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    Poseidon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Poseidon
    Von Björn Helbig

    Die wirklich richtig guten Filme von Wolfgang Petersen gehören anscheinend der Vergangenheit an. Der Klassiker Das Boot und auch sein spannender Thriller In The Line Of Fire liegen schon eine ganze Weile zurück. Der Sturm oder auch Troja wurden von Kritik und Publikum zwiespältig aufgenommen. Nun ist auch sein neuester Streich „Poseidon“ an den US-Kinokassen abgesoffen. Bei den Produktionskosten von 140 Millionen US-Dollar spielte der Film gerade einmal 60 Millionen Dollar ein.

    Die Geschichte um das Unglück des Kreuzfahrtschiffs Poseidon, welche auf dem Buch „Der Untergang der Poseidon“ („The Poseidon Adventure“, 1969) von Paul Gallico beruht, dürfte den meisten in Kenntnis der Verfilmung durch Ronald Neame (Poseidon Inferno, „Meteor“) bereits bekannt sein. Zwar betont Petersen, dass nur die Grundidee übernommen wurde, der Rest aber auf einem „völlig neuen Drehbuch, das sich auf ganz andere, heutige Figuren konzentriert“ beruhe, wird einem vieles sehr vertraut sein: Am Silvesterabend wird die Poseidon von einer riesigen Flutwelle getroffen und umgekippt, so dass das Schiff mit dem Kiel nach oben auf dem Meer treibt. Dieses Unglück fordert bereits einen Großteil der Besatzung. Nur wenige überleben in dem abgeschotteten Ballsaal an Deck. Die Figuren sind in Petersens Version andere, aber das Handlungsprinzip ist das gleiche. – Gegen die Anweisung des Ersten Offiziers (Gabriel Jarret) macht sich eine Gruppe von Passagieren auf den Weg nach oben, um durch den Schiffsrumpf aus der Todesfalle auszubrechen. Unter der Führung des Glücksspielers Dylan (Josh Lucas) machen sich der ehemalige New Yorker Bürgermeister Ramsey (Kurt Russell), seine Tochter Jennifer (Emmy Rossum), ihr Verlobter Christian (Mike Vogel), der Architekt Richard Nelson (Richard Dreyfuss) und einige andere auf die Suche nach einem Ausweg.

    Ist Poseidon wirklich so schlecht, wie Kyle Smith in der New York Post schreibt und stichelt, „Poseidon“ wäre nach dem falschen Gott benannt worden – Momus als Gott des Lachens und Hohns wäre der bessere Namensgeber gewesen? Sicherlich hat Kyle Smith recht darin, dass Petersens Film viel zu oft unfreiwillig komisch ist. Die internationale Kritik spöttelt, dass man in Petersens neuester Wasserkatastrophe Spezialeffekte vom Feinsten zu sehen bekommt, dass das Budget aber leider nicht mehr für ein ordentliches Skript auszureichen schien. Das Schmunzeln kann man sich tatsächlich manchmal nicht verkneifen, z. B. wenn der Kapitän die Situation erläutert mit den Worten: „Ladies & Gentlemen, we are not exactly sure what has happened. But we think that the ship has been struck by what is called a rogue wave. They are rare, they are unpredictable, and they are lethal.” Derlei Kalauer ziehen sich wie ein roter Faden durch den ganzen Film. „How bad is it?” „Very bad.”

    Aber so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Mit Feuer, Ertrinken, Eingesperrtsein als Urängste und einem Hauch Liebesgeschichte kann man auch nicht soviel falsch machen. Petersen ist sich der Probleme des Skripts durchaus bewusst und gibt deswegen von Anfang an Vollgas. So donnert er über viele Drehbuchschwächen einfach hinweg. Während Neame sich immerhin eine halbe Stunde Zeit nimmt, bis er es zur Katastrophe kommen lässt, sind bei Petersen die Figuren nach einer viertel Stunde bereits eingeführt und das Schiff schwimmt kopfüber im Wasser. Was Petersen und sein Team versuchen, wird schnell klar. Sie wollen die Stärken des Originals nutzen und dessen angestaubten Charme durch moderne Hochglanzästhetik und zeitgemäße Spezialeffekte zu neuen Ehren verhelfen. Und damit haben sie tatsächlich häufig Erfolg. Tempo und Atmosphäre sind Petersen oft gelungen, so dass sein Film über viele gute Momente verfügt. Hier zu nennen sind das Auftauchen der Flutwelle an sich oder einige Stationen der Flucht, z. B. diejenige, bei der sich Nelson „einer Last“ zu entledigen hat oder auch die, bei der sich die Fliehenden von einer Druckkammer in die nächste spülen lassen. Der Look und die Action des Films gehören also zu dessen Stärken – die Figuren (und deren Konstellation) mit Sicherheit nicht.

    Kurt Russell als Robert Ramsey und Josh Lucas als Dylan Johns schaffen es nicht, die gleiche Zugkraft zu entwickeln wie einst Gene Hackman als manischer Reverand Scott und Ernest Borgnine als Polizist Mike Roge. Russell (Dreamer, Dark Blue, Miracle) spielt zwar angenehm dezent und kann gegen Ende noch mit einer intensiven Szene aufwarten, aber so ganz nimmt man ihm den Bürgermeister nicht ab. Nun ist Lucas (Stealth, Spiel auf Sieg, Ein ungezähmtes Leben) auch kein Hackman und Russell kein Borgnine, aber es bleibt anzuerkennen, dass sich beide wirklich Mühe geben, in die großen Fußstapfen zu treten. Positiv erwähnt werden soll noch Richard Dreyfuss, der in der Nebenrolle des selbstmordgefährdeten, homosexuellen Architekten einen ganz sympathischen Eindruck macht. Nicht so gefallen haben Jacinda Barrett (Der menschliche Makel, Im Feuer) als Maggie, welche nicht mehr sein darf als die Gefährtin des heroischen Dylan Johns sowie ihr von Jimmy Bennett gespielter Filmsohn, der nur die Funktion eines Stichwortgebers hat. Die zweifelhafte – wenn auch kurze – Ehre, die nervigste Figur an Bord der „Poseidon“ zu spielen, hat Kevin Dillion (Platoon, The Doors) inne. Sein „Lucky Larry“ trägt seinen Spitznamen allerdings zu unrecht.

    Man muss Petersens „Poseidon“ richtig zu nehmen wissen. Dass jeder Charakter zum passenden Zeitpunkt seine Fähigkeit aus dem Hut zaubert („Ich war früher Feuerwehrmann.“, „Ich bin Architekt.“), sollte man versuchen mit Humor zu sehen. Dass sich nicht sonderlich um einen logischen Aufbau der Katastrophe bemüht wird (Warum hat das hochmoderne Schiff über Funk keine Warnung erhalten?) und auch die Flucht von Ungereimtheiten strotzt, (Maggie James: „Conor! How did you get in there?" Conor James: "I don't know but the water's really high!") ebenfalls. Denn nur dann kann man mit „Poseidon” eine Menge Spaß haben. Die atemlose Hast durch das gut designte, Kopf stehende Schiff, der hohe Bodycount sowie der Trashfaktor, den das schlechte Skript mit sich bringt, dürfte durchaus den Geschmack vieler Zuschauer treffen. Nichts erwarten und sich amüsieren oder einfach wegbleiben ist die Devise.

    Man kann die Schwächen des Films eindeutig dem Drehbuch Mark Protosevichs (The Cell) anlasten. Dieser hatte zwar vor dem Film mit der „Queen Mary 2“ den Atlantik überquert, aber angesichts des Resultats muss man wohl sagen, dass das nicht die richtige Vorbereitung war. Für Petersens nächstes Projekt als Regisseur – der Verfilmung des mehrfach ausgezeichneten Science-Fiction-Romans „Ender’s Game“ von Orson Scott Card – besteht jedenfalls weiterhin Hoffnung.

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