Neun Fremde finden sich ohne jede Vorwarnung in einem abgeschotteten Haus wieder, wo sie von einer körperlosen Stimme dazu aufgefordert werden, gegeneinander anzutreten – der Sieger soll fünf Millionen Dollar und seine Freiheit erhalten. Irgendwie erinnert dieser High-Concept-Ansatz von Steven R. Monroes Direct-To-DVD-Thriller „House Of 9“ stark an die Ausgangssituation der letztjährigen Sequel-Enttäuschung Saw 2. Aber dennoch verlaufen die beiden Filme in komplett unterschiedlichen Bahnen, hat sich Drehbuchautor Philippe Vidal doch an nahezu jeder entscheidenden Wegkreuzung genau für die Anti-Saw-Lösung entschieden. So schlägt „House Of 9“ meist Richtungen ein, die viel interessantere Fragen als das Sägen-Franchise aufwerfen, wobei das niedrige Budget, die teilweise extrem schwachen Darsteller-Leistungen und eine zu überhastete letzte halbe Stunde aber letztlich doch verhindern, dass er sich trotz der gelungenen Story-Ansätze qualitativ von seinem Konkurrenten Saw 2 positiv absetzen könnte.
London: Neun Menschen, ein Priester (Dennis Hopper), ein Cop (Raffaello Degruttola), eine Tänzerin (Kelly Brook), ein Rapper (Asher D), ein abgehalfterter Tennisstar (Susie Amy), eine ehemals vermögende Hausfrau (Julienne Davis), ein Knasti auf Bewährung (Morven Christie), ein Mode-Designer (Peter Capaldi) und ein durchgeknallter Künstler (Hippolyte Girardot) werden allesamt in der selben Nacht betäubt, entführt und in ein abgeriegeltes Haus gebracht – die Türen sind verschlossen, die Fenster zugemauert. Gerade als sich die Gedanken im Schädel der Gefangenen wieder zu ordnen beginnen, meldet sich eine befremdlich klingende Stimme über die Sprechanlage: Dies sei der ultimative Test der Menschlichkeit. Nur einer würde überleben können und dafür auch noch mit fünf Millionen Dollar belohnt. Und das Ganze hätte keinen tieferen Sinn, würde einzig zur simplen Unterhaltung des Unbekannten dienen. Zunächst können Cop Jay mit seiner Knarre und Father Duffy mit seinen Bibelsprüchen die Truppe noch davon abhalten, sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen. Doch als das Essen und der die Nerven beruhigende Alkohol zur Neige gehen, ist der einsetzende Blutrausch bei einigen nicht mehr unter Kontrolle zu bringen…
Im Gegensatz zu Saw 2 setzt „House Of 9“ seine thematischen Schwerpunkte nicht auf perfide Todesarten oder möglichst abstruse Wendungen, sondern interessiert sich eher für Fragen der Gruppendynamik und Moral. So bauen sich zum Beispiel in der Gefangenschaft schnell dieselben Herrschaftsstrukturen wie in der Außenwelt auf – der mit der Waffe hat das Gewaltmonopol und damit auch das Sagen, alle, die gegen seine Regeln verstoßen, werden bestraft und eingesperrt. Auch sind die ersten Todesfälle vielmehr Folge von persönlichen Machtkämpfen und Eifersüchteleien, als dass es wirklich ums Überleben oder die fünf Millionen Dollar Siegprämie gehen würde – da in dem abgeriegelten Haus sowohl legale als auch soziale Konsequenzen schnell in den Hintergrund treten, setzt sich die in der realen Welt von Staat und Religion unterdrückte wahre menschliche Natur bald wieder durch. Allerdings verliert der Film in diesem Bereich nach einer Dreiviertelstunde langsam, aber sicher jede Genauigkeit. Dass nun die Todesfälle in viel zu hektischer Abfolge Schlag auf Schlag kommen, führt zu einer uninteressanten Beliebigkeit im Verhalten der Charaktere. Und auch der zwar bitterböse, aber zu wenig konsequente Schlusstwist ist dann nicht mehr als ein zu wenig durchdachtes Genrezugeständnis.
Im Gegensatz zu Saw 2 dienen die Figuren bei „House Of 9“ nicht nur als Fallenfutter, sondern erhalten, auch wenn der Film erwartungsgemäß insgesamt eher oberflächlich bleibt, genau soviel Hintergrund, dass der Zuschauer sich auch für die Charaktere selber und nicht nur ihren möglichst abgefahrenen-blutigen Abgang zu interessieren beginnt. Allerdings haben diese vorsichtigen Ansätze auch zur Folge, dass von den Darstellern mehr gefordert wird – ein Anspruch, dem zu viele Mitglieder des Casts nicht gerecht werden können. So kann Dennis Hopper (Easy Rider, Land Of The Dead) die Eindimensionalität seines Charakters zwar mit seiner enormen Leinwandpräsenz kompensieren und auch Peter Capaldi sowie Asher D können mit ekelhaft-charmanter Arroganz bzw. bissiger Selbstironie punkten, dann sieht’s aber auch schon düster aus: Vor allem Raffaello Degruttola (Citizen Verdict, Dot.Kill), der weniger als harter Cop denn als lächerlicher Rumpelstilzchen-Verschnitt rüberkommt, und Hippolyte Girardot, der zwar als neurotisches Arschloch agieren soll, dem Zuschauer irgendwann aber einfach nur noch auf die Nerven geht, fallen dabei besonders negativ auf.
Im Gegensatz zu Saw 2, der in einer verdreckten Bruchbude spielt, ist das Haus in „House Of 9“ eine unterkühlt, aber hochmodern eingerichtete Villa, deren Fußboden aus feinstem Marmor besteht und in der selbst das per Aufzug geschickte Essen merkwürdig steril wirkt. Monroe versteht es dabei, geschickt die Symmetrien der Räume und Gänge für seine unerwartet filmischen Kamerafahrten und Einstellungen auszunutzen – natürlich macht die moderne Architektur mit ihren klaren Formen es dem Regisseur auch einfach, eine interessante Art der Inszenierung zu finden, aber auch ein solches Geschenk muss man erstmal annehmen können. Leider macht Monroe aber im Verlauf des Films den Fehler, von seiner straffen Inszenierung abzuweichen und mehrmals in einen immer melodramatischer werdenden Videoclip-Stil zu verfallen. „House Of 9“ hat in allen Bereichen positive Ansätze, denen er im Endeffekt aber nur selten gerecht werden kann - er bleibt zwar stets interessant, wird aber nie wirklich gut. So endet der Vergleich zwischen Saw 2 und „House Of 9“ in einem für beide Seiten unbefriedigenden, für den Zuschauer glanzlosen Unentschieden.