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    Willenbrock
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Willenbrock
    Von Stefan Ludwig

    Ein florierender Gebrauchtwagenhandel, eine Ehefrau, zwei Geliebte, ein Einfamilienhaus, ein Wochenendhaustraum, ein schicker BMW. Wer wäre nicht gerne der Herr über so ein Leben, das dann auch noch funktioniert? Was anfangs wie ein perfektes Leben mit Doppelmoral erscheint, wird in „Willenbrock“ von Andreas Dresen („Halbe Treppe“, „Herr Wichmann von der CDU“) allerdings von Beginn als im Umbruch befindend gezeichnet. Denn wie so oft im Leben geschehen Dinge, die nicht zu kontrollieren sind und vieles verändern. Heraus kommt ein Drama, das scheinbar mühelos beim Zuschauer Begeisterung für seine Figuren auslöst und damit sein Ziel erreicht. Unterhaltend, komisch, packend und intelligent zugleich.

    Willenbrock (Axel Prahl) ist ein Spieler. Er spielt mit den Frauen und schert sich dabei nicht weiter um Altersunterschiede, sondern vergnügt sich neben seiner Ehefrau noch ab und an mit einer Professorin und einer Studentin. Sein Geschäft läuft wunderbar und er erscheint eigentlich rundum glücklich. Eigentlich, denn es verändern sich Dinge. Ist seiner Frau die kaum zu verbergende Untreue auch auf Dauer gleichgültig? Will er sich überhaupt ewig selbst seinem Doppelleben aussetzen? Ein Einbruch auf seinem Autohof und eine Nacht in seinem Wochenendhaus nehmen dann die ersten Steine aus diesem gut konzipierten Bauklotzturm und ist der Anfang einer Kette von merkwürdigen und dramatischen Ereignissen, die Willenbrock an seinem Leben zweifeln lassen.

    Axel Prahl darf zeigen, dass er weit mehr kann, als in Tatorten eine gute Figur zu machen. Dies bewies er schließlich schon in Dresens hoch gelobtem „Halbe Treppe“ Er gibt einen überzeugenden Charmeur ab, der mit seiner Art die Frauen verzaubert und dabei oft auf dem schmalen Grat von Zuckerbrot und Peitsche wandelt. Willenbrock sagt selbst von sich, dass er nicht Mensch der großen Worte ist und auch keiner der großen Gefühle – dennoch kann er Herz und Verstand miteinander gut verbinden. Ausrutscher wie das über den Durst Trinken auf einem Geburtstag einer Geliebten, in den er nur zufällig hineinplatzt anstatt eingeladen zu sein, kann er sich dabei noch erlauben. Die Figur ist Axel Prahl abzunehmen, er spielt sehr gelassen und mit relativ simpler, aber effektiver Gestik und Mimik.

    Die Geschichte fasziniert von Beginn an durch den vielleicht in jedem verborgenen Wunsch wie Willenbrock zu sein. Viel Sex und ausreichend Geld – braucht der Mensch viel mehr, um damit glücklich werden zu können? Regisseur Andreas Dresen deutet jedoch zu Beginn schon an, dass sich etwas Tiefgehendes verändern wird. Die Anfangsszene lässt einen aufgewühlten und gestressten Willenbrock erkennen – warum er es gerade ist, bleibt offen und der tatsächliche Auslöser für das gehetzte Rennen über die Brücke ist genau zwischen dramatisch und komisch angesiedelt. Die Ursachen liegen aber tiefer. Hier ist das Drehbuch auch zum ersten und letzten Mal nicht chronologisch. Später geschieht alles hübsch der Reihe nach, allerdings finden oft Szenen statt, denen es gelingt, mit kurzen Ausschnitten alles Wesentliche zu zeigen. Hier erscheint die Chronologie dann ohnehin ab und an verzichtbar.

    Im Gegensatz zu seinen sonstigen Produktionen bedient sich Dresen dem klassischen analogen Filmen mit der 35mm-Kamera. Damit bringt er zahlreiche Bilder auf die Leinwand, die seine TV-Herkunft nicht verstecken können, aber schon einiges aus dem Kinoformat herausholen. Seine Filme beschäftigen sich immer sehr intensiv mit ihren Figuren – hier stellt er einen Charakter stark in den Mittelpunkt, lässt den Zuschauer aber eine gewisse Distanz bewahren. Es findet Identifikation statt, die aber nicht vollständig sein kann, da die Mehrzahl der Zuschauer einen völlig anderen Lebensstil aufweist und sich beim Hineinversetzen in Willenbrock immer an der doppelbödigen Moral stoßen wird.

    Das große Dilemma des Films ist, dass er sich nicht richtig entscheidet, in welche Richtung er den Zuschauer führen will. So weiß dieser über weite Strecken der langsamen Erzählweise gar nicht, auf was das Ganze eigentlich hinauslaufen soll. Das Drehbuch nimmt sich berechtigterweise viel Zeit für die Einführung des Charakters Willenbrock und sein Leben. Die Ereignisse, die sein Leben dann aber verändern, finden relativ spät statt und selbst dann ist eine Richtung im Film nicht erkennbar. Nun muss es nicht immer ersichtlich sein, wie ein Film ausgehen kann – hier fehlt es manchmal ganz und gar an der Gesamtspannung. Zu Beginn ist alles überaus interessant und macht jede Menge Spaß. In der Mitte dauert es aber zu lange, bis die an sich grandios angelegte Geschichte voll durchstartet. Zum Ende hin wird das dann wieder ausgeglichen und sprichwörtlich gut gemacht, denn hier wird die Identifikation geschickt ausgenutzt und das Ganze zu einem bewegenden und passenden Ende geführt.

    „Willenbrock“ ist damit zwar kein Geniestreich, aber ein durchaus sehenswerter Film, der demjenigen gefallen wird, der sich von Inhalt und Thematik angesprochen fühlt. Dazwischen gibt es für die Verhältnisse des deutschen Kinos ein paar herrliche Kameraperspektiven und Bilder. Wer also Lust auf einen gelungenen deutschen Film hat, bei dem es an Darstellerleistungen nicht mangelt – sehr gut auch Inka Friedrich als Ehefrau – und dessen Thema eigentlich jeden interessieren dürfte, sollte sich aufgefordert fühlen, ins Kino zu gehen. Versprochen ist schon mal eine ganz und gar perfekte Szene, die sich an Silvester ereignet und eigentlich für sich stehen könnte. Mehr soll mal nicht verraten werden, aber allein für die lohnt es sich der Eintritt bereits.

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