zahnarztlächeln aufblitzt, hat man den unwiderstehlichen Trottel vom OSS in sein Herz geschlossen.