Mein Konto
    Das Gesicht der Wahrheit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Das Gesicht der Wahrheit
    Von Jürgen Armbruster

    Sich etwas von der Seele reden, bringt inneren Frieden. Doch bevor die Figur der Brenda Martin ihrem Frieden näher kommt und der Zuschauer „Freedomland“ erkennt, vergehen 113 nur selten spannende Minuten einer konstruiert wirkenden Mischung aus „Entführungs-„ und plakativem Rassismusdrama. Eine interessante Grundidee und die Starbesetzung konnte dem Film nicht über allzu offensichtliche Schwächen hinweghelfen.

    Spät in der Nacht taucht eine verwirrte Frau in der Notaufnahme des Dempsy Medical Center auf. Ihre Hände sind zerschnitten und sie behauptet, überfallen worden zu sein. Brenda Martin (Julianne Moore), so der Name des vermeintlichen Opfers, berichtet dem zuständigen Inspektor Lorenzo Council (Samuel L. Jackson), ein Mann, ein Schwarzer, habe sie aus ihrem Auto gezerrt und selbiges dann gestohlen. Ihr auf dem Rücksitz schlafender Sohn Cody (Marlon Sherman) sei dabei entführt worden. Council leitet sofort eine groß angelegte Fahndungsaktion ein, obwohl er von Brendas Geschichte nicht völlig überzeugt ist: Zum einen ist er selbst schwarz und Frau Martin hat ihm seiner Meinung nach etwas zu unvoreingenommen die Hand geschüttelt, zum anderen sind laut Statistik dreiviertel derer, die eine Entführung melden, selbst die Kidnapper.

    Es hätte ein ansehnlicher Psycho-Thriller werden können, aber schnell nimmt neben der angeblichen Entführung und deren Aufklärung ein weiterer Handlungsstrang mehr und mehr Spielzeit ein: Das weiße Opfer ließ verlauten, der Täter sei schwarz und so gewinnen Feindseligkeiten gegenüber den schwarzen Bewohnern eines Sozialprojekts immer mehr an Bedeutung. Während die Polizei überzeugt ist, den Täter in der ausnahmslos aus Schwarzen bestehenden Siedlung zu finden, und die Situation dort immer mehr der Eskalation entgegensteuert, versucht Inspektor Council mit Hilfe der Aktivistin Karen Collucci (Edie Falco) Frau Martin die Wahrheit zu entlocken.

    Wenn Samuel L. Jacksons Lorenzo Council der Sympathieträger des Films sein sollte, ist das misslungen. Es ist nicht nur die drängende, unsensible Art, wie er Brenda Martin, deren Sohn immerhin das Opfer einer Entführung geworden sein soll, behandelt – auch wenn das Script es vorsieht, dass der Erfolg ihm letzten Endes recht geben soll. Man sieht schon hier, dass der Wurm von „Das Gesicht der Wahrheit“ – ein übrigens ziemlich unbeholfener Titel im Vergleich zum passenden Originaltitel „Freedomland“ – schon im Roman und Drehbuch von Richard Price drin ist. Die Mischung aus Psycho-Thriller, Krimi und Rassismus-Drama geht auch im Film nicht auf. Dabei schaffen es Joe Roth, u.a. Regisseur von America´s Sweethearts und „Verrückte Weihnachten“ sowie Produzent für den nächsten Wes Anderson „The Fantastic Mr. Fox“ und sein Kameramann Anastas N. Michos (Die Vergessenen), zumindest am Anfang durchaus für Atmosphäre zu sorgen.

    Leider entgleiten Roth schon bei der Schauspielerführung zu schnell die Zügel. Julianne Moore (Magnolia, The Hours, Boogie Nights) ist bestimmt eine großartige Schauspielerin, doch im Falle von „Das Gesicht der Wahrheit“ trägt sie in der Darstellung der psychisch sehr angeschlagenen Brenda Martin viel zu dick auf. Auch der immer mal wieder grandiose Samuel L. Jackson (Pulp Fiction, Jackie Brown) kann nicht punkten. Zwar schafft er es, seinem Lorenzo Council eine eigene Art des sich Bewegens zu verleihen, aber als einfühlsamer Polizist, aufgerieben zwischen den Erwartungen seiner Freunde und den Erfordernissen seines Jobs, überzeugt er nicht. Lorenzo Council bleibt trotz Jacksons Leinwandpräsenz ein relativ austauschbarer Charakter.

    Wie gesagt, die Grundidee des Thrillerparts ist gut, nur an einer mitreißenden Umsetzung hapert es. Die Geschichte will einfach nicht so richtig in Fahrt kommen und beim sozialkritischen Teil, bestehend aus Belagerung des schwarzen Wohnblocks durch die Polizei bis hin zur Eskalation, ist nicht mal die überkonstruierte Idee interessant. Dass in Hollywood in letzter Zeit einige Filme produziert wurden, die auch unbequeme Themen ansprachen (München, Syriana, Lord Of War, Good Night, And Good Luck) ist zwar löblich, im Falle von „Das Gesicht der Wahrheit“ wirkt die Sozialkritik einfach nur aufgesetzt. Es wäre lobenswerter gewesen, mehr in die seelischen Tiefen der Brenda Martin und in die Glaubwürdigkeit der Konstellation Martin/Council zu investieren.

    Insgesamt überzeugt die Mischung aus Entführungs- und Rassismusdrama nicht. Zum einen wirken die Figuren, voran overacting Julianne Moore, nicht glaubwürdig. Zum anderen ist die Richtung der Pointe des Films zu schnell klar, um wirklich jemanden überraschen zu können. Zudem dürfte diese milde Pointe auch noch hinter den meisten Zuschauererwartungen zurückbleiben. Eine Reihe von Klischees und Ungereimtheiten tun trotz gutem Cast, trotz atmosphärischer Bilder, trotz spannender Grundidee ihr übriges, den Film unter das Mittelmaß zu drücken. Da werden auch die „falschen“ Flashbacks den Zuschauer in seinem Urteil nicht milder stimmen.

    Der Verleih Sony Pictures hat „Freedomland“, der unter dem Titel „Das Gesicht der Wahrheit“ am 13. April 2006 in die deutschen Kinos kommen sollte, nach dem enttäuschenden US-Einspielergebnis und überwiegend schlechten Kritiken von der Veröffentlichungsliste gestrichen. Der Film wird später direkt auf Video und DVD herausgebracht.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top