Nach 18 Jahren Abstinenz seit seinem letzten Projekt „Love Me!" (1986) ging der schwedische Filmemacher Kay Pollak im Herbst vergangenen Jahres mit „Wie im Himmel" zum ersten Mal wieder mit einem neuen Film an den Start, der in seiner Heimat auf Anhieb zu einem großen Publikumserfolg wurde. Hinzu kam eine Oscar-Nominierung in der Kategorie Bester nicht-englischsprachiger Film. Auch Pollaks neues Drama erzählt die Geschichte eines spektakulären Comebacks, welche allerdings nicht im Bereich Film angesiedelt ist, sondern den Zuschauer unter anderem in die Welt der Musik entführt.
Daniel Daréus (Michael Nyqvist) hat sich von frühester Kindheit an der Musik verschrieben und es als Dirigent zu internationalem Ansehen gebracht. Die scheinbar unerschöpfliche Energie des Musikers speist sich aus seiner Vision, die Musik so zu vervollkommnen, dass sie die Menschen gänzlich aus ihrer Reserve lockt – dass sich ihre Herzen öffnen, wie er es selbst ausdrückt. Doch während eines Auftritts stößt Daniel bei diesem Versuch an seine persönlichen Grenzen und erleidet einen Anfall, der ihn kollabieren lässt. Er nimmt diese Warnung seines Körpers ernst und beendet seine Karriere, um sich in das Dorf seiner Kindheit in Nordschweden zurückzuziehen. Was er dort sucht, weiß er selbst nicht genau – hat er diesen Ort doch bereits als Kind nach dem frühen Tod des Vaters verlassen, kurz bevor er auch seine Mutter durch einen tragischen Unfall verlor. Deshalb und aufgrund der Änderung seines ursprünglichen Nachnamens rechnet er nicht damit, dass die jetzigen Dorfbewohner ihn nach so langer Zeit noch wieder erkennen würden. Für diese ist er nur der berühmte Künstler Daréus. Als solcher kann er es den Einwohnern nach mehreren Überredungsversuchen dann doch nicht abschlagen, den örtlichen Kirchenchor während einer Probe zu besuchen. Und da ist sie auch schon wieder entflammt, die alte Passion: Er bewirbt sich auf den vakanten Posten des Kantors und wird zum neuen Leiter des Gemeindechors. Trotz seiner – vor allem für die konservativen Dorfbewohner – unkonventionellen Arbeitsmethoden, gelingt es ihm, die Chormitglieder mit seiner musikalischen Begeisterung anzustecken. Dies gilt vor allem für die Frauen – und insbesondere für die attraktive Lena (Frida Hallgren), zu der er sich seit deren erster Begegnung im Lebensmittelgeschäft insgeheim hingezogen fühlt. Leider macht sich Daniel auf diese Weise nicht nur Freunde. Da ist zum einen der gewalttätige Conny (Per Morberg), mit welchem Daniel noch einige unangenehme Erinnerungen aus der Schulzeit verbindet. Dieser ist extrem eifersüchtig, schlägt seine Frau Gabriella (Helen Sjöholm) und versucht sie vom Besuch der Chorproben abzuhalten, zumal er in dem „fremden" Künstler einen potenziellen Nebenbuhler sieht. Auch der verklemmte Pastor Stig (Niklas Falk) kann die Begeisterung seiner Frau Inger (Ingela Olsson) für Daniels emotionalen Umgang mit den Chormitgliedern nicht in gleicher Weise teilen.
Wie der relativ komplexe Handlungsaufbau erkennen lässt, bietet das Drama bei seiner Vielzahl von Akteuren zugleich sehr viel Raum für zahlreiche interne und externe Konflikte. Angefangen bei der zentralen Hauptperson Daniel, dem nicht nur sein selbst auferlegter Erfolgsdruck, sondern auch nicht hinreichend verarbeitete Kindheitstraumata zu schaffen machen. Letzteres erweist sich vor allem problematisch im Hinblick auf die sich anbahnende Beziehung zur jüngeren, lebensbejahenden Lena, die nichtsdestoweniger ebenfalls unbewältigte Erlebnisse aus ihrer vorigen Partnerschaft mit sich herumträgt. Neben den bereits erwähnten Eifersuchtsdramen erleben wir einen gewalttätigen Ehekonflikt, offene Auseinandersetzungen zwischen den konservativen und den aufgeschlosseneren Dorfbewohnern sowie unausgesprochene, schwelende Konflikte zwischen einzelnen Chormitgliedern. Für zusätzliches Problempotenzial sorgt die Figur des geistig behinderten Tore (André Sjöberg), den es in die Chorgemeinschaft zu integrieren gilt.
Diese Zusammenstellung zeigt, dass sich Pollak für sein Drama eine Menge vorgenommen hat, und es drängt sich zurecht die Frage auf, ob er sich mit dieser Aufgabe – ähnlich wie der Protagonist des Dramas – nicht etwas übernommen hat. Nicht nur mit seiner hohen Anzahl von Konfliktthemen – auch an übermäßigem Gebrauch von Pathos bei deren Inszenierung wirkt der Film stellenweise leicht überfrachtet, wenn zum Beispiel Daniel den fast unfreiwillig komisch wirkenden Versuch unternimmt, sich beim Holzhacken mit freiem Oberkörper und dazugehöriger Urschreitherapie wieder ins seelische Gleichgewicht zu bringen. Ähnliches lässt sich für das Zusammenspiel zwischen Michael Nykvist und Frida Hallgren sagen, das sich vor allem gegen Ende hin leicht überdramatisiert und hölzern ausnimmt. Infolge dessen geht bei der Darstellung bisweilen einiges an Glaubwürdigkeit verloren. Dies gilt nicht minder im Hinblick auf das musikalische Projekt als zentrale, idealistische Botschaft des Films. Jeder, der schon einmal innerhalb eines Chores gearbeitet hat, weiß, dass es selbst bei einem gut aufeinander eingespielten Team nicht immer leicht ist, alle Beteiligten mit ihren jeweiligen Meinungen unter einen Hut zu bringen. Unter diesem Gesichtspunkt grenzt es im dargestellten Fall schon an ein Wunder, dass es der Hauptfigur überhaupt gelingt, trotz aller Widrigkeiten letztlich solch respektable Ergebnisse mit seiner chaotischen Truppe zu erzielen.
Dieser Idealismus ist denn auch die treibende Kraft, die alle zuvor thematisierten Differenzen zu überwinden sucht – die Musik soll, wie gesagt, die Herzen der Menschen öffnen. Diesem großen, allumfassenden Gemeinschaftsprojekt und seinem integrativen Charakter dürfte es auch in erster Linie zu verdanken sein, weshalb sich Pollaks Werk gerade bei einem Großteil des schwedischen Publikums einer solchen Beliebtheit erfreut – handelt es sich doch bei diesem Thema um eine geradezu prägende Wertvorstellung innerhalb der schwedischen Kultur. In eine ähnliche Richtung zielt beispielsweise Daniel Lind Lagerlöfs Gefängnisdrama „Der Weg nach draußen" (1999), in welchem der in seiner Heimat mittlerweile als Filmstar gefeierte Michael Nyman ebenfalls eine tragende Rolle spielt. Im Fall von „Wie im Himmel" wäre – nicht zuletzt bei der Inszenierung des Schlusses – weniger vielleicht mehr gewesen, um die engagierte Botschaft in angemessener Weise zu transportieren. Statt dessen drückt der Film mit seiner Tour de Force bisweilen etwas zu sehr auf die Tränendrüse und läuft somit Gefahr, sich selbst zu ernst nehmen, während er seinem Publikum nicht genügend Einfühlungsvermögen zutraut.
Nichtsdestotrotz hat der Film seine großen Momente, wie jene liebevolle Referenz auf Jane Campions Meisterwerk „Das Piano", als Daniel sich in der alten Volksschule des Dorfes niederlässt, wobei er in einer zugenagelten Kiste ein Piano vorfindet, ein loses Brett entfernt und dem Instrument spielerisch ein paar Töne entlockt. Für sich genommen entwickeln viele Szenen einen sehr dynamischen Drive, durch welchen sie das Publikum dann auch mitreißen und begeistern können, was nicht zuletzt guten Darstellern wie Lennart Jähkel oder Igela Olsson zu verdanken ist. Gerade zu Anfang der Handlung sorgen zudem einige ruhigere, kontemplative Abschnitte noch für einen passenden Ausgleich. Für Freunde des sentimentalen Gefühlsdramas ist „Wie im Himmel" in jedem Fall ein heißer Tipp, der ein wunderbares Kinoerlebnis verspricht, während sich andere beim zweistündigen Ritt in dieser emotionalen Berg- und Talbahn leicht überfordert fühlen könnten.