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    Triff die Robinsons
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Triff die Robinsons
    Von Carsten Baumgardt

    Die Umstellung vom guten alten Zeichentrickfilm zu Computeranimationen hat Disney hart getroffen. Himmel und Huhn, die erste Produktion des neuen Studios Disney Animations, konnte zwar an der Kinokasse halbwegs überzeugen, aber künstlerisch blieb der Film weit hinter der Konkurrenz zurück. Disney zog schon vorher die Notbremse und kaufte – clever – kurzerhand den Animationsbranchenprimus Pixar auf. Doch bevor es richtig los geht, steht erst einmal Stephen J. Andersons „Triff die Robinsons“ ins Haus. Die Animationskomödie ist ein klarer Schritt nach vorn, ragt aber aus den Schwemmen von CGI-Filmen nicht mehr heraus.

    Der Waisenjunge Lewis (Stimmen: Daniel Hansen und Jordan Fry) ist verzweifelt. Kein potenzielles Elternpaar will den kleinen Erfinder adoptieren. Dabei wird er doch bald 13 Jahre alt. Im entscheidenden Augenblick geht immer sein Wissenschaftsgeist mit ihm durch und er vermasselt alles. Seinem Zimmernachbarn Goob (Matthew Josten) ergeht es jedoch nicht besser – allerdings ist sein Hindernis die Trägheit. Doch bei der Wissenschaftsmesse soll Lewis groß rauskommen. Mit seiner neuesten Maschine möchte er Menschen verlorene Erinnerungen zurückbringen. Dabei hat er auch eigene Interessen. Lewis will sich an seine Mutter erinnern, um diese ausfindig zu machen. Doch bei der Präsentation geht seine Erfindung in die Luft und das Dilemma ist groß. Was er nicht weiß: Der böse Melonenmann (Regisseur Stephen J. Anderson) ist aus der Zukunft eingeschwebt, um Lewis’ Aufritt zu ruinieren und das Gerät zu stehlen. Der Junge Wilbur (Wesley Singerman) will Lewis helfen und nimmt ihn in seiner Zeitmaschine einfach mit in die Zukunft, wo er hergekommen ist, um den Melonenmann aufzuhalten. Wilburs ausgeflippte Sippe schließt Lewis gleich ins Herz. Er glaubt, endlich eine neue Familie gefunden zu haben, doch die Sache hat einen gewaltigen Haken...

    7,4 Milliarden Dollar ließ sich die Maus-Company den Aufkauf von Pixar (in Aktienanteilen) kosten. Diese unglaubliche Summe dokumentiert eindrucksvoll das Maß an Verzweifelung Disneys über die verlorene Marktführerschaft im Bereich Zeichentrick/Animation. Von 1991 bis 2006 kooperierten Pixar und Disney, nach Differenzen und der Abspaltung griff Disney zu und übernahm die CGI-Schmiede einfach. Mit „American Dog“ steht 2008 die erste Pixar-Arbeit unter dem Disney-Dach ins Haus. Um die allgemeine Misere mit verschiedenen Strategien zu stoppen, geht Disney wieder einen Schritt zurück in die Vergangenheit und kündigte mit „The Frog Princess“ einen handgezeichneten 2D-Film an. Sicherlich der richtige Weg, um wieder zu altem Charme zurückzufinden, landete Disney damit zwischen 1989 und 1999 doch eine unglaubliche Hitserie mit zehn Filmen, die in Deutschland mindestens drei Millionen Besucher anlockte - in der Spitze („König der Löwen“) bis zu elf Millionen. Doch unbeachtet von den strategischen Possenspielen und Wehmutsgedanken soll „Triff die Robinsons“ das Herz des Publikums erobern. Als Regisseur zeichnet Stephen J. Anderson verantwortlich, der bereits im Kreativteam von „Ein Königreich für ein Lama“ und Bärenbrüder vertreten war.

    „Triff die Robinsons“ basiert auf dem erfolgreichen Kinderbuch „A Day With Wilbur Robinson“ von William Joyce aus dem Jahr 1990. In den modernen Zeiten von Computer-Generated Imagery, kurz CGI, ist der Fokus noch mehr auf Story und Charaktere gerichtet, da die technischen Unterschiede geringer geworden sind. Bei „Himmel und Huhn“ griff Disney daneben, bei „Tierisch wild“, der zumindest unter der Ägide von Walt Disney Pictures entstand, erinnerte zudem nahezu alles an DreamWorks’ CGI-Monsterhit Madagascar. Das böse Wort „Plagiat“ war nicht weit. Die Geschichte von „Triff die Robinsons“ ist durchaus unterhaltsam. Zurück in die Zukunft meets „Alice im Wunderland“ meets „Stuart Little“. Das im Genre äußerst beliebte Zitieren der halben Filmgeschichte betreibt auch Regisseur Stephen J. Anderson einigermaßen ausgiebig. Egal ob Krieg der Sterne, Jurassic Park oder „Die Addams Family“, teils werden ganze Sequenzen und Ideen einfach übernommen, was dann weniger originell aber zumindest effektiv ist. Das Zitateraten ist ohnehin als Spaß für die begleitenden Erwachsenen gedacht, die auch beim Wortwitz hier und da ein Schmankerl abgekommen, während die Kinder in dieser Phase verstummen, da sie die Zusammenhänge gar nicht begreifen können (Goob: „That what happens, when you have a science geek as a roommate“). Was auch für den Witz mit Tom Selleck gilt, der später noch einen wichtigen stimmlichen Aufritt haben soll. Recht ungewöhnlich für einen Kinderfilm ist übrigens der kleine Storytwist, der für die Erwachsenen im Publikum sicher keine Überraschung ist, aber für die kleinen Besucher dennoch etwas Unerwartetes zu bieten hat.

    Da A und O, womit jeder animierte Film steht und fällt, sind jedoch die Charmewerte der Charaktere. Und hier bewegt sich „Triff die Robinsons“ im soliden Bereich. Abgesehen von der wohl unvermeidlichen, überstrapazierten Nickelbrille ist der geniale Erfinder Lewis ein sympathischer kleiner Kerl, mit dem die Zuschauer mitfiebern können. Sein Sidekick Wilbur ergänzt ihn gut, doch trotzdem fehlt der überragende Witzbold, der die Geschichte schmackhaft würzt. Die Familie der Robinsons ist zwar reichlich ausgeflippt, aber auch aus ihrer Reihe ragt keiner so recht heraus. Was wäre „Madagascar“ zum Beispiel ohne die Bande der Pinguine? Nur die Hälfte wert! Sowas fehlt bei „Triff die Robinsons“ leider. Trotzdem sind die Figuren näher am Publikum als beispielsweise die Blechbüchsen des artverwandten Robots, wo keine emotionale Bindung zu den Zuschauern entstehen konnte. Großartig und von umwerfendem Charme getragen ist der kurze Aufritt der Jazz-Frösche, die als coole Crooner lässig aufziehen. Mehr davon hätte dem Film gut getan. Der Bösewicht in Form des Melonenmannes fällt genregerecht fies aus, ohne die Kinder dabei zu überfordern.

    Bei der Besetzung der Sprecher hält sich das US-Staraufgebot diesmal stark in Grenzen. Angela Bassett („Strange Days“, The Score, Contact) ist noch die Prominenteste. Doch große Namen sind nicht immer wichtig, sprechen doch die jungen Daniel Hansen und Jordan Fry den Lewis mit erstaunlichem Ausdruck. In der deutschen Version geht der Verleih Buena Vista einen anderen Weg und besetzt mit den Promis Eva Padberg, Rick Kavanian, Ralf Möller und Thomas Gottschalk zumindest einige bekannte Namen.

    Das alte Leiden des CGI-Films, Menschen nicht adäquat animieren zu können, haben die Macher geschickt umgangen. Die menschlichen Figuren tendieren in Richtung liebevolle Karikaturen, die Köpfe sind leicht überproportioniert. Technisch ist „Triff die Robinsons“ auf gutem Niveau, einige Hintergründe wirken ein wenig matt und nicht detailreich genug, um in höhere Regionen des Genres vorzustoßen, aber an den Figuren gibt es nichts auszusetzen. Die gesamte Optik ist quietschbunt, was sich auch in gelegentlichen Albernheiten und aufgeregter Überdrehtheit widerspiegelt. Dennoch wird bei den weiteren Produktionen mit dem Know-how Pixars an Bord technisch noch mehr zu erwarten sein.

    „Triff die Robinsons“ ist ein knallbunter, rasanter Spaß für die ganze Familie. Die Animationskomödie ist nett anzuschauen und tut beileibe niemandem weh. Bei den Ummengen von CGI-Produktionen, die mittlerweile die Leinwand überschwemmen, ist der Markt immer härter umkämpft und Disney musste schließlich mit „Tierisch wild“ etwas nahezu Unbekanntes hinnehmen: einen lupenreinen Flop. Dem neuesten Werk aus dem Haus der Maus wird dieses Schicksal wohl nicht beschieden sein. Zumindest ein solider Hit sollte für „Triff die Robinsons“ drin sein. Und die Monster-Blockbuster fährt Disney dann ohnehin wieder mit Pixar ein – spätestens mit „Toy Story 3“ im Jahr 2009...

    Zum FILMSTARTS.de-Interview mit Synrchonsprecher Ralf Moeller

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